03.10.2016 (verfasst für den Rundbrief der kommunalpolitischen Vereinigung “Grüne und Alternative in den Räten von Baden-Württemberg”, deren Vorstand ich angehöre.)
Statistisches zu Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg
Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg galten bislang als ein weitgehend unerforschtes Feld. Eine aktuelle Studie des statistischen Amtes der Stadt Stuttgart schließt diese Lücke zumindest teilweise und bringt einige interessante Erkenntnisse ans Licht. Ausgewertet wurden die rund 900 Wahlen (inklusive der zweiten Wahlgänge) zwischen den Jahren 2010 und 2015. Hier einige der Ergebnisse kurz zusammen gefasst:
1. Im Durchschnitt treten heute noch zwei bis vier Kandidat*innen an. Bei 31 Prozent aller (Ober-)Bürgermeisterwahlen trat nur eine Person an, bei 28 Prozent sind es zwei, bei 19 Prozent sind es drei und bei 11 Prozent sind es vier. Fünf oder mehr Bewerber/innen gibt es bei jeder zehnten Wahl. Wenn die/der Amtsinhaber/in wieder antritt, treten durchschnittlich 1,9 und wenn sie/er nicht wieder antritt treten 3,8 Bewerber*innen an. Die Anzahl der Kandidierenden sinkt. Übrigens ist die Zahl der Kandidierenden in Baden im Durchschnitt etwas höher als in Württemberg.
2. Bei 65 Prozent der Wahlen kandidierte die/der Amtsinhabende wieder. 40 Prozent der Gewählten kamen in ihre erste Amtszeit. 37 Prozent kamen in ihre zweite, 16 Prozent kamen in ihre dritte, 6 Prozent kamen in ihre vierte und immerhin noch 2 Prozent kamen in ihre fünfte oder gar sechste Wahlperiode. Ein Langfristvergleich zeigt jedoch, dass die Amtszeiten tendenziell kürzer werden.
3. Neuwahlen (umgangssprachlich auch als „2. Wahlgang“ bezeichnet) gibt es dann, wenn beim ersten Wahltermin niemand mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erreicht hat. Neuwahlen finden frühestens am zweiten und spätestens am vierten Sonntag nach der Wahl statt (§ 45 GemO). Dann entscheidet die höchste Stimmenzahl. Es dürfen neue Bewerberinnen und Bewerber, die ursprünglich nicht antraten, hinzustoßen. In 90 Fällen kam es im Betrachtungszeitraum zu Neuwahlen. Damit wurden 11 Prozent aller Bürgermeisterwahlen nicht gleich entschieden. Meist war dann die/der Amtsinhaber*in nicht mehr wieder angetreten (bei 68 von 90 Wahlen ohne Entscheidung am ersten Wahltermin). In aller Regel nimmt beim zweiten Durchgang die Kandidierendenzahl deutlich ab.
4. Die Parteizugehörigkeit spielt zumindest in kleineren Gemeinden eine untergeordnete Rolle. 58 Prozent der Gewählten gehörten keiner Partei oder Wählervereinigung an. Unter den einer Partei oder Wählervereinigung angehörenden Bewerber*innen liegt die CDU mit 73 Prozent weit vorne. Es folgen die der SPD (15 Prozent), der Freien Wählervereinigungen (7 Prozent) und der Grünen (2 Prozent). Je kleiner die Gemeinde, umso eher sind die Bürgermeister*innen parteilos. Und umgekehrt.
5. Obwohl zwei Drittel der bei Kommunen Beschäftigten und sogar rund drei Viertel der Studierenden an den Hochschulen für öffentliche Verwaltung Frauen sind, sind nur 9,2 Prozent der sich bei Bürgermeisterwahlen bewerbenden Frauen. Bei den Wahlen ging seit dem Jahr 2010 in 6,8 Prozent aller Wahlen eine Frau als Siegerin hervor. Und doch steigt der Anteil von Frauen in diesen Positionen, wenngleich von sehr geringem Niveau ausgehend und sehr langsam.
6. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wurden im betrachteten Zeitraum mit durchschnittlich 78,1 Prozent der Stimmen gewählt. Kandidierte nur sie/er, erfolgte die Wahl mit durchschnittlich 94,9 Prozent aller Stimmen. Die Höhe der Zustimmung steigt statistisch mit der Anzahl der absolvierten Amtszeiten.
7. Zur Abwahl einer/eines sich wiederbewerbenden Bürgermeister*in kommt es nur bei rund jeder zwanzigsten Wahl. Etwas über die Hälfte solcher Abwahlen ereigneten sich bereits im ersten Wahlgang. Das jüngste, in dieser Auswertung noch nicht berücksichtigte, Beispiel ereignete sich in Neckarsulm.
8. Die durchschnittliche Wahlbeteiligung lag bei 51,2 Prozent. In Gemeinden mit bis zu 2.000 Einwohnern lag sie bei 63,5 Prozent und sinkt mit steigender Ortsgröße. Wenn die/der Bürgermeister*in nicht wieder antritt ist die Wahlbeteiligung im Durchschnitt höher und ebenso dann, wenn mehrere Personen antreten. Die Koppelung von Bürgermeister- mit Parlamentswahlen erhöht die Wahlbeteiligung deutlich um zehn bis zwanzig Prozent. Spannung belebt das Geschäft. Der Langfristtrend zeigt jedoch leider einen Rückgang der Wahlbeteiligung.