Gespräche über Armut
Auch meinen diesjährigen Besuch in der Vesperkirche habe ich dazu genutzt, um mich mit Helfenden und Betroffenen über das Thema „Armut“ auszutauschen.
Die Nürtinger Lutherkirche ist gut gefüllt. Und das schon vor 12 Uhr und damit noch vor der Essensausgabe. Es sind viele junge Leute, überwiegend jedoch Personen mittleren Alters und Ältere zu sehen. Als es 12 Uhr wird schwärmen die 45 freiwilligen Helferinnen und Helfer, darunter die Schülerinnen und Schüler einer Sonderschule, aus, um Bestellungen entgegen zu nehmen und die Essen an die Plätze zu bringen. Jeden Tag werden mindestens 200 Essen ausgegeben. Am Sonntag gab es einen neuen Rekord – über 400 Essen machten eine Nachbestellung bei den beiden Caterern erforderlich.
Ich tausche mich zunächst mit der Pfarrerin der Kirchengemeinde, später mit der Diakonin, die die Vesperkirche leitet, über die Organisation, die Angebote und Entwicklungen aus. „Die Menschen, die zu uns kommen, haben es nötig“, wird mir erklärt. Und: „Für einige ist dies hier ihr erweitertes Wohnzimmer.“ Dies deshalb, weil viele viel Zeit in der Vesperkirche verbringen und nicht nur zum Essen kommen. Die Nürtinger Vesperkirche findet nun zum elften Mal statt. Das Essen ist das zentrale, aber keineswegs das einzige Angebot. Es gibt Puppentheater, Haarschnitte bei einer Frisörin, Fußpflege, Seelsorge, Beratung (Wohnung, Schulden) und vieles mehr. An dem Tag, an dem ich die Vesperkirche besucht habe, stand ein Arzt für Beratungsgespräche und kleine Untersuchungen bereit. Auch mit ihm konnte ich sprechen. Nach seiner Erfahrung kommen die meisten um sich eine Zweitmeinung einzuholen und sich beraten zu lassen – oder weil sie einen vertraulichen Gesprächspartner suchen. Zu meiner Linken nimmt eine Mutter mit ihrem Sohn, der die sechste Klasse eines Gymnasiums besucht, Platz. Auf der anderen Seite bestellen sich der Leiter des diakonischen Möbellagers und einer seiner Mitarbeiter ihre Essen. Der Mitarbeiter ist mit seinem 1,50 Euro-Job sehr zufrieden, weil er mit seinen Aufgaben, zu denen auch die Hauspost der diakonischen Einrichtungen in der Stadt gehört, einen geregelten Arbeitstag hat. Unsere Gespräche, zu denen sich auch der Dekan des Kirchenbezirks gesellt, drehen sich rund um den geteilten Arbeitsmarkt: Hohe Beschäftigung, deutlich gesunkene Arbeitslosigkeit – aber noch immer viel zu viele Langzeitarbeitslose, für die zu wenig getan wird. Dieses Thema werde ich in nächster Zeit wieder mit dem Jobcenter erörtern.