Interview mit Fred Schuster, dem Geschäftsführer von proBürgerBus Baden-Württemberg e. V.
1. Herr Schuster, können Sie bitte beschreiben, wie das Angebot eines Bürgerbusses aussieht? Welche verschiedenen Angebotsformen gibt es und wie unterscheiden sich diese in ihrem Organisationsaufwand?
Unter einem Bürgerbus versteht man im Allgemeinen ein sogenanntes engagementbasiertes Mobilitätsangebot. Wesentliches Merkmal ist dabei die Ehrenamtlichkeit. Dabei gibt es eine große Bandbreite an Angeboten, die sich vor allem an den örtlichen Erfordernissen und Rahmenbedingungen ausrichtet. Von einfachen Fahr- und Begleitdiensten mit dem Privat-PKW über sogenannte Bürgerfahrdienste mit Kleinbussen örtlicher Sozialstationen bis hin zum eigentlichen Bürgerbus stellen sich damit sehr unterschiedliche Anforderungen an Organisationsstandard und Nachhaltigkeit. Den höchsten Aufwand betreibt man mit dem auch als einfachen Verkehrsbetrieb umschreibbaren „Bürgerbus“, der auf der Grundlage des Personbeförderungsgesetzes mit Linienkonzession nach Fahrplan regelmäßig verkehrt und von – aber auch ehrenamtlichen – Fahrern mit Personenbeförderungserlaubnis gesteuert wird. Neben den formalen Anforderungen muss hierbei das regelmäßige Angebot über eine Fahrdienstleitung sichergestellt werden.
2. Welches Potenzial muss vorhanden sein, damit sich ein Angebot lohnt? Wann ist ein Bürgerbus sinnvoll bzw. welche Ziele sollten mit einem solchen Angebot verfolgt werden?
Jedes Angebot ist besser als keines. Die hauptsächliche Zielgruppe solcher Angebote sind vor allem ältere Menschen. Im Zuge des demographischen Wandels wird diese Bevölkerungsgruppe in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wachsen. Die weitgehend selbstständige Teilhabe dieser Menschen am sozialen und kulturellen Leben, auch ihre Möglichkeiten zur Selbstversorgung sollten uns bei der Beschäftigung mit Mobilitätsangeboten leiten – sie geben den wesentlichen Sinn eines solchen Angebots. Neben der konkreten Fahrleistung stehen hier Kommunikation und Information für die Fahrgäste ebenso im Fokus wie Wertschöpfung und Sinngebung für die Fahrer, die überwiegend selbst nicht mehr im Berufsleben stehen.
3. Wie sieht die Finanzierung eines Bürgerbusangebotes aus? Welche Möglichkeiten der Förderung bestehen? Sehen Sie in diesem Punkt Verbesserungsmöglichkeiten?
Bürgerbusse sind aufgrund ihrer ehrenamtlichen Strukturen Low-Budget-Projekte. In der Regel sind sie klassische PPP-Aktivitäten, die sich aus Fahrtentgelten, Sponsorengeldern und in der Regel einer geringen Abmangelübernahme durch die öffentliche Hand finanzieren – rechnet man die Refinanzierungskosten, also eine Abschreibung der Investitionskosten dazu. Bei den Abmangeln der öffentlichen Hand sprechen wir hier von Beträgen zwischen 10 und 25 ct. je Kilometer Fahrleistung. Die Förderung solcher Projekte durch die Länder sehen sehr unterschiedlich aus. Gibt es überhaupt eine Landesförderung, so bezieht sich diese meist auf Investitionszuschüsse für barrierefreie Fahrzeuge. In Baden-Württemberg werden darüber hinaus noch die kompletten Kosten für die Personenbeförderungserlaubnisse der Fahrerinnen und Fahrer übernommen. NRW unterstützt die ehrenamtlichen Bürgerbusvereine daneben noch mit einer jährlichen Verwaltungskostenpauschale. Generell wäre es wünschenswert, wenn hier bundesweit einheitliche Förderungen greifen würden. Problematisch ist aus unserer Sicht auch die Ausgliederung der Investitionförderung aus dem großen Topf der GVFG-Mittel hin in eigene Haushaltstitel für die Bürgerbusse. Was hier auf den ersten Blick positiv stimmt, lässt sich bei genauerem Hinschauen auch als Hemmschuh für die Entwicklung der Bürgerbusse deuten, sind die doch dann recht knappen speziellen Mittel recht schnell überzeichnet und Projekte müssen verschoben werden.
