Die Deutsche Bahn durch die Coronakrise führen

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07.04.2020

Jetzt die richtigen Weichen stellen

Autoren­pa­pier von Sven-Chris­ti­an Kind­ler und Mat­thi­as Gastel

Die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter der Deut­schen Bahn AG leis­ten wie die der Pri­vat­bah­nen in der andau­ern­den Coro­na-Kri­se einen sehr wert­vol­len Bei­trag für die Grund­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung. Sie sind All­tags­hel­din­nen und All­tags­hel­den, und zwar schon seit Jah­ren! Gera­de in die­ser Kri­se ist es wich­tig, dass der Güter­ver­kehr wei­ter rollt. Auch der Fern- und Regio­nal­ver­kehr muss, wenn auch ein­ge­schränkt, wei­ter­lau­fen, um Mobi­li­tät zu ermög­li­chen. Davon hängt ab, ob die im Schicht­dienst arbei­ten­de Ärz­tin zuver­läs­sig in die Kli­nik, die Erzie­he­rin in die Kita zur Not­be­treu­ung und die Kas­sie­re­rin in den Super­markt gelan­gen kön­nen. Damit die Deut­sche Bahn in den nächs­ten Wochen und auch nach der Kri­se die­sen über­aus wert­vol­len Bei­trag wei­ter leis­ten kann, ist der Bund als Eigen­tü­mer in der Pflicht. Die Deut­sche Bahn darf nicht sich selbst über­las­sen wer­den.

Der Kon­zern­be­richt für das Jahr 2019 zeigt, dass die Deut­sche Bahn nicht über die finan­zi­el­le Kraft ver­fügt, um die Fol­gen der Coro­na-Kri­se zu stem­men. Damit ver­schär­fen sich die Inves­ti­ti­ons­pro­ble­me der Deut­schen Bahn. Schon 2019 klaff­te beim bun­des­ei­ge­nen Kon­zern ein min­des­tens drei Mil­li­ar­den Euro gro­ßes Finan­zie­rungs­loch, das nur durch höchst zwei­fel­haf­te Hybrid­an­lei­hen bilan­zi­ell geschlos­sen wer­den konn­te. Wei­ter­hin schiebt der Bund einen Inves­ti­ti­ons­stau von über 50 Mil­li­ar­den Euro für eine intak­te Schie­nen­in­fra­struk­tur vor sich her. Die über­schau­ba­ren Mit­tel aus dem unam­bi­tio­nier­ten Kli­ma­pa­ket der Bun­des­re­gie­rung rei­chen hin­ten und vor­ne nicht aus, um den mit­tel­fris­ti­gen Inves­ti­ti­ons­be­darf im Unter­neh­men zu decken. Mit der Pan­de­mie droht nun ein nach­hal­ti­ger finan­zi­el­ler Scha­den, der das Poten­zi­al hat, das bun­des­ei­ge­ne Unter­neh­men über Jah­re in eine Kri­se zu stür­zen. Bereits in ihren Gewinn­pro­gno­sen vor der Coro­na­kri­se erwar­te­te die Deut­sche Bahn ein düs­te­res Jahr 2020. Die Coro­na­pan­de­mie droht nun die Schwie­rig­kei­ten der letz­ten Jah­re alle­samt in den Schat­ten zu stel­len und die DB här­ter als alle Stür­me und Unwet­ter der letz­ten Jah­re zusam­men zu tref­fen.

Jetzt muss ent­schlos­sen gehan­delt wer­den, damit die Deut­sche Bahn gut durch die­se Kri­se fah­ren kann und danach als star­kes Unter­neh­men den Per­so­nen- und Güter­ver­kehr in hoher Qua­li­tät vor­an­trei­ben und gemein­sam mit ande­ren Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men zum Rück­grat der Ver­kehrs­wen­de wer­den kann. Auf Sicht fah­ren ist der poli­tisch fal­sche Ansatz. Die Bun­des­re­gie­rung darf nicht war­ten, bis die Deut­sche Bahn durch die Kri­se gänz­lich ins Strau­cheln gerät.

Unse­re Vor­schlä­ge für Wei­chen­stel­lun­gen:

