Fachaustausch mit Entwicklungsorganisation und Batterieforscherin
Immer mehr Autobauer in Deutschland und weltweit setzen auf das E‑Auto mit Batterie. Doch fast überall wird man in diesem Zusammenhang gefragt: Was ist mit den Rohstoffen, seltenen Erden und dem Recycling? Wie werden Menschenrechte und ökologische Standards in den Rohstoffländern geachtet? Was machen die Unternehmen, um Verantwortung für ihre Lieferketten zu übernehmen? Werden ausgediente Akkus recycelt? Was ist von der Forschung für neue Batterien zu erwarten? Wie umweltfreundlich sind batterieelektrische Autos letztlich wirklich?
Gemeinsam mit meinem Kollegen Cem Özdemir bin ich vielen dieser Fragen im öffentlichen Dialog mit Fachleuten nachgegangen. Wir sprachen mit Johannes Grün, Referatsleiter für Wirtschaft und Nachhaltigkeit der Entwicklungsorganisation “Brot für die Welt” sowie Dr. Margret Wohlfahrt-Mehrens, Fachgebietsleiterin Materialforschung Batterien am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW), Baden-Württemberg in Ulm.
Rohstofffragen
Johannes Grün bezog sich in seinen Ausführungen vor allem auf die Studie „Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit“. In der Anfang des Monats von „Brot für die Welt“ und Misereor herausgegebenen Broschüre mit dem Untertitel „Warum wir die Mobilitäts- und die Rohstoffwende zusammendenken müssen“ wird deutlich: Die Rohstoffprobleme sind nicht erst mit der Transformation hin zum E‑Auto entstanden. Aber die Relevanz verantwortungsvollen Rohstoffbezugs hat erst in Verbindung mit der Antriebswende mehr Aufmerksamkeit erfahren. Ein neuer Trend wirft ein Licht auf alte Probleme. Hingewiesen wird unter anderem darauf, dass etwa 60 Prozent der Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette von Autos auf die Stahl- und Aluminiumherstellung entfallen. Zugleich sind es vielfach die Menschen aus den Förderländern für diese Rohstoffe, die am meisten unter verschärften Klimafolgen wie Dürren und Überschwemmungen leiden.
Stahl ist das am meisten verbaute Material im Auto. Nach Australien ist Brasilien das zweitgrößte Exportland für Eisenerz. Eine Welle aus giftigem Minenschlamm zeigte im Januar 2019 die unzureichenden Sicherheits- und Umweltstandards auf: 272 Menschen starben und große Flächen sowie Flüsse wurden kontaminiert.
In einem Auto stecken durchschnittlich 160 Kilogramm Aluminium. Mehr als 90 Prozent des in Deutschland benötigten Bauxits stammt aus dem westafrikanischen Guinea. Auch hier müssen Sozial- und Umweltstandards bemängelt werden. Der hohe Wasserbedarf hinterlässt wüstenähnliche Landschaften. Den Menschen wurde Land genommen, Brunnen sind versiegt. Johannes Grün sprach davon, dass es zwar eine Zertifizierung von Bauxit gebe, nicht jedoch für das aus Guinea, das als Lieferland eine große Rolle spielen würde.
Immer mehr elektrische Funktionen wie der automatische Fensterheber oder Bordcomputer sorgen dafür, dass die Länge der verbauten Kabel enorm zugenommen hat. In einem VW Golf beträgt deren Länge beispielsweise bereits 1,6 Kilometer. Die Kabel bestehen auch aus Kupfer. Aus allen fünf wichtigsten Lieferländern, alle in Süd- und Mittelamerika gelegen, wird über gravierende ökologische, soziale und menschenrechtliche Probleme im Umfeld von Kupferminen berichtet. Der Wasserbedarf für Abbau und Aufbereitung ist hoch, das Wasser wird vielfach verschmutzt. Es kommt zu Enteignungen und Umsiedlungen. Es kam schon zu Dammbrüchen, durch die sich Kupfersulfat in Flüsse ergoss und den betroffenen Menschen Trinkwasserzugänge verloren gingen.
Lithium wird für verschiedenste Arten von Batterien, auch in E‑Autos, benötigt. Zur Gewinnung wird lithiumhaltiges Salzwasser aus der Tiefe gepumpt. Dieses muss mit sehr viel zugegebenem Wasser verdunsten. Folgen sind versalzene Böden und sinkende Grundwasserspiegel. Landwirtschaft wird erschwert, Tier- und Pflanzenarten verlieren Lebensräume.
Die Hälfte der Vorräte an Kobalt wird im Kongo vermutet. Tatsächlich stammt sogar 70 Prozent der Fördermenge aus diesem Land. Der Abbau erfolgt überwiegend industriell. Der Rohstoff wird jedoch auch – geduldet oder illegal – durch Kleinschürfer*innen gewonnen. Kinderarbeit ist dort keine Ausnahme. Die Handelsketten sind oft undurchsichtig.
Johannes Grün führte damit ein, dass sich Brot für die Welt mit dem Thema „Platin“, verwendet unter anderem für Auto-Katalysatoren, erstmals mit Rohstoffragen befasst habe. Daraus sei dann viel mehr geworden. Er sei in den vergangenen Monaten in Engagement-Gesprächen mit VW und BMW gewesen. Es habe sich viel getan. Die Unternehmen wüssten, dass sie die Verantwortung nicht delegieren könnten. Daimler und VW beispielsweise hätten gemeinsam eine Studie vergeben, um mehr über die Umstände der Lithium-Gewinnung zu erfahren. Die Entwicklung des Bewusstseins sei gut, es sei aber noch ausbaufähig.
