Wie mit relativ kleinen Problemen von den großen Problemen abgelenkt wird
So klein die elektrischen Tretroller auch sind, umso größer klingen die Worte ihrer Kritiker. Der Spiegel sprach jüngst davon, die Scooter seien ähnlich lästig wie Mücken im Sommer und jedes einzelne Fahrzeug stelle ein Problem für die Verkehrssicherheit dar. Nun kann man die tatsächlichen Probleme nicht ausblenden: Zu viele Nutzer*innen ignorieren rot geschaltete Ampeln oder nutzen den Gehweg, den Bundesverkehrsminister Scheuer gerne freigegeben hätte. Damit ist er zum Glück des Fußverkehrs jedoch gescheitert. Verstöße gegen Verkehrsregeln wurden nun aber wahrlich nicht erst mit den elektrischen Tretrollern erfunden. Offenbar haben wir uns längst an durch Autos zugeparkte Gehwege und Geschwindigkeitsüberschreitungen durch PS-Protze auf unseren Straßen gewöhnt. Letzteres stellt bei den Scootern kein großes Problem dar. Sie sind auf 20 Stundenkilometer gedrosselt.
Es ist Zeit die Debatte endlich vom Kopf auf den Fuß zu stellen. Die kleinen elektrischen Roller werden nicht nur von vernünftigen Menschen gefahren und auch auf Strecken genutzt, die sich ebenso zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen ließen. Dass dafür aber ausgerechnet die 20 Kilogramm schweren Roller, anstelle der, bei jeder zweiten Fahrt nur im Kurzstreckenbereich genutzten, zunehmend tonnenschweren Autos in der Kritik stehen, zeigt einmal mehr: Hier wird eine absurde Diskussion geführt! Dabei ist es doch zunächst einmal erfreulich, dass so viele Menschen offen für neue Mobilitätsangebote jenseits des leider auch bestehenden Trends zu größeren und schwereren Autos sind. Die E‑Tretroller bieten eine Chance, die viel zu hohe Zahl von Kurzstreckenfahrten mit dem Auto zu verringern. Um es in modernen Worten zu beschreiben: Sie bergen disruptives Potential.
Notwendigkeiten und Chancen der E‑Scooter für die Verkehrswende
Für eine positive Entwicklung sind mehrere Faktoren entscheidend:
Die Verkehrsregeln müssen durchgesetzt werden, um die Sicherheit und die Akzeptanz der Tretroller zu erhöhen. Eine bessere Information der Nutzer*innen, Verkehrskontrollen und – ohnehin und nicht auf die Tretroller beschränkt geplante – Bußgelderhöhungen werden hierfür hilfreich sein. Die Anbieter von Verleihangeboten sind gefordert, mehr auf stabile Bauweisen der Gefährte und damit deren Langlebigkeit zu achten. Ziel sollte sein, dass Verleihangebote auch an den Stadträndern Fuß fassen. Dort findet nämlich in aller Regel die Verkehrsmittelwahl statt. Viele Kommunen regeln mit den Verleihanbietern eine Maximalanzahl an Rollern für die Innenstädte. Weshalb wird nicht auch eine Mindestanzahl für die Randlagen definiert? Für diejenigen, die weder zu Fuß gehen noch mit dem Fahrrad fahren wollen, kann die Verfügbarkeit eines E‑Tretrollers eine weitere Alternative zum Auto darstellen.
Aus ökologischen Gründen spricht vieles für diese Alternative: So lässt es sich mit einer definierten Energiemenge auf dem E‑Roller rund vierzigmal weiter fahren als mit einem Auto. Auch die Vermeidung von Lärm, der erheblich geringere Flächenverbrauch und die für andere Verkehrsteilnehmer*innen geringe Wahrscheinlichkeit folgenschwerer Unfälle sprechen für das zweirädrige Gefährt.
Fazit: Die Verordnung zur Zulassung der E‑Tretroller ist gerade erst wenige Monate in Kraft. Wir sollten die bereits erkennbaren realen Probleme, wie die teilweise unzureichende Verkehrsdisziplin angehen und ansonsten die Entwicklung genau im Auge behalten. Nach einem oder zwei Jahren sollte Bilanz gezogen und diskutiert werden, wo möglicherweise im Interesse der Verkehrssicherheit und der Verkehrswende nachgebessert werden muss. Eines ist längst klar: Vielerorts müssen Verkehrsräume neu aufgeteilt werden. Die Ära autogerechter und damit gefährlicher und lauter Städte ist vorbei. Es ist Zeit, dem Fuß- und Radverkehr, den öffentlichen Verkehrsmitteln und eben auch dem elektrischen Tretroller mehr Platz anzubieten.