Besuch bei MTU in Friedrichshafen
Der Ursprung der MTU (Motoren- und Turbinen-Union) liegt 109 Jahre zurück und das Unternehmen siedelte bereits nach wenigen Jahren nach Friedrichshafen um. 1960 wurde es von Daimler erworben. Seit dem Jahr 2014 gehören alle Anteile zum Rolls-Royce-Konzern. Die MTU ist heute das Kernunternehmen von Rolls-Royce Power-Systems mit einem Jahresumsatz von über drei Milliarden Euro, zu dem über 30 Tochtergesellschaften mit weltweit über 10.000 Beschäftigten gehören.
Unter der Marke MTU werden schnelllaufende Großmotoren (Motoren mit hoher Drehzahl) und Antriebslösungen entwickelt und produziert. Die Motoren finden sich wieder in Zügen, bei der zivilen und militärischen sowie der privaten Schifffahrt, in Militärfahrzeugen, Bau- und Industriefahrzeugen sowie in land- und forstwirtschaftlichen Maschinen.
Bahnantriebe
MTU entwickelt und baut seit 95 Jahren Dieselmotoren für Triebwagen und Lokomotiven und hat seither 20.000 Bahnantriebe ausgeliefert. Kunden sind beispielsweise Hitachi, Bombardier (baut keine eigenen Dieselmotoren), Siemens und Vossloh.
„Der Dieselmotor ist unser Kernprodukt“, so die MTU-Vertreter im Gespräch. Die Einschränkung folgte prompt: „Alleine damit können wir auf Dauer aber nicht überleben.“ Die Alternative seien Gasantriebe, betrieben mit Erdgas oder synthetisch erzeugtem Gas. Für die Hybridtechnik spreche hingegen, dass sie keine Investitionen in die Infrastruktur erfordere.
Hybridzüge
Wir haben uns vor allem über die Hybridzüge von MTU ausgetauscht. Bei diesen gibt es im Antriebsstrang neben dem Verbrennungsmotor einen Generator/Elektromotor sowie Akkus. Dabei wird der Dieselmotor je nach Situation und Streckenabschnitt genutzt, um den Zug direkt anzutreiben oder aber Strom für den Antrieb oder die Akkus zu erzeugen. Ein elektrisches Laden von außen (wie bei Plug-in-Fahrzeugen möglich) gibt es nicht. Die Hybridtechnik macht, wie auch bei Kraftfahrzeugen (Busse und Autos), dann Sinn, wenn in kurzen Abständen gebremst und beschleunigt werden muss. Dann wird ein Teil der Bremsenergie in elektrische Energie umgewandelt und in Lithium-Ionen-Akkus, die sich auf dem Dach befinden, zwischengespeichert (Rekuperation). Die Eignung der Hybridtechnik wurde von MTU auf einem 38 Kilometer langen Abschnitt der Westfrankenbahn getestet. Gefahren wurde (streckenbedingt) mit Maximalgeschwindigkeiten von 120 Stundenkilometer. Die Einsparung an Dieselkraftstoff laggegenüber konventionellen Dieselfahrzeugen bei 22 bis 24 Prozent. Durch die SCR-Abgasnachbehandlung mit Harnstofftank werden die Stickoxidemissionen deutlich reduziert.
Im Stillstand, beispielsweise bei Stopps in den Bahnhöfen, sind die Hybridzüge um sehr deutlich wahrnehmbare 20 dB(A) leiser als reine Dieselzüge. Dieser Wert wurde von MTU am Bahnhof Friedrichshafen gemessen. Beim Anfahren wurde eine Lärmreduzierung um 5 dB(A) ermittelt.
Einsatzmöglichkeiten an der Bodenseegürtelbahn
Der Hersteller Bombardier hat kürzlich gemeinsam mit Vertretern der Schweizer Bundesbahnen (SBB) in Überlingen am Bodensee neue Hybrid-Loks der Baureihe „Talent 3“ vorgestellt. Die Herausforderung liegt darin, den knapp über 50 Kilometer langen nicht elektrifizierten Streckenabschnitt zwischen Friedrichshafen und Radolfzell zu überwinden. Die Akkus der präsentierten Züge sollen (nach Angaben von Bombardier, siehe Pressemeldungen) für den Teilabschnitt zwischen Uhldingen und Radolfzell, es geht um 34 Kilometer, ausreichen. Damit könnte der landschaftssensible Uferbereich des Bodensees von Oberleitungsmasten frei gehalten werden und der teure Einbau von Oberleitungen in Tunneln könnte vermieden werden. Allerdings: Es müssten die schweren Akkus auf den elektrifizierten Abschnitten mitgezogen werden. Kann das eine Lösung darstellen? Und kann es selbst für den Fernverkehr sinnvoll sein, den schweren Akku mitzuschleifen, der nur für den verhältnismäßig kurzen, nicht elektrifizierten Streckenabschnitt benötigt wird? MTU sieht darin kein Problem, sondern die Lösung: Der Akku wiegt (zusammen mit den beiden Motoren) 600 Kilogramm und erhöht das Gewicht des Triebzugwagens von 40 Tonnen nicht wesentlich.
MTU verweist auch darauf, dass sich Hybridmotoren in Bestandsfahrzeugen nachrüsten lassen. Beispiel VT 612, den vergleichsweise schnellen Zug mit Neigetechnik, der auf der Strecke Ulm – Friedrichshafen – Singen – Basel bis zu 160 Stundenkilometer schnell fahren kann: MTU wirbt unter anderem mit der stärkeren Beschleunigung, 60 Prozent weniger Stickoxiden und 90 Prozent weniger Partikelemissionen für die Umrüstung mit der Hybridtechnik und damit verbunden einer Abgasnachbehandlung. Dies sei gewichtsneutral machbar, der Zug könne rund sechs Kilometer rein elektrisch fahren. Er könne dann in den sensiblen Bereichen (innerorts) emissionsfrei batterieelektrisch und auf den freien Strecken mit Dieselantrieb (bei gleichzeitigem Laden des Akkus) fahren. Die Ausstattung mit Pantograph (Stromabnehmer für die Fahrt unter einer Oberleitung) sei auch denkbar, würde aber wegen des dafür erforderlichen Trafos zu Mehrgewicht führen und sei nur mit größerem Umbau möglich.
In der Gesamtkostenbetrachtung, so MTU, sei der Hybridzug gegenüber dem Dieselzug um 10 bis 25 Prozent günstiger.
Die Frage, ob die Strecke durchgehend mittels Oberleitung elektrifiziert werden soll oder ob Züge mit Hybrid- oder alternativen Antrieben zum Einsatz kommen sollen sollte aus meiner Sicht zügig diskutiert und zeitnah entschieden werden.
Rüstungsgüter bei MTU
Auch die heikle Frage der Produkte für militärische Zwecke habe ich angesprochen. Diese machen einen Anteil von inzwischen weniger als neun Prozent des Gesamtumsatzes aus. Lt. der Unternehmensvertreter wird ausschließlich in EU- und NATO- sowie damit assoziierte Länder geliefert.