  1. Die Ver­schul­dungs­ober­gren­ze des Haus­halts­aus­schus­ses Bun­des­ta­ges schränkt die Deut­sche Bahn in der der­zei­ti­gen Situa­ti­on fis­ka­lisch stark ein und führt zu intrans­pa­ren­ten und teu­ren Umge­hungs­tat­be­stän­den wie den mil­li­ar­den­schwe­ren Hybrid­an­lei­hen und absur­den Über­le­gun­gen für teil­pri­va­ti­sier­te Asset-Gesell­schaf­ten bei DB Car­go. Da die Ver­schul­dungs­ober­gren­ze erreicht ist, ist es der Deut­schen Bahn in der aktu­el­len Kri­se nur schwer mög­lich, sich mit aus­rei­chend Kapi­tal zu ver­sor­gen, um die Fol­gen für den Per­so­nen- und Güter­ver­kehr abzu­fe­dern. Sie erschwert außer­dem not­wen­di­ge Inves­ti­tio­nen in moder­ne Züge und für ein leis­tungs­fä­hi­ges Netz. Der Deut­sche Bun­des­tag hat zurecht und mit unse­rer aus­drück­li­chen Unter­stüt­zung die Schul­den­brem­se des Bun­des auf­grund die­ser his­to­ri­schen Kri­se auf­ge­ho­ben und es dem Staat somit ermög­licht, drin­gend benö­tig­te Kre­di­te auf­zu­neh­men, um Beschäf­tig­te und Unter­neh­men zu unter­stüt­zen. Der Haus­halts­aus­schuss des Deut­schen Bun­des­ta­ges soll­te daher auch die Ver­schul­dungs­ober­gren­ze der Deut­schen Bahn unter Vor­ga­be kla­rer Bedin­gun­gen und stren­ger Kon­troll­me­cha­nis­men eben­so auf­he­ben. Nur so besteht über­haupt eine Chan­ce, als Bun­des­un­ter­neh­men die Kri­se finan­zi­ell zu über­ste­hen und nach dem Abklin­gen der Pan­de­mie Mil­li­ar­den in zeit­ge­mä­ße Züge, in bar­rie­re­freie Bahn­hö­fe, in Lärm­schutz und inno­va­ti­ve Logis­tik­kon­zep­te auf der Schie­ne zu inves­tie­ren. Klar muss auch sein, dass „fri­sches Geld“ nicht in intrans­pa­ren­ten und inef­fi­zi­en­ten Struk­tu­ren der DB ver­si­ckern darf. Bun­des­re­gie­rung und Bun­des­tag müs­sen dem Staats­kon­zern auf die Fin­ger gucken und gucken kön­nen.
  2. Das deut­sche Bahn­we­sen am Gemein­wohl aus­rich­ten und die Deut­sche Bahn vom Gewinn­druck befrei­en: Das Ziel, hohe Ren­di­ten zu erwirt­schaf­ten, hat u.a. dazu geführt, dass Stre­cken und gan­ze Güter­bahn­hö­fe still­ge­legt, Anschluss­glei­se abge­kop­pelt und Nacht­zü­ge ein­ge­stellt wur­den. In der Coro­na-Kri­se wird der Zwang zur Gewinn­erzie­lung gänz­lich ad absur­dum geführt und droht zu wei­te­ren Ange­bots­ein­schrän­kun­gen für die Kun­din­nen und Kun­den zu füh­ren. Die Deut­sche Bahn muss die­ses und nächs­tes Jahr vom Eigen­tü­mer Bund von der Vor­ga­be zur Gewinn­erzie­lung und der Abfüh­rung einer Divi­den­de befreit wer­den.
  3. Der Bund muss den Bahn­sek­tor attrak­ti­ver und wett­be­werbs­fä­hi­ger auf­stel­len, damit er die Kri­se über­steht. In der der­zei­ti­gen Kri­se zeigt der Schie­nen­ver­kehr sei­ne Stär­ken und sei­ne Resi­li­enz gegen­über Schock­ereig­nis­sen. Den­noch steht der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr in einem ver­zerr­ten Wett­be­werb mit dem Güter­trans­port via Lkw. Die der­zeit noch rela­tiv hohe Aus­las­tung der Güter­bah­nen droht bei anhal­ten­den Pro­duk­ti­ons­stopps in der Indus­trie stark zurück­zu­ge­hen und die Wirt­schaft­lich­keit des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs mas­siv zu beein­träch­ti­gen. Daher darf der Bund den Schie­nen­ver­kehr nicht wei­ter bei der staat­li­chen Kos­ten­re­gu­la­ti­on gegen­über dem Ver­kehrs­trä­ger Stra­ße benach­tei­li­gen. Die mil­li­ar­den­schwe­ren Die­sel­sub­ven­tio­nen für Lkw sind eine Wett­be­werbs­ver­zer­rung, die nach der Kri­se kor­ri­giert gehö­ren.
  4. In der Coro­na­kri­se kön­nen zudem mit dem Schie­nen­gü­ter­ver­kehr im Ver­gleich zum Lkw sehr vie­le Güter mit gerin­gem Infek­ti­ons­ri­si­ko für die dar­an betei­lig­ten Men­schen trans­por­tiert wer­den. Sinn­voll sind daher sehr kurz­fris­ti­ge Anrei­ze für eine Ver­la­ge­rung des Güter­ver­kehrs von der Stra­ße auf die Schie­ne. Dafür schla­gen wir eine staat­li­che Ver­la­ge­rungs­prä­mie und ein Aus­set­zen der Tras­sen­prei­se und der Gebüh­ren fürs Ver­la­den auf die Güter­bah­nen für die Dau­er der Coro­na­kri­se vor.

Regie­rung und demo­kra­ti­sche Oppo­si­ti­on im Deut­schen Bun­des­tag müs­sen jetzt gemein­sam die Deut­sche Bahn und die gesam­te Bahn­bran­che durch die Kri­se füh­ren und zusam­men dafür sor­gen, dass sie nicht nur über­steht, son­dern gestärkt aus ihr her­vor­ge­hen kann.