Fürs Netz nicht unbedingt ein Problem
Wie sieht das Ladeverhalten von E‑Auto-Fahrern aus? Was macht die zunehmende E‑Mobilität mit unseren Stromnetzen? Ein Praxisversuch gibt interessante Hinweise.
Zehn von insgesamt 21 Haushalten einer Wohnstraße in Ostfildern (Landkreis Esslingen) bekamen von Netze BW, dem Stromnetzbetreiber im Südwesten, kostenlos verschiedene E‑Autos sowie die dafür sinnvolle Ladeinfrastruktur gestellt. Ziel des Versuches war es, die Auswirkungen auf das Stromnetz zu erforschen. Dafür wurden keinerlei Veränderungen am Stromnetz vorgenommen, um dessen Leistung zu erhöhen. Es wurde lediglich Messtechnik installiert. Die Ladestationen verfügten allerdings über Lademanagementsysteme. Ich hatte mir den Versuch schon mal vor Ort angeschaut: https://www.matthias-gastel.de/unterwegs-in-der-e-mobility-allee/. Nach 18 Monaten ging der Versuch nun zu Ende. Demnächst wird der offizielle Abschlussbericht vorgelegt. Die Ergebnisse liegen aber bereits vor. Im Gespräch mit der Projektleiterin habe ich mich über diese Ergebnisse erkundigt und gebe sie hier wider:
- Die Projektteilnehmer mussten sich erst einmal an die E‑Autos und das Ladeverhalten gewöhnen. Anfangs wurden die E‑Autos, die eine Reichweite von 200 Kilometer aufweisen, bereits meist ab einer „Restreichweite“ von 120 Kilometer wieder aufgeladen. Nach etwa einem halben Jahr legte sich die Reichweitenangst. Dieselben Fahrzeuge wurden weitaus seltener, teilweise erst ab einer „Restreichweite“ von 10 Kilometern, neu aufgeladen. Daraus ergibt sich schon, dass gleichzeitige Ladevorgänge eines Großteils der Fahrzeuge sehr unwahrscheinlich sein dürften. Übrigens wurden die Autos im Monatsdurchschnitt 1.200 Kilometer weit gefahren.
- Es zeigte sich, dass es sehr unterschiedliche „Ladetypen“ gibt. Manche laden täglich, andere nur einmal pro Woche, ohne dass dies ausschließlich mit den gefahrenen Kilometern und der dadurch verbliebenen „Restreichweite“ zu tun hätte. Von den 10 Fahrzeugen wurden maximal fünf gleichzeitig geladen – und zwar in gerade einmal 0,1 Prozent des 18-monatigen Gesamtzeitraums. Die befürchtete Gleichzeitigkeit mit dem entsprechenden fürs Netz kritischen Lastanstieg blieb aus. Ein Ladeschwerpunkt zwischen 19 und 21 Uhr war jedoch zu erkennen.
- Die Ladepunkte waren mit Lastmanagementsystemen versehen. Die Ladeleistung wurde so gesteuert, dass es zu keiner zu hohen Netzbelastung kommen konnte. Im Nachhinein wurde allerdings klar: Auch ohne dieses Management hätte es keine Probleme fürs Netz gegeben, da die Netzstruktur von vornherein „Luft“ aufwies. Die Kunden fühlten sich durch das Management und die Unstetigkeit bei den Ladevorgängen nicht eingeschränkt.
- Dass der Zeitbedarf fürs Laden kein praktisches Problem darstellt ist bekannt und wurde durch folgende Feststellung bestätigt: Die Autos hängen im Tagesdurchschnitt 7,5 Stunden am Kabel. Tatsächlich geladen wurde aber nur 2,5 Stunden. Es könnte also seltener geladen und/oder nach einem Ladevorgang eine längere Strecke gefahren werden. Hinweis: Autos werden im Tagesdurchschnitt nur eine Stunden gefahren und stehen 23 Stunden „sinnlos“ herum.
- Neun, vielleicht auch alle 10 der Testhaushalte kaufen der Netze BW die Ladeinfrastruktur ab. In mindestens einem Haushalt wurde bereits ein eigenes E‑Auto angeschafft. Die Testhaushalte nutzen die E‑Mobilität also entweder weiterhin oder wollen sich diese Option offen halten.
EON war bei einem ähnlichen Versuch zu vergleichbaren Ergebnissen gekommen.
Und so geht es weiter: Netze BW werden im Dezember einen größeren Versuch starten. Diesmal soll das Netz- und Ladeverhalten in der Tiefgarage eines großen Mehrfamilienhauses mit 63 Wohneinheiten im Landkreis Ludwigsburg getestet werden. Von den 85 Stellplätzen sollen 58 mit einem Ladepunkt (Typ 2‑Steckdose, 11 statt 3,5 kW gegenüber einer „normalen“ Steckdose) ausgestattet werden. Einige weitere Stellplätze verfügen bereits über Steckdosen. Die Eigentümer haben sich einstimmig auf den Versuch eingelassen. Es werden 45 Testfahrzeuge zur Verfügung gestellt. Für dieses Versuchsfeld wurde die Stromleitung verstärkt. Auch hier kommt ein intelligentes Lademanagement zum Einsatz.