16.02.2020
Gäubahn-Ausbau kommt weiter nicht vom Fleck
Der Ausbau der Gäubahn wird mehr und mehr zur schier unendlichen Geschichte. Antwortete die Bundesregierung noch im März 2019 auf meine Anfrage, Ende 2020 würde zunächst mit den bauvorbereitenden Maßnahmen für das zweite Gleis zwischen Horb und Neckarhausen gestartet werden, so wird jetzt mit dem eigentlichen Baubeginn erst im Jahr 2022 gerechnet. Die Inbetriebnahme erscheint im Jahr 2023 realistisch. Für den Bau des zweiten Gleises ist, so die Bundesregierung, im Jahr 2023 eine „mehrmonatige Vollsperrung“ erforderlich.
Dieser Ausbau, der nur ein erster Schritt hin zu einem umfassenderen Ausbau darstellen kann, verfolge das Ziel einer „Kapazitätsausweitung, die sich auf alle Verkehrsarten (Fernverkehr, Nahverkehr und Güterverkehr) positiv auswirkt und die Betriebsqualität auf der Gäubahn verbessert.“ Die Bundesregierung räumt jedoch ein, dass sich eine „Fahrzeitverkürzung für den Fernverkehr ggf. nur durch den Wegfall oder die Verkürzung von Wartezeiten bei Zugkreuzungen“ ergeben könnte. Für die angestrebte und dringend notwendige Fahrzeitverkürzung braucht es also weitere Ausbauschritte. Diese verharren aber noch immer in der Leistungsphase 1 und 2 (Vorplanung). Wann der Ausbau starten könnte kann die Bundesregierung nicht beantworten, was auch für die Singener Kurve gilt. Der Frage danach, welchen Effekt die Aufnahme der Gäubahn ins „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz“ des Bundes haben könnte, wich die Bundesregierung aus. Damit bestätigt sie das, was wir schon wussten: Die Aufnahme der Gäubahn ins Maßnahmengesetz hätte keinerlei Beschleunigung zur Folge. Denn für den Abschnitt zwischen Horb und Neckarhausen besteht seit nahezu zwei Jahren Baurecht. Die Deutsche Bahn könnte längst die Bagger anrollen lassen. Die beiden anderen Abschnitte, für die ein zweites Gleis vorgesehen sind (Rottweil – Neufra und Spaichingen – Wurmlingen), kommen wegen Unklarheiten bezüglich verschiedener Prämissen (Einsatz von Neigetechnikzügen/Reisezeiten, Fahrplänen, genaue Lage der Begegnungsstellen) nicht voran. Es liegt am Bund, hier Klarheit zu schaffen und damit die Grundlage für zügige Planungen zielgerichteter Infrastruktur-Ausbauten zu schaffen. Angesichts dieser politischen Unklarheiten hilft kein Gesetz – schon gar keines, das mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist.
Im Vertrag von Lugano vereinbarte Reisezeitverkürzung wird nicht mehr verfolgt
Pikant ist, dass der Bund offenbar das Ziel einer Fahrzeitverkürzung auf 2:15 Stunden zwischen Stuttgart und Zürich aufgegeben hat. Man sei mit der Schweiz übereingekommen, dass dieses Ziel „zu ambitioniert“ sei. Um die Gäubahn nachhaltig zu stärken und deutliche Fahrgastzuwächse zu erzielen ist aber eine spürbare Reisezeitverkürzung – insbesondere im Fernverkehr – zwingend. Die geschwindigkeitserhöhenden Maßnahmen müssen zügig angegangen werden. Gegebenenfalls muss der bisher diskutierte Umfang der Ausbaumaßnahmen ausgeweitet werden. Zentral ist, dass die Fahrtzeit gegenüber heute um eine Viertelstunde verkürzt wird, um die Anschlüsse in Stuttgart und in Zürich zu sichern. Umso unwahrscheinlicher der Einsatz von Neigetechnikzügen wird, umso notwendiger wird die Prüfung weitergehender Ausbaumaßnahmen, mit denen sich dieses Ziel erreichen lässt.
Zu viele Ausfälle und Verspätungen
Nicht nur der Ausbau der Infrastruktur hinkt hinter den Erwartungen hinterher. Dies gilt auch für die Zuverlässigkeit der DB-Fernverkehrszüge. Dass immer wieder fünf bis sechs Prozent aller IC 2‑Züge vollständig oder auf Teilabschnitten ausfallen kann nicht hingenommen werden. Das ist etwa das Fünffache des sonst Üblichen. Auch bei der Pünktlichkeit fahren diese Züge mit Quoten von teilweise unter 70 Prozent hinter dem Ziel her. Entweder die Deutsche Bahn bekommt dies mit dem Zughersteller Bombardier in den Griff oder es müssen andere, zuverlässigere Fahrzeuge eingesetzt werden.
Bundesregierung will Unterbrechung der Anbindung des Hauptbahnhofs nicht vermeiden
Für die Stuttgart 21-Baumaßnahmen muss ein kurzes Stück der Trassierung im Stuttgarter Talkessel abgetragen werden. Weil aber die zukünftige Führung der Gäubahn über den Flughafen Jahre später als die Inbetriebnahme des Tiefbahnhofes erfolgen soll ergibt sich daraus, dass die Züge der Gäubahn über Jahre den Hauptbahnhof nicht werden erreichen können. Diese Unterbrechung ließe sich vermeiden, wenn das Gleisstück schnell wieder hergestellt wird. Auf die Frage, ob die Bundesregierung die Möglichkeit, die Unterbrechung der Erreichbarkeit des Hauptbahnhofs auf wenige Wochen zu begrenzen unterstützt, antwortete diese kurz, aber klar mit „Nein“. Das Land hatte eine Lösung quasi auf dem Silbertablett serviert – und der Bund lehnt ab. Bei ihr stehen ganz offenbar nicht die Fahrgästen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt. Im Mittelpunkt steht mit Stuttgart ein Bahnprojekt, dessen angebliche Brillanz nicht durch eine ergänzende Infrastruktur in Zweifel gezogen werden darf. Tausende Fahrgäste werden sich darauf einstellen müssen, unter verfehlten Stuttgart 21-Planungen leiden zu müssen und beim Bund keinen Fürsprecher zu finden.
Das Land hat im Rahmen seiner Möglichkeiten vorgesorgt. So werden die Züge der Gäubahn nicht schon in Böblingen enden bzw. erst in Böblingen ihre Fahrt beginnen. In Stuttgart-Vaihingen wird ein zusätzlicher Regionalbahnsteig für die Gäubahnzüge gebaut. So können diese zumindest an den Stadtrand fahren, wo die Fahrgäste mehrere S‑Bahn-Linien und die Stadtbahn nutzen können. Im Stuttgarter Talkessel wird außerdem die Möglichkeit geschaffen, dass die Züge womöglich auch einen neuen Bahnsteig unweit des Nordbahnhofs ansteuern können. Aber direkt an den Hauptbahnhof werden sie ab einem halben Jahr vor Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs für mehrere Jahre nicht mehr fahren können. Hier stellen sich neben dem Bund bedauerlicherweise auch die Landeshauptstadt und der Verband Region Stuttgart quer.