In Sachen Barrierefreiheit erhalten die S‑Bahnhöfe in der Region Stuttgart im Durchschnitt 85 von 100 möglichen Punkten. Die Stationen entlang der S‑Bahn-Linien S 6 und S 60 schneiden dabei etwas besser ab, während die entlang der S 5 etwas mehr Defizite aufweisen. Für den technischen Zustand der Stationen (u. a. Funktionstüchtigkeit der Aufzüge und Rolltreppen) gibt es den Schulnoten-Durchschnitt 3,0 (3,8 für die Stationen entlang der Linie S 5). Für die Sauberkeit gibt es die Durchschnittsnote 2,2. Diese Werte beziehen sich auf das Jahr 2014.
(Presseerklärung)
DB AG hat wenig Interesse am Zustand der Stuttgarter S‑Bahn Stationen
Die Bahnhöfe sind für die Fahrgäste die Zugangspunkte zur S‑Bahn. Viele Stationen stellen darüber hinaus wichtige Verknüpfungspunkte mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln dar. Nur durch vollständige Barrierefreiheit sowie einen guten technischen Zustand können die Stationen diesen Funktionen jedoch umfänglich gerecht werden. Hiervon sind zahlreiche Stationen im Netz der Stuttgarter S‑Bahn aber weit entfernt. So weisen einige Stationen nicht die nötige Barrierefreiheit auf und verwehren so mobilitätseingeschränkten Reisenden die Nutzung. Andere S‑Bahn- Haltestellen sind aufgrund baulicher Mängel oder erheblicher Verschmutzungen wenig einladend. Aus diesen Gründen hat sich der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gewandt.
Um den Zustand der Stationen einschätzen zu können, wurden in dieser Kleinen Anfrage die sogenannten Qualitätskennzahlen der einzelnen Bahnhöfe und Haltestellen erfragt. Diese wurden im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen der Deutschen Bahn AG und dem Bund vereinbart, um die Qualität der Infrastruktur sicherzustellen. Der Zustand der Verkehrsstationen wird hierbei durch folgende zwei Qualitätskennzahlen berücksichtigt:
- Die Qualitätskennzahl „Funktionalität Bahnsteige“ soll die Funktionalität der Stationen für die Fahrgäste beurteilen. Hierbei wird unter Berücksichtigung der Kriterien stufenfreie Erreichbarkeit der Bahnsteige vom öffentlichen Verkehrsraum, der Bahnsteighöhe sowie der Ausstattung mit Wetterschutz eine Punktezahl für jeden einzelnen aktiven Bahnsteig berechnet. Die Punktezahlen der einzelnen Bahnsteige werden anschließend zu einer Gesamtpunktzahl je Station aufsummiert. Zur Auswertung wurde hier das Verhältnis der bei der Bewertung erreichten Punktzahl zur maximal möglichen Punktzahl je Station berechnet.
- Die Qualitätskennzahl „Bewertung Anlagen-Qualität“ soll hingegen den technischen Zustand sowie die Sauberkeit der Stationen beurteilen. Zur Berechnung werden die einzelnen Verkehrsstationen mit je einer optischen Note und einer technischen Note des Schulnotensystems bewertet. Für die optische Note wird zum Beispiel die Verschmutzung der Räumlichkeiten mit Grobmüll oder Graffiti berücksichtigt. Für die technische Note erfolgt eine Bewertung des Zustandes der einzelnen technischen Einrichtungen wie zum Beispiel des Empfangsgebäudes, der Aufzüge oder der Rolltreppen. Zur Ermittlung der Gesamtnote der Station wird schließlich die technische Note deutlich höher gewichtet als die optische Note.
Die Barrierefreiheit und der Wetterschutz scheinen dabei besonders ein Problem einzelner Linien zu sein. So finden sich die Schlusslichter bei der Qualitätskennzahl „Funktionalität Bahnsteige“ im Netz der S‑Bahn Stuttgart gerade auf der Linie S 5 zwischen Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen. Während die Endstation mit lediglich einem Drittel der möglichen Punkte den schlechtesten Wert aller S‑Bahn Stationen erzielt, weisen auch Asperg mit 60% und Tamm mit 45% der erzielbaren Punkte erhebliche Mängel in dieser Kategorie auf. Auch auf der Linie S 1 ist die Funktionalität der Stationen zwischen Mettingen und Plochingen mangelhaft – hier wird mit Ausnahme der Station Altbach nirgends mehr als zwei Drittel der möglichen Punkte erreicht. Auch in Geradstetten, Weiler und Schorndorf bleibt die Funktionalität deutlich zurück. Gegenüber dem ersten Bewertungsjahr 2008 gab es mit der einzigen Ausnahme Esslingen an keiner dieser Problemstationen eine nennenswerte Verbesserung.
