12.10.2019
Gespräch mit Forschern am ZSW in Ulm
Fahren die Autos der Zukunft batterieelektrisch oder mit Brennstoffzelle? Am “Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg” (ZSW) wird an beiden Technologien geforscht. Gemeinsam mit zahlreichen Interessierten der Grünen habe ich die Forschungseinrichtung in Ulm besucht.
Das ZSW mit Sitz in Stuttgart und Ulm ist eine gemeinnützige Stiftung. Sie widmet sich mit ihren 250 Beschäftigten der industrienahen Grundlagenforschung im Bereich der erneuerbaren Energien und der Umsetzung in der Wirtschaft des Landes. In Ulm widmet sich das ZSW dem Akkumulator (Batterie) und der Brennstoffzelle. Ich hatte zu einem Gespräch mit Forschern an beiden Technologien eingeladen. Das Gespräch stieß auf großes Interesse unter Mitgliedern der Grünen aus dem ganzen Land. Mit dabei waren auch meine beiden Fraktionskolleginnen Anna Christmann und Ekin Deligöz. Um es gleich vorweg zu nehmen: Beide Technologien stehen aus zwei Gründen nicht generell in Konkurrenz. Erstens hängt die Frage, welche Technologie geeignet ist, immer vom konkreten Einsatz ab. Zweitens sind auch Brennstoffzellenfahrzeuge auf Akkus angewiesen, da der in der Brennstoffzelle und der beim Bremsen gewonnene Strom (Rekuperation) gespeichert werden muss.
Batterie
„Bei der Batteriezellenfertigung, die für die Zukunft der Elektromobilität so wichtig ist, habend die großen Firmen in China und Korea, aber auch in den USA, derzeit die Nase vorn. In Frankreich und Schweden haben sich die ersten Konsortien zusammengefunden.“ So fasste einer der Ulmer Forscher die aktuelle Ausgangslage kürzlich in einem Zeitungsinterview (Stuttgarter Zeitung vom 15. Juli 2019) zusammen und hob hervor, dass es die Option des „klassischen Verbrenners“ in wenigen Jahren gar nicht mehr geben würde. Er wies auch darauf hin, dass intensiv daran geforscht wird, den Einsatz problematischer Rohstoffe zu verringern, es aber keine Technologie geben kann, die milliardenfach ohne massiven Ressourcenverbrauch hergestellt und betrieben werden kann. Das ZSW betreibt die weltweit größte Produktionsforschung für Lithium-Ionen-Batterien.
Wenn man die Prognosen von Batterieforschern analysiert, so fallen viele gemeinsame Einschätzungen auf: So werde es nie die für jede Anwendung optimale Superbatterie geben. Dies bestätigten uns unsere Gesprächspartner. Aber die Kapazität gegenüber der heutigen Batterietechnologie dürfte sich eines Tages verdoppeln lassen. Bei Lithium-Ionen-Batterien seien noch etwa 40 Prozent mehr möglich, was man auch in Ulm so sieht. Schnelle, große Sprünge bei der Energiedichte seien aber nicht zu erwarten, wurde hinzugefügt. Zur Reichweite wurde angemerkt, dass schon heute die mögliche Reichweite von E‑Autos praktisch nicht genutzt werde. „Nach unseren Erfahrungen werden die Akkus sehr frühzeitig wieder aufgeladen.“
Die Akku-Preise sind in den letzten Jahren deutlich gesunken. Der Preis dürfte sich zwischen 50 und 100 Euro pro Kilowattstunden einpendeln (heute knapp 100 Euro), so werden Fachleute immer wieder zitiert. In Ulm ist man mit Prognosen eher vorsichtig: Die Kosten würden sehr stark von den Rohstoffpreisen abhängen.
Wie weit sind die Versuche gediehen, Lithium und Kobalt durch Natrium, Magnesium, Calcium oder Aluminium zu ersetzen? Die Antwort aus Ulm: „Hierfür sind noch Durchbrüche in der Forschung nötig.“ Das Ziel sei aber klar der komplette Verzicht auf Kobalt und der Einsatz von weniger Nickel. Und: „Wer die heutige Batterietechnologie nicht beherrscht, wird sich mit den zukünftigen Batteriegenerationen schwer tun.“ Diese Botschaft kann, so höre ich es heraus, als Appell an die Forschungs- und Wirtschaftspolitik verstanden werden.
