Corona und die Landwirtschaft

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25.03.2020

So sieht es vor Ort aus

Die Coro­na-Kri­se wirkt sich mas­siv auf die ver­schie­dens­ten Lebens­be­rei­che und Wirt­schafts­zwei­ge aus. Wie sieht es mit der Land­wirt­schaft aus? Ich habe mit eini­gen Landwirt*innen aus mei­ner Gegend gespro­chen.

Deutsch­land ist bei Obst, Gemü­se und Fut­ter­mit­teln für die Tie­re auf Impor­te ange­wie­sen. Hier machen sowohl unter­bro­che­ne Lie­fer­ket­ten als auch der Man­gel an Ern­te­hel­fern zu schaf­fen. Da an den natio­na­len Gren­zen wie­der Kon­trol­len ein­ge­führt wur­den, stau­en sich Last­wa­gen. Von den 280.000 Sai­son­ar­beits­kräf­ten (in Baden-Würt­tem­berg allei­ne 27.000 für die Erd­beer- und 6.000 für die Spar­gel­ern­te), die übli­cher­wei­se die Land­wirt­schaft in Deutsch­land unter­stüt­zen, könn­te ein Drit­tel aus­blei­ben. Eini­ge befin­den sich in Qua­ran­tä­ne und ande­re, so die Kräf­te aus Rumä­ni­en und Bul­ga­ri­en, wer­den womög­lich nicht durch die Tran­sit­län­der gelas­sen. Hin­zu kommt, dass die enge Unter­brin­gung in häu­fig nur pro­vi­so­ri­schen Quar­tie­ren in Coro­na-Zei­ten als pro­ble­ma­tisch ange­se­hen wird.

Eigent­lich woll­te ich in die­sen Tagen Chris­ta Hen­z­ler aus Den­ken­dorf auf ihrem Bio­land­hof besu­chen. Das Virus mach­te dem einen Strich durch die Rech­nung. Wir führ­ten aber statt­des­sen ein Tele­fo­nat. Der Bio­land­hof Hen­z­ler bewirt­schaf­tet eine Flä­che von 45 Hekt­ar, auf denen das Fut­ter für die Milch­kü­he, Hüh­ner und Schwei­ne sowie Kür­bis­se ange­baut wer­den. Die Nach­fra­ge nach regio­na­len und Bio-Pro­duk­ten sei deut­lich gestie­gen, der Hof­la­den boo­me und es gehe der­zeit weni­ger an den Groß­han­del. Es wür­den sich bis­wei­len lan­ge Schlan­gen bil­den, zumal aktu­ell nur eine Per­son den klei­nen Laden betre­ten dür­fe. Da die Kin­der (Schu­le und Stu­di­um ruhen kri­sen­be­dingt) zuhau­se sei­en, gäbe es aus­rei­chend tat­kräf­ti­ge Unter­stüt­zung. Auf Sai­son­kräf­te war der Hof auch in der Ver­gan­gen­heit nicht ange­wie­sen gewe­sen. Benach­bar­te Höfe, die auf Unter­stüt­zung von Men­schen aus ande­ren Län­dern ange­wie­sen sei­en, hät­ten aber Pro­ble­me. Beim Zukauf von Pro­duk­ten für den Hof­la­den gäbe es zeit­wei­se Eng­päs­se, so bei Zitro­nen und abseh­bar auch bei Karot­ten aus der letzt­jäh­ri­gen Ern­te. Da das Saat­gut bereits auf Lager wäre oder aber aus Deutsch­land stam­me wür­de hier kein Lie­fer­pro­blem erwar­tet. Das Fut­ter für die Kühe stam­me aus­schließ­lich aus Eigen­an­bau und sei reich­lich vor­han­den. Für die Hüh­ner müs­se nur wenig zuge­kauft wer­den und es sei kein Lie­fer­eng­pass abseh­bar. Fazit der Bäue­rin: „Die Wert­schät­zung regio­na­ler Pro­duk­te steigt. Hof­fent­lich ist das eine nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung.“

