Drei Tage zu Fuß durch den Landkreis

Mei­ne Tra­di­tio­nen pfle­ge ich. Dazu gehört zuvor­derst mei­ne Drei-Tages-Wan­de­rung durch die Regi­on, meist durch mei­nen Wahl­kreis. In die­sem Jahr ging es bei gro­ßer Hit­ze von über 30 Grad rund um Nür­tin­gen. Das Prin­zip: Alles wird gelau­fen, es gibt ver­ein­bar­te Sta­tio­nen und wer will kann mit­lau­fen und/oder an den ein­zel­nen Sta­tio­nen dazu­sto­ßen. Im Mit­tel­punkt steht der Dia­log mit denen, die etwas bewe­gen.

Die ers­te Sta­ti­on mei­ner dies­jäh­ri­gen Drei-Tages-Wan­de­rung führ­te mich auf rela­tiv kur­zem Wege zur Frei­wil­li­gen Feu­er­wehr Fil­der­stadt, Abtei­lung Bon­lan­den. Für die Feu­er­wehr mit ihren fünf Abtei­lun­gen war das Früh­jahr wie Weih­nach­ten: Es gab drei neue bau­glei­che Lösch­grup­pen­fahr­zeu­ge – eines davon in Bon­lan­den. Abge­löst wur­den damit rund 30 Jah­re alte Fahr­zeu­ge. Die neu­en fas­sen 2.500 Liter Lösch­was­ser. Ich sprach mit dem Stadt­kom­man­dan­ten und den Abtei­lungs­kom­man­dan­ten von Bon­lan­den und Plat­ten­hardt. Die drän­gends­te Her­aus­for­de­rung sind die Platz­pro­ble­me in Plat­ten­hardt und Hart­hau­sen, wobei sich der Grund­er­werb für neue Stand­or­te als beson­ders schwie­rig erweist. Posi­tiv hin­ge­gen ist, dass es kei­ne Nach­wuchs­sor­gen gibt. Allein für die Abtei­lung Bon­lan­den enga­gie­ren sich 57 Feu­er­wehr­män­ner und eine Feu­er­wehr­frau. Die Zusam­men­ar­beit zwi­schen den fünf Abtei­lun­gen wur­de als gut beschrie­ben.

In Wolf­schlu­gen leg­te ich gleich zwei Sta­tio­nen ein: Rund ums klei­ne Jugend­haus schau­te ich mir die bei­den neu­en Fahr­rad-Par­cours auf wel­len­för­mig gestal­te­ten Erd­hü­geln an. Auf dem Pump­track wird Geschwin­dig­keit durch Auf- und Abbe­we­gun­gen im Ste­hen auf­ge­baut. Die zwei­te, klei­ne­re Bahn ist für jün­ge­re Kin­der gedacht. Ich sprach mit einer Ver­tre­te­rin der Gemein­de­ver­wal­tung, dem ört­li­chen Jugend­re­fe­ren­ten und dem Lei­ter des Bau­ho­fes, der einen der Par­cours auf­ge­baut hat. Das Jugend­haus, das ich im ver­gan­ge­nen Jahr besucht hat­te, ist lei­der nach kur­zer Zeit der Wie­der­eröff­nung wegen Per­so­nal­man­gels geschlos­sen. Wir spra­chen über die Ange­bo­te für Kin­der und Jugend­li­che am Ort.

Mei­ne zwei­te Sta­ti­on in Wolf­schlu­gen führ­te mich von Ange­bo­ten für jun­ge Leu­te zu denen für Senio­ren. Genau­er: „Maus­klick Inter­net­ca­fé für Senio­ren“. Den Ver­ein gibt es seit dem Jahr 2010. Senio­ren hel­fen dort Senio­ren beim Umgang mit Lap­tops, Maus, Tas­ta­tu­ren und den Win­dows-Pro­gram­men, vor allem aber mit Smart­phones. Es wird deren Anwen­dung gemein­sam geübt und Erfah­run­gen wer­den aus­ge­tauscht. Die Grup­pe trifft sich alle zwei Wochen. Ein kon­kre­ter Anwen­dungs­fall sind die Fahr­pla­napps der Deut­schen Bahn und des Ver­kehrs- und Tarif­ver­bunds Stutt­gart (VVS). Dar­über kamen wir auch auf die Bahn- und Bus­an­ge­bo­te in der Regi­on zu spre­chen.

Wir wan­der­ten vor­bei am Was­ser­fall unter­halb von Wolf­schlu­gen ins Aich­tal. In Gröt­zin­gen ver­brach­te ich mei­ne ers­te Nacht wäh­rend der Wan­de­rung. Der zwei­te Tag star­te­te mit einer län­ge­ren Stre­cke unter sen­gen­der Son­ne.

Die Klär­an­la­ge in Neckar­tenz­lin­gen weist trotz jähr­li­cher Inves­ti­tio­nen im Wesent­li­chen ein Alter von 40 Jah­ren auf. Drei Mit­ar­bei­ter arbei­ten dort, von denen jeden Tag min­des­tens einer sich davon über­zeu­gen, dass alles funk­tio­niert. Wir schau­ten uns den Weg an, den das Abwas­ser nimmt. Wir sahen, wie fes­te Bestand­tei­le und Fet­te her­aus­ge­löst wer­den eben­so wie die Becken, in denen die Bak­te­ri­en die wich­tigs­ten Hel­fer­lein dar­stel­len. Die im Faul­turm ent­ste­hen­den und auf­ge­fan­ge­nen Gase wer­den im Block­heiz­kraft­werk ver­brannt. Damit wird ein Teil des benö­tig­ten Stroms und der Wär­me erzeugt. Der Klär­schlamm wird für die Ver­bren­nung bereit­ge­stellt. Der Durch­lauf des Was­sers bean­sprucht ein bis zwei Tage. Die vier­te Rei­ni­gungs­stu­fe, mit der Kei­me abge­tö­tet und Mikro­plas­tik sowie Arz­nei­mit­tel­rück­stän­de unschäd­lich gemacht wer­den, ist noch nicht vor­han­den, aber vor­ge­plant.

