Auch Südbahn und NBS Wendlingen-Ulm im Fokus
Wie entwickelt sich der Bahnknoten Ulm mit Stuttgart 21 und den Plänen für den Deutschlandtakt? Diesen Fragen gingen die Bundestags-Grünen in einer Anfrage nach.
Der Deutschlandtakt soll für besser abgestimmte Bahnanschlüsse und kürzere Reisezeiten sorgen. Dafür sind vielerorts Anpassungen an der Infrastruktur erforderlich. Welche Voraussetzungen schafft das Bahnprojekt Stuttgart – Ulm für den Ulmer Bahnknoten? 41 Fragen an die Bundesregierung sollten hierüber Aufschluss geben. Mit den Antworten können wir leider überwiegend nicht zufrieden sein. So behauptet das Bundesverkehrsministerium beispielsweise, es würden sich „in der Regel gute Richtungsanschlüsse“ ergeben. Ein Blick in den Zielfahrplan für den Deutschlandtakt weist aber in mehreren Relationen ungünstig lange Umsteigezeiten auf. Wer in Ulm beispielsweise zwischen Sigmaringen und München umsteigen möchte, muss 23 Minuten auf den Anschluss warten. Ungünstig stellt sich die Umsteigesituation auch für Reisende aus oder nach Weißenhorn dar. Sie müssen, wenn sie nach Stuttgart oder München wollen oder von dort kommen, in Ulm bis zu 18 Minuten warten. Auch zwischen Kempten und Stuttgart gestaltet sich der Umstieg nicht ideal. Das, was sich für Ulm abzeichnet, ist leider kein idealtypischer Taktknoten, sondern ein Deutschlandtakt mit qualitativen Abstrichen. Erstaunlich ist, dass dem zukünftigen Fahrplan für die Zeit ab dem Jahr 2030 der Einsatz von Dieselzügen unterstellt wird. Bisherige Dieselstrecken sind für eine Elektrifizierung vorgesehen, die Südbahn wird gerade mit Oberleitung versehen.
Wie sieht es mit der Kapazität im Ulmer Bahnhof aus? Auch das wollten wir Grünen insbesondere vor dem Hintergrund wissen, dass in früheren Jahren mal über einen zusätzlichen Bahnsteig nachgedacht worden war. Die Aussage des Bundes, dass es rund 30 Doppelbelegungen – bei der zwei Züge auf einem Gleis halten sollen – pro Tag geben soll, ist ein Hinweis, dass die Kapazitäten fast vollständig in Anspruch genommen werden. Dies ist, so unsere Einschätzung, vielleicht vorläufig noch hinnehmbar. Optional muss ein zusätzlicher, dann fünfter Bahnsteig, im Blick behalten werden, um auch Kapazitäten für zukünftige Verkehre wie beispielsweise für die S‑Bahn Donau-Iller zu schaffen.
Nicht mehr um eine Option, sondern um ein konkretes Vorhaben handelt es sich bei der Modernisierung des Empfangsgebäudes. Von einem Neubau der Bahnhofshalle, wie er einmal angedacht gewesen ist, ist die Deutsche Bahn aus Kostengründen abgerückt („wirtschaftlich nicht tragfähig“). Statt 167 Millionen Euro in ein neues Gebäude und einen Neubau der Personenunterführung zu investieren (Preisstand 2013), soll nun das Bestandsgebäude in mehreren Abschnitten für 15 Millionen Euro saniert werden. 2021 soll es losgehen, 2024 soll das Bauvorhaben abgeschlossen sein. Wir erwarten von der Deutschen Bahn, dass sie über ihr Vorhaben die Öffentlichkeit offensiver informiert.
Hatten die Grünen mit ihren Fragen überwiegend die Zukunft des Bahnknotens im Blick, so schauten sie in Sachen Pünktlichkeit der Züge einmal auch zurück. Die Antwort war erschreckend. Nur 72,6 Prozent der Fern- und 87,9 Prozent der Regionalzüge galten im vergangenen Jahr als pünktlich. Im Vergleich zu den bundesweiten Pünktlichkeitswerten lag Ulm um 3,3 (Fernverkehr) bzw. sogar 6,4 Prozentpunkte (Regionalverkehr) zurück.
Die Bundesregierung kündigte für die Zukunft eine „gute Qualität“ an. Die ist bei der Bemessung der Pünktlichkeit ein fest definierter Begriff, der jedoch keine ausreichend gute Pünktlichkeit verspricht. Hier bräuchte es eine sogenannte „optimale Qualität“.
Südbahn
Die Südbahn (Ulm – Friedrichshafen, weiter nach Lindau) wird derzeit elektrifiziert. Die Inbetriebnahme ist mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2021 vorgesehen. Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort an die Grünen im Bundestag mitteilte, sind die Kosten gestiegen. Eine Summe könne derzeit wegen noch ausstehender Vergaben noch nicht genannt werden. Auf unsere Kritik stößt, dass auch perspektivisch kein regelmäßiges Fernverkehrsangebot auf der Südbahn vorgesehen ist. Wir wollen, dass Großstädte und Oberzentren, wie Friedrichshafen gemeinsam mit Ravensburg eines darstellt, mindestens ein zweistündliches Fernverkehrsangebot bekommt. Die Südbahn wird genau für solche Angebote ausgebaut. Im Regionalverkehr bringt der Ausbau eine Zeitersparnis zwischen Ulm und Friedrichshafen von gerade einmal fünf Minuten, schrieb die Bundesregierung in ihrer Antwort.
Vorzeitige Inbetriebnahme NBS Wendlingen – Ulm
Die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm soll Ende des Jahres 2022 in Betrieb gehen. Ab diesem Zeitpunkt wird dann auch der neue Regionalbahnhof in Merklingen bedient. Doch solange „Stuttgart 21“ mit dem Tiefbahnhof und der Strecke zwischen Stuttgart und Wendlingen nicht in Betrieb ist, kann die Neubaustrecke zwischen Wendlingen und dem Albaufstieg auf einer Länge von mehr als acht Kilometer nur eingleisig genutzt werden. Dies schränkt die Leistungsfähigkeit der Strecke für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren erheblich ein. Die Grünen wollten daher wissen, wie viele Züge die neue Strecke unter diesen Bedingungen nutzen können und welche dies sein könnten. Die Bundesregierung antwortete, dass 3,5 Züge pro Stunde (in Summe beider Richtungen) die Neubaustrecke befahren könnten. Ein Fahrplan liege noch nicht vor. Man gehe jedoch von zwei ICE-Linien aus, die jeweils alle zwei Stunden fahren sollen. Dabei handelt es sich um die Linien zwischen München und Berlin sowie zwischen München und Karlsruhe. Hinzu kommt ein stündlicher Regionalzug, der in Merklingen einen Halt einlegen soll.