26.02.2015, angelehnt an einen Redebeitrag im Verkehrsausschuss
Die Bundesländer brauchen endlich Finanzierungssicherheit für die Bestellung des Nah- und Regionalverkehrs – Regionalisierungsmittel müssen angepasst werden!
1. Worum es geht
Die Übertragung der Zuständigkeiten für den Schienenpersonennah- und regionalverkehr ist ein Ergebnis der Bahnreform von 1994. Verfassungsrechtlich garantiert sind die Regionalisierungsmittel in Artikel 106a des Grundgesetzes.
Zum 1. Januar 1996 ging die Zuständigkeit vom Bund auf die Länder über. Der Bund stellt den Ländern für diese Aufgabe derzeit 7,3 Mrd. Euro an Regionalisierungsmitteln zur Verfügung. Damit sind die Mittel nach dem Regionalisierungsgesetz die wichtigste Säule in der deutschen Nahverkehrsfinanzierung. Die Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs werden so in die Lage versetzt, über entsprechende Ausschreibungen Nahverkehrsleistungen bei verschiedenen Eisenbahnverkehrsunternehmen zu bestellen. Seit der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs hat sich dieser Bereich dynamisch entwickelt: Allein zwischen 2002 und 2012 wuchs die Verkehrsleistung hier um 34 Prozent. Damit hat das Wachstum im Schienenpersonennahverkehr maßgeblich dazu beigetragen, dass die Schiene im Wettbewerb der Verkehrsträger etwas Boden gut gemacht hat. Auch künftig wird geschätzt, dass das Wachstum der Verkehrsleistung im SPNV bei jährlich 2 bis 3 Prozent liegen wird. Die Regionalisierung ist sogar der einzige unstrittige Erfolg der Bahnreform. Das Wachstum im Bereich des Nah- und Regionalverkehrs wurde allerdings nicht durch eine Steigerung der Regionalisierungsmittel, die der Bund an die Länder überweist, finanziert und ermöglicht. Dies ist vielmehr auf Effizienzgewinne durch wettbewerbliche Vergaben der Leistungen im SPNV sowie durch (steigende) Finanzierungsanteile der Bundesländer zurück zu führen. Dadurch ergaben sich in der Vergangenheit Spielräume für Ausweitungen des Fahrplanangebots. Im Verhältnis zu den Betriebsleistungen und den Fahrgastzahlen im Nahverkehr auf der Schiene, ist die Höhe der Regionalisierungsmittel seit 1996 mit nur 13 Prozent unterdurchschnittlich gewachsen. Seit der letzten Revision der Regionalisierungsmittel im Jahr 2007 ist eine jährliche Dynamisierung von 1,5 Prozent vereinbart. Die tatsächlichen Kosten sind aber seit Jahren weitaus stärker angewachsen. Kostentreiber sind vor allem die überdurchschnittlich gestiegenen Kosten für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur (Trassen- und Stationsentgelte) sowie die Energiekosten. Damit ist die Problemstellung klar: Um den bisherigen Umfang der Verkehrsleistungen aufrechterhalten und bedarfsgerecht ausweiten zu können, bedarf es einer deutlicheren Erhöhung der Regionalisierungsmittel. Ohne eine solche Erhöhung wird es zu Abbestellungen kommen, da die Bundesländer die Finanzierung nicht stemmen können.
2. Der Vorschlag der Groko springt zu kurz
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht für 2015 lediglich eine Erhöhung um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr vor. Angesichts stärker steigender Kosten ist dies faktisch eine Kürzung der Mittel! Für die Zeit ab 2016 gibt es noch keinen Regierungsvorschlag. Damit gibt es keinerlei Planungssicherheit für die Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs. Dies ist fatal. Denn bis April müssen bei DB Netz verbindlich die Trassenbestellungen für das Fahrplanjahr 2016 ausgelöst werden. Und mehrere Bundesländer müssen in den kommenden Wochen ihre Nahverkehrsleistungen – für die Dauer von zumeist 10 bis 15 Jahren – ausschreiben. Beides wird erheblich erschwert, wenn die Länder nicht wissen, in welcher Höhe ihnen dafür Mittel zur Verfügung stehen.
Dabei hatte das Bundesverkehrsministerium gutachterlich klären lassen, was eine angemessene Höhe der Regionalisierungsmittel darstellen würde. Ergebnis: 7,658 Milliarden Euro wären erforderlich. Tatsächlich möchte die GroKo den Ländern einen Betrag von 7,408 Mrd. Euro zubilligen. Weshalb beauftragt die Bundesregierung einen Gutachter, wenn sie sich danach für dessen Ergebnis nicht interessiert? Bleibt es bei der jetzt vorgeschlagenen Höhe, werden einige Aufgabenträger gezwungen sein, zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 Züge abzubestellen. Das konzeptlose Geschachere der Bundesregierung wird auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen. Die Erfolgsgeschichte der Regionalisierung droht von dieser Bundesregierung gegen die Wand gefahren zu werden.
3. Der Gesetzentwurf des Bundesrates
Die Länder fordern in ihrem Antrag eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel zum 1. Januar 2015 auf 8,5 Mrd. Euro sowie eine Anhebung der jährlichen Dynamisierung auf 2,0 Prozent. Diese Forderung leiten die Länder aus einem von ihnen beauftragten Gutachten ab. Dabei wurden auch Angebotsausweitungen berücksichtigt, insbesondere auf neu geschaffener und vom Bund mitfinanzierter Infrastruktur. Absurd, aber leider nicht unrealistisch, ist folgendes Szenario: Mit Hilfe des Bundes wurde ein Ausbau beispielsweise von S‑Bahn-Strecken finanziert. Mangels auskömmlicher Regionalisierungsmittel können aber nicht die vorgesehenen Züge fahren.
4. Fazit
Man kann den Bundesländern vorwerfen, dass sie es sich zu einfach machen, wie sie mehr Geld vom Bund fordern. So haben die Länder die in ihre Forderung eingerechneten Mehrleistungen nicht immer quantifiziert (was genau soll damit finanziert werden?). Und auch über den Verteilungsschlüssel zwischen den Bundesländern kann man sich streiten. Es besteht also ein Reformbedarf, der über die Regelung der Höhe der vom Bund zu zahlenden Regionalisierungsmittel hinausgeht.
Was aber überhaupt nicht verantwortbar ist, ist das Verhalten der Bundesregierung. Sie müsste mindestens ein Angebot in der Höhe ihrer eigenen Gutachterempfehlung machen und eine wirkliche Reform des Regionalisierungsmittelgesetzes moderieren.