Das Was­ser-The­ma beglei­te­te uns auch bei der zwei­ten Sta­ti­on des Tages. Wir lie­ßen uns von einer Land­schafts­pla­ne­rin eine öko­lo­gi­sche Aus­gleich­maß­nah­me an einem Bach (Aut­mut) zei­gen. Auf 500 Meter Län­ge wur­den natür­li­che Ufer mit stand­ort­ge­rech­ten Bepflan­zun­gen, so Wei­den und Schwarz­pap­peln, geschaf­fen. Der Biber hat den Bach bereits nach sei­nen Vor­stel­lun­gen umge­stal­tet und auf­ge­staut. Im Rück­blick auf die im Jahr 2018 fer­tig­ge­stell­te Maß­nah­me dürf­te der Grund­er­werb die größ­te Her­aus­for­de­rung gewe­sen sein. Ein Grund­stück muss­te lei­der aus­ge­spart wer­den.

In Nür­tin­gen dreh­te sich alles um „Urban Gar­dening“. Wie der Name ver­mu­ten lässt, geht es dabei um die Begrü­nung des städ­ti­schen Raums – vor­ran­gig mit Nutz­pflan­zen. Nach der Idee der „Ess­ba­ren Stadt“ wur­den Bee­te auf dem Wörth-Are­al ange­legt. Eini­ge davon wur­den mit der Ein­la­dung „Pflü­cken erwünscht!“ ver­se­hen. Zu sehen waren Boh­nen, rote Bee­te, Gur­ken, ver­schie­de­ne Sala­te und Kräu­ter, Bee­ren und eini­ge (teils ess­ba­re) Blu­men. Ent­stan­den ist eine klei­ne Oase, die in die­sen Tagen wohl­tu­en­den Schat­ten spen­de­te. In Gesprä­chen, die ich mit eini­gen der Akti­ven füh­ren konn­te, ging es unter ande­rem um den Wunsch, sel­ten gewor­de­ne Arten – so unter den Boh­nen – durch den Anbau zu sichern. Zudem sol­len die Men­schen ani­miert wer­den, auch andern­orts aktiv zu wer­den.

Die zwei­te – unan­ge­nehm war­me – Nacht ver­brach­te ich in Nür­tin­gen.

Der drit­te Tag star­te­te mit einem Besuch im Nür­tin­ger Unver­packt­la­den „Glas & Beu­tel“, der seit fünf Jah­ren besteht und Höhen wie auch Tie­fen durch­stan­den hat. Erfolg­reich gestar­tet, durch­lief er eine schwie­ri­ge Coro­na-Zeit und hat sich zuletzt wie­der auf­ge­rap­pelt. Der Laden ist als Genos­sen­schaft mit über 400 Mit­glie­dern orga­ni­siert und auf das Ehren­amt ange­wie­sen, das die sechs Teil­zeit- und Mini­job-Beschäf­tig­ten unter­stützt. Vie­le Pro­duk­te wie die Alb­lin­sen stam­men aus regio­na­lem Anbau. Ein Groß­teil des Ange­bots ist „bio“. Die Kund­schaft bringt Beu­tel und ande­re Behäl­ter mit, in die bei­spiels­wei­se Nudeln, Mehl und Müs­li oder auch Süß­wa­ren abge­packt wer­den. Im Sor­ti­ment fin­den sich über­wie­gend Lebens­mit­tel, aber auch Haus­halts­rei­ni­ger, Wasch­mit­tel und Kör­per­pfle­ge­pro­duk­te.

Auch die letz­te Sta­ti­on hat­te mit dem Ein­kau­fen zu tun. Das Kon­zept von „Tan­te M“ ist jedoch ein ande­res: In Nür­tin­gen-Reu­dern gab es frü­her kei­nen Lebens­mit­tel-Ein­zel­han­del. Tan­te M ist ein klei­ner, digi­ta­ler und per­so­nal­lo­ser Dorf­la­den, der seit 1,5 Jah­ren besteht. Die Kund­schaft kann aus 1.200 Arti­keln aus­wäh­len, scannt die­se an der Kas­se sel­ber ein und bezahlt in bar oder mit der Kar­te. Das Sor­ti­ment umfasst auch fri­sche und regio­na­le Pro­duk­te wie Obst, Gemü­se und Eier. Es wird mit der Bäcke­rei und der Metz­ge­rei im Ort koope­riert. Geöff­net hat der Laden (ein „begeh­ba­rer Auto­mat“) an sie­ben Tagen in der Woche je 18 Stun­den. Läden die­ser Art gibt es rund 60 in Süd­deutsch­land.

Fazit nach knapp 40 Kilo­me­ter: Die alte Weis­heit „Nur, wo Du zu Fuß warst, bist Du auch wirk­lich gewe­sen“[1] hat sich ein­mal mehr bewahr­hei­tet. Mei­ne ver­mut­lich 17. Drei-Tages-Wan­de­rung ermög­lich­te mir wie­der vie­le Ein­drü­cke von Land­schaf­ten und enga­gier­ten Men­schen.

[1] Johann Wolf­gang von Goe­the