Gastbeitrag für „Pro Bahn“
Die Lebenshaltungskosten für die Bürgerinnen und Bürger sind in Folge des Angriffskrieges von Putins Truppen auf die Ukraine deutlich gestiegen. Die Ampelkoalition hat daher umfassende Entlastungspakete für die Menschen geschnürt. Der FDP waren niedrigere Spritpreise wichtig. Uns hat das nicht überzeugt und wir wollten dem etwas für die bisherigen wie auch zukünftigen Nutzer*innen des energieeffizienten öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) entgegensetzen. Dabei entstand die Idee des Neun-Euro-Tickets. Für neun Euro im Monat sollen im Juni, Juli und August bundesweit Bus und Bahn im Nahverkehr genutzt werden können. Die Bürgerinnen und Bürger sollen in Zeiten steigender Preise von (Mobilitäts)Kosten entlastet werden. Das Sparticket ist also nicht als verkehrspolitische Maßnahme und nicht als Beitrag zur erforderlichen Verkehrswende entstanden. Es kann aber wichtige Erkenntnisse und Beiträge für diese leisten.
Insbesondere Neukunden sollten gegen Ende des dreimonatigen Aktionszeitraums möglichst passgenaue Anschlussangebote erhalten. Aus der Aktion sollen sich Angebote für die dauerhafte Kundengewinnung ergeben. Dazu ist eine umfassende wissenschaftliche Begleitung der Tarifaktion erforderlich.
Vorrangig bleibt der Ausbau der Angebote im öffentlichen Nahverkehr. Es geht um dichtere Takte, die bessere Abstimmung von Bus und Bahn, die Sicherung der Anschlüsse und vieles mehr. In ländlichen Räumen müssen wir endlich über die Schmalspurangebote der Schulverkehre hinauskommen. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, Qualitätsstandards zu definieren, wie dies beispielsweise in Baden-Württemberg mit der Mobilitätsgarantie und einem stündlichen Grundangebot begonnen wird.
Als Verkehrs(wende)politiker hoffe ich auf die Tarifverbünde und setze auf die Unterstützung von Bund und Ländern, dass dieses Experiment kein Strohfeuer bleibt, sondern der markante Startpunkt einer Offensive für dauerhafte Verbesserungen bei Mobilitäts- und Tarifangeboten im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs wird.
PS: Manchmal wird bemängelt, dass der Geltungszeitraum für die Neun-Euro-Tickets in die Haupturlaubszeit hinein fällt. Das passt doch! Denn ein starkes Drittel der mit dem Auto gefahrenen Kilometer entfallen auf den Freizeitverkehr. Die Bahnen und Aufgabenträger sollten sich auf eine vermutlich steigende Nachfrage einstellen und versuchen, auf den touristisch besonders beliebten Relationen die Kapazitäten zu erhöhen.
Matthias Gastel MdB, Mitglied des Verkehrsausschusses
Ergänzend dazu (Nachtrag): Es wird eine Evaluation geben, die vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) durchgeführt wird. Bedeutender als die Nutzendenzahlen sind mögliche Umsteigeeffekte. Unser Ziel ist ja nicht, um jeden Preis Busse und Bahnen zu füllen, sondern erfolgreich Anreize zum Umstieg weg vom Auto zu setzen. Entscheidend ist, wie geschrieben, dass nach den drei Monaten nicht alles vorbei ist. Wir kämpfen in der Koalition um mehr Mittel (Regionalisierungsmittel), um es den Ländern einfacher zu machen bzw. zu ermöglichen, Tarifangebote einfacher und attraktiver gestalten zu können, vor allem aber die Bus- und Bahnangebote ausbauen zu können.