Finanzierung nicht absehbar
Der Deutschland-Takt bedeutet einen überfälligen Paradigmenwechsel weg von der Beliebigkeit bei der Infrastrukturplanung hin zu einer gezielten Netzentwicklung.
Mit der Bahn fahren und dabei pünktlich und schnell am Ziel ankommen – das soll der sog. Deutschland-Takt ermöglichen. Wir Grünen fordern ihn seit Jahren. Nun hat die Bundesregierung ihre im Koalitionsvertrag verankerten Absichten weiter konkretisiert. Die Absichtsbekundung in Form einer Machbarkeitsstudie (letzte Legislaturperiode) und der Veröffentlichung eines Zielfahrplans für das Jahr 2030 (vor wenigen Wochen) kann als bedeutender Fortschritt bewertet werden. Offen bleibt allerdings, wie diese Vision eines funktionsfähigeren Bahnverkehrs in die Tat umgesetzt werden soll.
Was ist der Deutschland-Takt?
Der Deutschland-Takt ist ein sog. Integraler Taktfahrplan. Ein solcher Fahrplan, der sich zum ersten Mal auf ganz Deutschland erstrecken soll, sieht vor, dass die Züge in festen Zeitintervallen verkehren – also immer zu derselben Minute im Stunden- oder Zweistundentakt. Auf den Hauptachsen soll sich sogar ein Halbstundentakt ergeben. Übergeordnetes Ziel ist es, die Anschlüsse in den Knotenbahnhöfen aufeinander abzustimmen und reibungslos ablaufende Umstiege zwischen Fernverkehrszügen sowie zwischen Fernverkehrs- und Regionalzügen zu gewährleisten. Dadurch sollen neue Reiseziele entstehen, die Züge pünktlicher und die Reisezeiten insgesamt kürzer werden (Beispiel: Die Reisezeit von Berlin nach Cuxhaven soll sich um ein Viertel verkürzen). Der Deutschland-Takt ist aber mehr als nur eine rein technische Maßnahme: Der Zielfahrplan 2030 des Deutschland-Takts sieht eine (Wieder-)Anbindung von Städten wie Heilbronn und Friedrichshafen (stündlich) sowie Tübingen und Schwäbisch Hall-Hessental (zweistündlich) an den Fernverkehr vor und hat das Potential, einen entscheidenden Beitrag dazu zu leisten, mehr Menschen eine nachhaltige Mobilität zu ermöglichen. Mit dem Deutschland-Takt kündigt sich ein entscheidender Paradigmenwechsel im Schienenverkehr an: Erst der Fahrplan, dann die Infrastrukturplanung! Mit Milliardenprojekten wie Stuttgart 21 und der Neubaustrecke München-Berlin wurde/wird genau umgekehrt vorgegangen: Erst wurde gebaut und dann geschaut, was sich mit der neuen Infrastruktur anfangen lässt. Nicht selten musste man dann feststellen, dass trotz milliardenschwerer Investitionen oftmals überlange Umsteigezeiten entstehen, die teuer erkaufte Fahrtzeitgewinne durch Hochgeschwindigkeit auffressen und die Bahnnutzung unattraktiv machen. Nun sollen Überholgleise und zusätzliche Bahnsteigkanten in den Knotenbahnhöfen entstehen sowie Strecken beschleunigt werden, um gezielt Anschlüsse mit kurzen Umsteigezeiten zu ermöglichen und zu sichern.
Versäumnisse der Bundesregierung kündigen sich an
Die von der Bundesregierung gesetzten Impulse sind zu begrüßen. Auf die Frage, wie der Zielfahrplan 2030 tatsächlich umgesetzt werden soll, liefert sie bisher keine überzeugenden Antworten. Angefangen bei der Finanzierung zeigen der Haushalt für 2019 und die mittelfristige Finanzplanung, dass die Bundesregierung auch weiterhin ihrer bisherigen Linie treu bleibt und am Finanzierungsprivileg des Straßenverkehrs festhält. Das Vorhaben Deutschland-Takt steht und fällt aber mit einer abgesicherten Finanzierung. Klar ist bereits jetzt, dass die Realisierung des Projekts nur in Etappen erfolgen kann. Jede dieser Etappen soll den Fahrgästen auf einzelnen Relationen bereits Vorteile bringen. Damit die Idee aber ihre volle Wirkung entfalten kann und die beabsichtigten Ziele im gesamten Netz auch tatsächlich erreicht werden, bedarf es der vollständigen Umsetzung aller baulichen Maßnahmen für den abgestimmten Zielfahrplan. Die Antwort auf unsere Anfrage an die Bundesregierung deckt zusätzliche Hindernisse auf dem Weg zur Umsetzung des Deutschland-Takts auf. Angenommen, das Optimum ist erreicht und alle für den Zielfahrplan 2030 erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen wurden realisiert, so stellt sich die Frage, ob die Eisenbahnverkehrsunternehmen das Trassenangebot des Zielfahrplans auch tatsächlich mit einem vollständigen Betriebsangebot bedienen werden. Die Bundesregierung stuft die Angebotsgestaltung als unternehmerische Aufgabe der Eisenbahnverkehrsunternehmen ein. Mit einer derartigen Positionierung versäumt es die Bundesregierung, Bedingungen zu schaffen, die ein dem Zielfahrplan entsprechendes lückenloses Zugangebot sicherstellen können – auch auf Strecken, die nicht eigenwirtschaftlich bedient werden können.
(Wann) kommt der Deutschland-Takt?
Die Frage nach dem Deutschland-Takt darf nicht sein „ob“, sondern in welchen Schritten und „wann“ er kommt! Mit ihrer Ankündigung hat die Bundesregierung bereits einen nahezu unumkehrbaren Schritt gemacht, der vor allem im Hinblick auf die dringend erforderliche Verkehrswende mehr als geboten ist. Die Verkehrswende braucht den Schienenverkehr und dieser wiederum bedarf eines deutschlandweit funktionierenden Netzes. Bereits jetzt ist allerdings absehbar, dass unter den derzeit bestehenden Bedingungen eine Realisierung bis zum Jahr 2030 mehr als fraglich ist. Wir Grünen im Bundestag werden mit einer Reihe von Anfragen die bisherigen Planungen abfragen und auf ein durchdachtes Gesamtkonzept drängen.