25.10.2020
2024 ausschließlich elektrisch?
O‑Busse haben in Esslingen eine lange Tradition. Nun könnte es schnell gehen, dass sich die Stadt vom letzten Diesel-Bus verabschiedet.
1944 haben O‑Busse die damalige Straßenbahn, die als nicht sonderlich leistungsfähig galt, abgelöst. 1979 fuhren die ersten „Duo-Busse“, die unter der Oberleitung fahren konnten, zugleich aber über Dieselmotoren verfügten. 2016 kamen die ersten Oberleitungsbusse mit Batterien (Lithium-Ionen-Akkus) zum Einsatz, die inzwischen durch eine neue Generation an leistungsstärkeren Bussen verstärkt werden. Aktuell wird 20 Prozent der Gesamtfahrleistung elektrisch erbracht. Denn 14 der 17 Linien der „Stadtverkehr Esslingen“ (SVE) werden noch mit Dieselbussen gefahren. Nachdem das Busunternehmen, an den ein Großteil der Linien vergeben worden waren, Insolvenz anmelden musste, hatte der Gemeinderat darüber zu entscheiden, wie es weiter geht. Mehrheitlich wurde für eine Direktvergabe an den SVE und eine vollständige Elektrifizierung aller Buslinien votiert. Das Oberleitungsnetz wird infolge dessen weiter ausgebaut. Derzeit ist eine Streckenlänge von 29 Kilometer mit Oberleitungen versehen. Der Strom aus der Oberleitung treibt den Elektromotor an und speist zugleich den Akku. Außerhalb des Oberleitungsnetzes wird batterieelektrisch gefahren, wofür die Reichweite bei maximal 50 Kilometer liegt. Beim Bremsen wird Strom gewonnen und in die Batterie oder über die Oberleitung ins Netz eingespeist. Der Gesamtwirkungsgrad ist dadurch sehr hoch.
Ich habe mit einigen meiner Mitarbeiter den kommunalen Verkehrsbetrieb besucht und mich mit Bürgermeister Rust und dem technischen Geschäftsführer unterhalten. Danach unternahmen wir eine Testfahrt mit einem der neueren Busse hinauf nach Berkheim. Diese Busse fahren nicht geräuschlos, aber leiser und ruhiger als Dieselbusse. Für die Fahrgäste, aber auch für die Anwohner, bei denen die Busse vorbeifahren, ist das sehr angenehm. Da sie mit Ökostrom fahren sind sie ohne CO2-Emissionen unterwegs. Interessant ist auch, dass die Busse ihre Fahrspur verlassen können, beispielsweise um einen stehenden Lieferwagen zu überholen, ohne dass der Stromabnehmer dafür eingefahren werden muss. Er macht Verschwenkungen von rund fünf Metern problemlos mit.
Warum findet das Beispiel so wenig Nachahmer? Darüber lässt sich nur spekulieren. Ein Aspekt dürfte der notwendige Bau von Oberleitungen sein, der aus Sicht mancher Betrachter das Stadtbild verschandelt. Die Lösung aus einer Kombination von Oberleitung und Akkubetrieb lässt aber sehr individuelle Lösungen zu, bei der städtebaulich sensible Bereiche von Oberleitungen ausgespart werden können. In jeden Fall wächst der Druck, auch bei den Bussen vom Dieselantrieb weg zu kommen. In Esslingen lässt sich eine der denkbaren Lösungen praktisch erfahren.