Die Erfah­rung mit der stei­gen­den Nach­fra­ge macht der­zeit auch Mar­kus Bau­er, Milch­bau­er aus Fil­der­stadt. In den letz­ten Tagen ist die ver­kauf­te Men­ge um min­des­tens die Hälf­te gestie­gen. Dass auch die Hygie­ne­auf­la­gen des Vete­ri­när­am­tes gestie­gen sind ist für ihn nach­voll­zieh­bar. So wird der Milch­au­to­mat inzwi­schen mehr­fach täg­lich gerei­nigt. Auf Sai­son­kräf­te ist auch Bau­er nicht ange­wie­sen. Als land­wirt­schaft­li­cher Obmann weiß er aber von sei­nen Kol­le­gen, dass die­se – mit Mehr­auf­wand – ihre Unter­stüt­zer ein­flie­gen statt sie wie bis­her in Klein­bus­sen anfah­ren zu las­sen. Mit Saat­gut und Fut­ter hat er kei­ne Pro­ble­me, wenn­gleich Letz­te­res inzwi­schen vor­be­stellt wer­den muss. Die größ­ten Sor­gen macht sich der Land­wirt über die neue Dün­ge­ver­ord­nung und die Nacht­frös­te, die dem Obst scha­den könn­ten.

Über einen Man­gel an Nach­fra­ge kann sich auch der Bio­land-Gemü­se­hof Hörz in Fil­der­stadt nicht bekla­gen. Die Nach­fra­ge sei grö­ßer als sich mit dem vor­han­de­nen Per­so­nal und den ver­füg­ba­ren Waren­men­gen bedie­nen lie­ßen. Daher kann die Anzahl der Gemü­se­kis­ten, die die Pri­vat­kun­den aus­ge­lie­fert wer­den, zumin­dest kurz­fris­tig nicht aus­ge­wei­tet wer­den. Die gestie­ge­ne Nach­fra­ge wird dar­auf zurück­ge­führt, dass der­zeit vie­le Men­schen zuhau­se sind und nicht über­wie­gend in Kita, Schu­le oder Fir­men­kan­ti­ne essen. Bestimm­te Gemü­se­ar­ten wie Kohl­ra­bi und Blu­men­kohl, die um die­se Jah­res­zeit viel­fach aus Ita­li­en und Spa­ni­en kämen, wären wegen der dort feh­len­de Arbeits­kräf­te nicht aus­rei­chend ver­füg­bar. Ein Ver­sor­gungs­man­gel sei aber weder zu ver­zeich­nen noch zu befürch­ten. Denn es stün­den genü­gend Sai­son­kräf­te zur Ver­fü­gung. Zwar dürf­ten eini­ge Hilfs­kräf­te bei­spiels­wei­se aus der Slo­wa­kei nach ihren Hei­mat­ur­lau­ben wegen der Grenz­re­ge­lun­gen nicht wie­der zurück­kom­men. Doch eini­ge Hilfs­kräf­te, so aus Rumä­ni­en, sei­en schon vor der Ver­schär­fung der Kri­se gekom­men und stün­den eben­so zur Ver­fü­gung wie Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge und Kin­der von Beschäf­tig­ten. Es habe aber auch erfreu­lich vie­le Hilfs­an­ge­bo­te aus der Bevöl­ke­rung gege­ben.

Hin­weis: Bit­te beach­ten, dass alles, was hier beschrie­ben wur­de, eine Moment­auf­nah­me war und sich die Situa­ti­on jetzt und heu­te, wenn Sie die­sen Bei­trag lesen, ver­än­dert haben kann.

Quel­len: Infor­ma­tio­nen aus der Bun­des­tags­frak­ti­on, Stutt­gar­ter Zei­tung v. 19.03.2020, 23.03.2020 und 24.03.2020 sowie ver­schie­de­ne Gesprä­che mit Landwirt*innen.