Schließlich wurde aus der Gruppe heraus noch die Frage nach dem Batterie-Recycling gestellt. Die Forscher verwiesen auf noch geringe Erfahrungen mit dem Recycling von Lithium-Ionen-Batterien. Die Rücklaufquote von ausgebrauchten Handy-Akkus sei gering. Bei Auto-Akkus gebe es noch kaum Rückläufe und daher keine vollständige, sondern eine auf einzelne Metalle beschränkte Aufbereitung.
Brennstoffzelle
Die meisten Fachleute sind sich einig: Der batterieelektrische Antrieb eignet sich insbesondere für Autos, während der Brennstoffzelle für größere Fahrzeuge die Zukunft gehört. „Batterie und Brennstoffzelle sind keine Gegner, sondern ergänzen sich“, sagten uns denn auch die Ulmer Forscher. Konkret zielt die Forschung an Brennstoffzellen auf die Anwendung im Auto, um diese auch für Busse und Lastwagen anwendbar zu machen. Noch ist deren Preis sehr hoch und die Frage, woher der Wasserstoff kommen soll (wenn er nicht weiterhin auf Basis von fossilem Erdgas erzeugt werden soll), ungelöst. Wasserstoff aus Strom herzustellen ist möglich, aber (noch) mit enormen Energieverlusten und letztlich niedrigen Wirkungsgraden bei der Fortbewegung mit Brennstoffzellenfahrzeugen verbunden. Die wenigen Modelle, die derzeit in niedrigen Stückzahlen auf dem Markt erhältlich sind, werden von den Herstellern hoch subventioniert. Mit dem Einstieg in höhere Stückzahlen dürfte der Preis sinken. Das sieht man auch in Ulm, wo seit über 20 Jahren konkret an der Polymermembrantechnologie geforscht wird, so.
Wie sieht es mit der Lebensdauer von Brennstoffzellen aus? Zweifel seien angebracht, sagt der Forscher. Die Lebensdauer hänge stark von den Betriebsbedingungen ab. Es seien noch Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erforderlich, um eine verlässliche und ausreichende Lebensdauer gewährleisten zu können. Was eindeutig für die Brennstoffzelle spreche: Der Wertschöpfungsanteil ist – anders als der bei batterieelektrischen Fahrzeugen mit ihrer geringen Komplexität – vergleichbar mit denen der heutigen Verbrennungstechnologie.
Woher kommt der Strom?
Mit den im Jahr 2016 wegen des Überangebots an Strom abgeschalteten Windkraftanlagen hätten sich 500.000 E‑Autos antreiben lassen. Nimmt man den exportierten Strom hinzu, so wären es sogar sieben Millionen Autos gewesen. Das hatten Wissenschaftler des ZSW errechnet.
Wo wird in Zukunft geforscht?
Eine Rolle in den Gesprächen spielte auch die Entscheidung der Bundesregierung, die Batteriezellenforschung am Standort Münster/Westfalen fördern zu wollen. Das ZSW in Ulm, das sich auch beworben hatte, ging leer aus. Inzwischen wurden Vorwürfe an die Bundesforschungsministerin immer lauter. Münster grenzt an ihren eigenen Wahlkreis und Ibbenbüren, das fürs Batterierecycling hoch gehandelt wird, befindet sich in ihrem Wahlkreis. Medienberichten zufolge erhielt Münster wichtige Informationen früher als Ulm und hatte daher mehr Zeit, sich auf die Bewerbung passend vorzubereiten (Stuttgarter Zeitung v. 02.10., 05.10. und 08.10.2019). Hinzu kommt, dass in Baden-Württemberg, anders als in NRW, starke Automobilhersteller angesiedelt sind und dadurch die enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Industrie sowie der Transfer in die konkrete Anwendung erheblich einfacher möglich sind. Wenn man sich bewusst ist, dass bei der Zellforschung und der Marktbefähigung leistungsstarker Akkumulatoren nicht die deutschen Länder untereinander, sondern Deutschland und Europa im Wettbewerb mit China, Südkorea, Japan und den USA stehen, dann wird die Standortentscheidung der Bundesministerin umso absurder.
Für die unterlegenen Standorte stehen nun, sollte es keine Korrektur mehr geben, womöglich noch Fördermittel in Höhe von 100 Millionen Euro für die Bereiche Recycling und Digitalisierung zur Verfügung.
Diesem Beitrag liegen die genannten Quellen, die Gespräche beim ZSW in Ulm zugrunde und außerdem: Südwestpresse v. 27.10.2017, Stuttgarter Zeitung v. 15.07.2019, Südwestpresse v. 23.08.2019, Die Welt v. 28.09.2019, FAZ v. 08.10.2019,