Rettungsvorhaben mit Fragezeichen
Die Deutsche Bahn (DB) war schon vor Corona in der Krise. Dies zeigen die hohe Verschuldung, der Investitionsrückstau und die Tatsache, dass der Bund bereits im vergangenen Jahr Hilfen über 11 Mrd. € zugesagt hatte.
Es rächt sich, dass die Bundesregierung den lange schon erkennbaren Handlungsbedarf ignoriert und nur mit Geld zugeschüttet hat. Weder wurden die Strukturen bei der DB geändert (bspw. Arrriva und Schenker rechtzeitig verkauft) noch wurden die Rahmenbedingungen fürs System Bahn im Wettbewerb gegenüber Auto, Lkw und Flugverkehr relevant verbessert. Die Notwendigkeit einer Bahnreform wurde und wird ausgeblendet. Minister Scheuer hat auf unseren Brief als Reaktion auf seine Aussage von Ende 2019 im Plenum, das Gespräch zu suchen, nicht geantwortet. Zum Hintergrund: https://www.matthias-gastel.de/im-ueberparteilichen-dialog-zu-einer-neuorganisation-der-bahn/
Die finanziellen Probleme der DB haben sich durch die Coronakrise erheblich verschärft. Das Angebot im Fernverkehr wurde zu 75 Prozent aufrechterhalten, aber die Züge waren nur zu etwa 15 Prozent gefüllt. Es gab gute Gründe, dies zu tun. Damit gab es ein verlässliches Verkehrsangebot, während die Flieger am Boden blieben und es war den Reisenden möglich, zueinander auf Abstand zu gehen und das Infektionsrisiko zu minimieren. Sparpreise hätten in einer Zeit, in der Reisewarnungen ausgesprochen wurden, aus meiner Sicht aber nicht verkauft werden müssen. Die DB summiert ihre „Corona-Lücke“ bis zum Jahr 2024 auf 11 bis 13,5 Milliarden Euro auf. 2,5 bis 2,9 Milliarden entfallen davon auf Arriva. Die Bundesregierung übernimmt diese Daten der DB aus unserer Sicht zu unkritisch. Hier muss genauer hingeschaut und dann erst im plausiblen Umfang geholfen werden. Die Hilfen können eine Neuaufstellung der Deutschen Bahn und des Bahnsektors insgesamt nicht ersetzen.
Der Bund gliedert die Hilfen in drei Säulen: Erstens soll die DB selber vier bis fünf Milliarden einsparen. Wie das gelingen soll bleibt auch nach Nachfragen im Verkehrsausschuss unklar. In einem schriftlichen Bericht der Bundesregierung heißt es, der Personalaufwand bei den Führungskräften solle durch Verzicht auf variable Vergütungen und durch weniger Neueinstellungen im Overhead-Bereich (Führungsebene) verringert werden. Außerdem solle beim Sachaufwand (bspw. Marketing und Reisen) gespart werden. Investitionen und die Rekrutierung von operativem Personal solle „weitgehend verschont bleiben“ und auch alle geplanten Investitionen sollen – ggf. etwas zeitlich gestreckt – vollumfänglich erfolgen. Damit bleibt die Frage offen, wo die Einsparungen konkret herrühren sollen. Wir wollen den Bekenntnissen von DB und Bundesregierung, wonach weder ein Stellenabbau noch eine Bremse bei der Einstellungsoffensive vorgesehen sei, gerne glauben. Dazu braucht es aber glaubwürdige Angaben, wie die Sparsumme erreicht werden soll. Die zweite Säule ermöglicht eine Erhöhung der Verschuldung. Dies halten wir für zur Aufrechterhaltung der Liquidität unvermeidlich, aber angesichts des sehr hohen Schuldenstands für keine längerfristige Lösung. Die dritte Säule stellt eine weitere Eigenkapitalerhöhung dar. Die Rede ist von sieben bis über acht Milliarden Euro, von denen 4,5 Milliarden schon kurzfristig fließen sollen. Um darüber entscheiden zu können braucht es aus unserer Sicht eine klare Schadensanalyse (siehe oben). Klar muss außerdem sein, dass es dadurch zu keiner Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen kommt, die durch die Coronakrise ebenfalls in Schwierigkeiten geraten sind. Übrigens äußert sich auch der Bundesrechnungshof kritisch zu den geplanten Hilfen und fordert, dass unternehmerische Fehl-entwicklungen der letzten Jahre nicht fortgesetzt werden und mahnt an, dass Investitionen nur noch ins Kerngeschäft Eisenbahn in Deutschland fließen sollten. Dem schließen wir Grünen uns an.