4. Wie sehen außerdem die Rahmenbedingungen für Bürgerbusse aus? Was können Sie zu der Genehmigungspflicht nach dem Personenbeförderungsgesetz sagen?
Bürgerbusse sind Nischenverkehre. Dennoch bedürfen sie eines hohen organisatorischen und fachlichen Aufwandes, ähnlich dem eines Verkehrsbetriebes. Wir befördern mit diesem Verkehrsmittel ebenso wie die großen Busse nachhaltig Menschen. Insofern sind wir gefordert, alles zu tun, damit dies fachgerecht und sicher erfolgt. Es kann nicht im Interesse der Bürgerbusse und ihrer Fahrgäste sein, dass hier Wildwuchs entsteht. Daher sagen wir ganz klar, dass die eigentlichen Bürgerbusse im Rahmen der personenbeförderungs- und fahrerlaubnisrechtlichen Rahmen organisiert werden. Allerdings haben wir zum Teil vor Ort Probleme mit der Handhabung des Konkurrenzverbotes bei den Linienkonzessionen, die aber keine Änderung der Vorschriften sondern nur eine zeitgemäße Anwendung dieser Vorschriften durch die Genehmigungsbehörden erfordern. Es wäre dringend eine Vereinheitlichung an dieser Stelle geboten.
Weit zurückgeworfen hat die Bürgerbusse die Antwort der EU-Kommission auf den Antrag des Bundesverkehrsministers, auch für die Bürgerbusse – wie bei den Lieferfahrzeugen auch – die Gewichtsgrenze für das Führen dieser Fahrzeug mit der FE-Klasse B bei E‑Antrieb auf bis zu 4,25 to. zGG anzuheben. Es gibt derzeit leider kein Fahrzeug, das alle aus unserer Sicht notwendigen und sinnvollen Merkmale – also 8 Sitzplätze, langer Radstand, Niederflurigkeit und E‑Antrieb mit garantierten Reichweiten von 140 km – auf der Basis von 3,5 to. zGG erfüllt. Daher ist die Entscheidung der Kommission nicht nachzuvollziehen. Meint man es ernst mit einem umweltfreundlichen Nahverkehr und setzt man politischerseits dabei auch auf die Ergänzung durch die Bürgerbusse, so muss eine solche Lösung erreicht werden.
5. Was ist in der Planung und Entwicklung eines Bürgerbusangebotes zu beachten? Was wird benötigt? Welche Anforderungen gibt es beispielsweise im Bezug auf das Fahrzeug? Welche Empfehlungen gibt es dazu von proBürgerBus Baden-Württemberg e.V.?
Wesentlichstes Element dieser Angebote ist die Ehrenamtlichkeit. Dies gilt auch bereits bei der Vorbereitung. Selbstverständlich sollte man angesichts der Komplexität fachliche Hilfe in Anspruch nehmen. Dies können Verkehrsberater, Fachverbände oder aber andere Bürgerbusse sein. Neben diesen Ehrenamtlichen, die sich sowohl in der Vorbereitung wie auch in der späteren Betriebsführung an verantwortlicher Position einbringen, werden natürlich die ehrenamtlichen Fahrer benötigt. Wie viele hängt von verschiedenen Faktoren ab – wie z.B. der Anzahl der Fahrtage oder der Frequenz der Fahrschichten.
Es bedarf auch einer positiven Unterstützung der örtlichen politischen Gremien und der Verwaltungen. Ganz wichtig ist auch die Einbindung der örtlichen Busunternehmen in ein vertrauensvolles Miteinander. Bürgerbusse und „große“ Busse sollen einander ergänzen.