Auch beim technischen Zustand der S‑Bahn-Stationen offenbaren sich deutlich mangelbehaftete Stationen. So erreicht die Station Feuerbach gerade einmal die Note 4,6 im Schulnotensystem. Der wichtige Umsteigeknoten von der S‑Bahn zur U‑Bahn, welcher bereits mehrfach in der Presse wegen defekter Aufzüge und Rolltreppen kritisiert wurde, erhält damit die schlechteste Wertung im S‑Bahn-Netz. Auch 14 weitere Stationen im Netz kommen nicht über die Note „ausreichend“ hinaus. Darunter auch einige bereits bei der Funktionalitätskennzahl auffällige Stationen wie Asperg, Mettingen, Zell und Weiler.
Auch beim optischen Zustand der Stationen lässt sich eine Konzentration von Problemstationen auf der Linie S 1 zwischen Obertürkheim und Wernau erkennen. Mit Ausnahme der Bahnhöfe Plochingen und Esslingen erreichen hier sämtliche Stationen eine Note schlechter als 2,5 und liegen damit deutlich unter dem netzweiten Durchschnitt. Besonders unattraktiv sind im Netz der S‑Bahn demnach die Stationen Österfeld und Echterdingen, welche schlechter als mit der Note befriedigend bewertet wurden.
Betrachtet man die Gesamtnote der Qualitätskennzahl „Bewertung Anlagen-Qualität“ so ist besonders der Vergleich der ersten Bewertung der Stationen im Jahr 2009 mit der letzten verfügbaren Bewertung im Jahr 2014 interessant. Zunächst sind einige äußerst erfreuliche Verbesserungen zu erkennen, wie zum Beispiel in Kirchberg (Murr), Erdmannhausen und Burgstall um jeweils über drei Notenpunkte. Bis auf wenige Ausnahmen sind diese deutlichen Verbesserungen jedoch an „jungen“ S‑Bahn-Halten wie zum Beispiel entlang der S 4 zu finden. Im Bestandsnetz hingegen stößt man auch auf deutliche Negativtrends. So hat sich zum Beispiel die stark frequentierte Station an der Universität im Bezugszeitraum um einen ganzen Notenpunkt verschlechtert, was angesichts der dort gehäuften Aufzugs- und Rolltreppenstörungen kaum verwunderlich erscheint. Auch an 19 weiteren Stationen im Netz der S‑Bahn lässt sich ein Abwärtstrend erkennen, darunter befinden sich zum Beispiel die Halte am Flughafen und in Feuerbach.
Diesen Zustand an den Stuttgart S‑Bahn Stationen hält der Abgeordnete Matthias Gastel für wenig zufriedenstellend: „Leider lassen auch die S‑Bahnstationen Zweifel an der Funktion der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und der Deutschen Bahn AG aufkommen. Dies offenbart sich besonders, wenn man die Entwicklung der Qualitätskennzahlen betrachtet. Während deutliche Verbesserungen meist auf wenige Stationen sowie oft gerade auf Netzerweiterungen begrenzt sind, lassen sich im Bestandsnetz der S‑Bahn teilweise sogar Verschlechterungen ausmachen. Als besonders negativ anzusehen ist die Konzentration der Mängel auf einzelne Bereiche – so zum Beispiel auf der Linie S 1 um Esslingen oder auf der S 5 zwischen Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen. Für die dortigen Bürgerinnen und Bürger leidet die Attraktivität der S‑Bahn erheblich unter dem Zustand der Stationen. Dabei zeigen einzelne Lichtblicke wie auf der S 4, was möglich ist!
Die Stationen müssen wieder zu attraktiven Visitenkarten des S‑Bahn-Systems werden. Dazu müssen sie sich in einem technisch und optisch einwandfreien Zustand befinden und allen Reisenden den selbstständigen, barrierefreien Zugang zum Zug ermöglichen. Nur mit qualitativen hochwertigen Stationen lassen sich zusätzliche Fahrgäste für die S‑Bahn gewinnen.“
Methodische Anmerkung: Bei den Noten für den Stuttgarter Hauptbahnhof ist zu berücksichtigen, dass bei der Bewertung nicht zwischen dem Fernbahnhof und der S‑Bahn-Station unterschieden wird, weshalb der Wert in Bezug auf die S‑Bahn-Station wenig aussagekräftig ist. Auch bei anderen Stationen erfolgt keine Differenzierung zwischen Bahnsteigen für die S‑Bahn sowie Bahnsteigen für den Regional- und Fernverkehr. Die Qualitätskennzahlen beziehen sich stets auf die Station als Ganzes.
Hier geht es zur Kleinen Anfrage und der Antwort der Bundesregierung: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/060/1806098.pdf
Hinweis: Entsprechende Abfragen wurden auch für andere Bundesländer durchgeführt.