Auf meine Frage ging Grün kurz auf das Thema „Ölforderung“ ein, da ja Probleme mit verseuchten Böden und Gewässern bekannt sind. Er sprach davon, dass es keine gelungenen Prozesse gebe, um die Schäden zu begrenzen.
Die Batterie
Frau Dr. Wohlfahrt-Mehrens führte ein, man müsse auf batterieelektrische und brennstoffzelltechnische Antriebe umstellen, da deren Energieeffizienz höher und die davon ausgehenden CO 2‑Belastungen geringer seien. Lithium-Ionen-Batterien seien Standard, das würde auch die nächsten 10–15 Jahre so bleiben. Jedoch werde sich deren Rohstoffeinsatz verändern. Kobalt käme bereits nur noch in sehr kleinen Mengen zum Einsatz, bald sei Kobalt wie auch Nickel ganz verzichtbar. Die Lebensdauer der Autobatterien sei deutlich gestiegen. Autobauer würden eine Garantie auf acht Jahre und 150.000 Kilometer gewähren. Durch Fortschritte beim Batteriemanagement könnten Batterien heute aber auch schon 400.000 Kilometer ermöglichen. Eine Alternative für bestimmte Anwendungen könne die Lithium-Eisenphosphat-Batterie sein. Sie wäre aber größer und würde geringere Reichweiten ermöglichen, dafür aber vier Millionen Kilometer an Lebensleistung ermöglichen.
Zum Thema „Recycling“ berichtete sie, dass Kobalt, Kupfer und Nickel bereits zurück gewonnen würde. Das müsse zukünftig auch mit dem Lithium geschehen. Recycling sei die neue Rohstoffquelle.
Die Kostensenkung bei der Batterieproduktion sei viel stärker ausgefallen als prognostiziert worden sei und es seien noch weitere Kostenentwicklungen nach unten zu erwarten. Dann könnten Kaufpreise von E‑Autos weiter sinken und zunehmend auch kleinere Modelle auf den Markt kommen.
Auch auf die Brennstoffzelle ging Frau Dr. Wohlfahrt-Mehrens ein. Sie führte aus, dass im Pkw der batterieelektrische Antrieb effizienter sei. Klimaziele seien mit der Brennstoffzelle nicht erreichbar. Sie sei auch deutlich teurer. Interessant sei sie aber für Schiffe, Lastwagen und Flugzeuge, da die dafür erforderlichen Reichweiten nicht mit Strom aus dem Akku zu erzielen seien. Wasserstoff sei darüber hinaus ein interessanter Energiespeicher.
Fazit 1
Das Fazit der Entwicklungsorganisationen in der erwähnten neuen Studie lautet: “Produktion und Nutzung von Autos, insbesondere von Autos mit Verbrennungsmotor, haben zahlreiche schädliche Auswirkungen auf Klima, Gesundheit, Umwelt und Menschenrechte – in Deutschland und weltweit. Diese reichen von steigenden Treibhausgas- und hohen Schadstoffemissionen über Lärm, Verkehrstote und einen enormen Flächenverbrauch bis hin zu den verheerenden Folgen des Rohstoffabbaus. Um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakatastrophe noch zu verhindern und die gesundheitsschädlichen Schadstoffemissionen zu vermindern, muss der Verbrennungsmotor möglichst schnell mit einem Enddatum versehen werden. Die bisherigen Ausführungen haben allerdings gezeigt, dass es nicht ausreicht, den Antrieb der vielen Millionen Pkw in Deutschland auszutauschen. Vielmehr muss die Zahl der Autos drastisch sinken, um den Verbrauch von Rohstoffen, Energie und Flächen zu reduzieren. Unsere Mobilität muss sich grundlegend verändern, um einer klimafreundlichen, nachhaltigen und global gerechten Entwicklung Vorschub zu leisten und gleichzeitig dem steigenden Bedürfnis nach Mobilitätsinfrastrukturen weltweit Rechnung zu tragen.”
Fazit 2
Cem Özdemir und ich hatten betont, dass unser grünes Ziel nicht ist, alle Verbrenner-Autos 1:1 durch batterieelektrische Autos zu ersetzen. Vielmehr setzen wir vor allem auf Bahn, Bus und Fahrrad. Für die Mobilität sind Autos aber auch in Zukunft nicht verzichtbar. Daher kommt es auf deren Antrieb, jedoch auch auf deren Größe an, weil daran wieder die Rohstoffrage aufgemacht werden muss. Wir begrüßen das neue Bewusstsein von Öffentlichkeit und Unternehmen für Rohstoffe, wünschen uns aber, dass dieses nicht auf die E‑Autos begrenzt bleibt.
Interessant übrigens: Die über 60 Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, sich mit Fragen und Statements aktiv einzubringen. Von denjenigen, die am Verbrenner festhalten wollen bzw. E‑Autos ablehnen, hatte vermutlich niemand an der der Veranstaltung teilgenommen, sich zumindest nicht eingebracht.
Quellen und Hinweise:
Hier geht es zur Studie „Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit – Warum wir die Mobilitäts- und Rohstoffwende zusammendenken müssen“: https://power-shift.de/weniger-autos/
Stuttgarter Zeitung v. 13. August 2021 („Die Batterie, das neue Herz des Autos“)
Mein Besuch bei Frau Dr. Wohlfahrt-Mehrens in Ulm: https://www.matthias-gastel.de/entwicklung-von-akku-und-brennstoffzelle/
Bericht über ein früheres Fachgespräch der Grünen im Bundestag zur Rohstofffrage: https://www.gruene-bundestag.de/themen/mobilitaet/rohstoffbilanz-der-elektromobilitaet-verbessern
Frühere Zusammenstellung von mir zur Rohstofffrage: https://www.matthias-gastel.de/mobilitaet-der-zukunft-muss-emissionsarm-und-ressourcensparend-sein/