Bezüglich der Fahrzeuge gibt es eine große Bandbreite. Vom einfachen Kleinbus mit 8+1 Sitzplätzen bis hin zu einem vollständig umgebauten Niedrigflurfahrzeug mit großen Bewegungsbereichen und Busanmutung sind alle Lösungen denkbar. Als Fachverband haben wir hierzu in unseren Empfehlungen all die Erfahrungen zusammengetragen, die wir als ideal in Bezug auf Betrieb, Fahrgäste und Fahrer ansehen. Hierzu gehört nicht nur die bereits genannten „Basics“ 8 Fahrgästsitzplätze, Niederflurigkeit oder langer Radstand. Auch Seiteneinstieg, große Bewegungsflächen, helle Ausstattung, Fahrer- und Fahrgastklimaanlage, Stand- oder Zusatzheizung und Automatik gehören hierzu.
Vor allem aber gilt: jedes Angebot ist im Hinblick auf die wachsenden Bedürfnisse unserer Kundschaft besser als keines.
6. Wenn ein Bürgerbus nicht umgesetzt werden kann, welche Alternativen gibt es stattdessen, um dennoch Nahmobilität mit Engagement basierten Verkehrsangeboten zu gewährleisten? Stichwort Bürgerauto. Sind diese Angebote auch genehmigungspflichtig?
Grundsätzlich gibt es eine Vielzahl von niederschwelligeren Angeboten mit einem deutlich geringeren Organisationsaufwand. Dies ist allein schon der Tatsache geschuldet, dass in fast allen Kommunen Überlegungen zur Mobilität vor allem für ältere Menschen angestellt werden. Auch die Tatsache, dass immer noch viele Busangebote im Nahverkehr in den ländlichen Räumen auf Schülerverkehren mit den dort bekannten Einschränkungen an Bedienungszeit und –häufigkeit basieren trägt dazu bei, dass man sich vieler Ortens Gedanken über alternative Mobilitätsangebote macht. Und so kommt man je nach Ansatz und Möglichkeiten zu durchaus unterschiedlichen Angeboten. Allen gemein ist die Ehrenamtlichkeit und das tolle Engagement von Bürgern für Bürger vor Ort.
Niederschwelligere Angebote wie auf Anruf basierende Bürgerautos, Rufautos, Bürgerfahrdienste, Begleitdienste oder anderes mehr sind in der Regel außerhalb des Personenbeförderungsgesetzes angesiedelt und benötigen daher nicht den hohen Verwaltungsaufwand und auch keine Genehmigungen. In der Regel engagieren sich hier örtliche karitative Einrichtungen – vor allem kirchlicher Art – die ihre Fahrzeuge für solche Angebote zur Verfügung stellen. Entscheidend ist hier, dass auch diese Angebote aus der Bürgerschaft entstehen und von dieser organisiert werden. Aber auch hier sollte darauf geachtet werden, dass die Fahrer zumindest den Anforderungen des Fahrerlaubnisrechts gerecht werden, auch wenn sie diesem zum Teil nicht unterliegen. Dies verlangt aus meiner Sicht schon die Fürsorge den Ehrenamtlichen gegenüber, die ja für den von ihnen organisierten Verkehr verantwortlich sind.
—————
Fred Schuster ist Abteilungsleiter Ordnung und Soziales bei der Stadt Wendlingen und ehrenamtlicher Geschäftsführer des Landesverbandes proBürgerBus Baden-Württemberg e.V.. Außerdem ist er Mitglied des Leitungsteams des Bürgerbusses Wendlingen.
Der Landesverband proBürgerBus, gegründet im September 2014 als Zusammenschluss von 17 Bürgerbus-Vereinen aus Baden-Württemberg, dient als Informations- und Kommunikationsplattform und vertritt die Interessen der Bürgerbusse gegenüber Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Der Verband steht Bürgerbusbetreibern beratend zur Seite und unterstützt Kommunen in der Planung und Umsetzung von neuen Bürgerbusprojekten.
Landesverband proBürgerBus: www.pro-bürgerbus-bw.de
Weiter Informationen zum Thema bei der Nahverkehrsgesllschaft Baden-Württemberg: www.buergerbus-bw.de