Finanzierung S 21: Bund schlägt sich in die Büsche

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03.03.2020

Bund wird durch EU-Zuschüsse einseitig entlastet

Wie hoch das Risi­ko für die Deut­sche Bahn, das Land, die Lan­des­haupt­stadt und den Ver­band Regi­on Stutt­gart ist, das mit der Unter­zeich­nung des Finan­zie­rungs­ver­tra­ges für Stutt­gart 21 ein­ge­gan­gen wur­de, wird immer deut­li­cher. Der Ver­trag geht voll zu Las­ten der Ver­trags­part­ner, wäh­rend der Bund weit­ge­hend außen vor bleibt.

Es ist nach wie vor unge­klärt, wer die Dif­fe­renz zwi­schen 4,5 und 8,2 plus X Mil­li­ar­den Euro bezahlt. Die Deut­sche Bahn hat Kla­ge gegen das Land ein­ge­reicht, damit es sich an den gestie­ge­nen Kos­ten betei­ligt. Das Land hin­ge­gen betrach­tet die im Finan­zie­rungs­ver­trag im Jahr 2009 zuge­sag­ten 931 Mil­lio­nen Euro als „gede­ckelt“ und zahlt frei­wil­lig nicht mehr für das Pro­jekt, wie es im Ver­trag inhalt­lich defi­niert wor­den war. Doch was ist eigent­lich mit dem Bund? Vie­le erin­nern sich noch an die Aus­sa­ge der Kanz­le­rin, wonach sich an Vor­ha­ben wie Stutt­gart 21 „die Zukunfts­fä­hig­keit Deutsch­lands“ ent­schei­de. Die Bun­des­re­gie­rung war es denn auch, die trotz Kos­ten­stei­ge­run­gen im Auf­sichts­rat der Deut­schen Bahn stets auf den Wei­ter­bau dräng­te. So wur­den meh­re­re Chan­cen für den Aus­stieg ver­passt und das Kos­ten­di­lem­ma nahm sei­nen Lauf.

Nun wur­de ein­mal mehr deut­lich, wie fatal der vor dem Regie­rungs­wech­sel im Land unter­zeich­ne­te Finan­zie­rungs­ver­trag wirkt: Weil die EU-Zuschüs­se für Stutt­gart 21 üppig spru­deln und aus­schließ­lich den Finan­zie­rungs­an­teil des Bun­des ver­rin­gern, redu­ziert sich des­sen finan­zi­el­les Enga­ge­ment von einst 564 Mil­lio­nen Euro an Neu­bau­mit­teln auf sage und schrei­be null Euro! Der Bund kann nun sogar 23 Mil­lio­nen Euro von sei­nem eige­nen Bahn­un­ter­neh­men zurück­for­dern, da die EU-Zah­lung den Fest­be­trag des Bun­des in die­ser Grö­ßen­ord­nung über­steigt. Das bun­des­ei­ge­ne Bahn­un­ter­neh­men muss also Geld an den Bund zurück­über­wei­sen, wäh­rend es nicht weiß, wie es die Mehr­kos­ten für S 21 finan­zie­ren soll und sei­ne Pro­jekt­part­ner ver­klagt.

Wie konn­ten es die Stadt Stutt­gart, der Ver­band Regi­on Stutt­gart und das Land Baden-Würt­tem­berg damals zulas­sen, dass nicht auch sie vom Geld aus Brüs­sel pro­fi­tie­ren? Waren sie der­art von der Strahl­kraft des Mil­li­ar­den­pro­jek­tes geblen­det, dass sie die­sen Ver­trag zum eige­nen Nach­teil schlos­sen?

Dass sich nun aus­ge­rech­net der Bund bei der Finan­zie­rung vom Acker macht und für das immer teu­rer wer­den­de Pro­jekt sogar weni­ger bezahlt als ursprüng­lich vor­ge­se­hen, darf nicht das letz­te Wort sein. Ich mei­ne, dass sich der Bund in der Höhe an den Mehr­kos­ten betei­li­gen muss, dass die Deut­sche Bahn ihre Kla­ge gegen die Pro­jekt­part­ner fal­len las­sen kann und die Finan­zie­rung abge­si­chert ist. Man kann nicht auf dem Wei­ter­bau eines strit­ti­gen Pro­jek­tes behar­ren, einen Aus­stieg zu einem noch geeig­ne­ten Zeit­punkt ver­hin­dern und sich anschlie­ßend, wenn es schwie­rig wird, in die Büsche schla­gen. Der Bund muss eine Mit­ver­ant­wor­tung für Stutt­gart 21 über­neh­men!

Hin­ter­grund­in­for­ma­ti­on: Der Bund betei­ligt sich aus ver­schie­de­nen Töp­fen an der Finan­zie­rung von Stutt­gart 21. Den größ­ten Ein­zel­be­trag hät­te es in Form eines Fest­be­tra­ges in Höhe von 564 Mil­lio­nen Euro an Bedarfs­plan­mit­teln (Neu­bau­mit­teln) geben sol­len. Die­ser Betrag wird nun kom­plett durch EU-Mit­tel ersetzt. Hin­zu kom­men Mit­tel nach dem Gemein­de­ver­kehrs­fi­nan­zie­rungs­ge­setz (GVFG) und der Leis­tungs- und Finan­zie­rungs­ver­ein­ba­rung (LuFV). Dabei geht es um 500 bzw. 497 Mil­lio­nen Euro. Die­se Mit­tel flie­ßen. An den Kos­ten­stei­ge­run­gen betei­ligt sich der Bund – so ist der Sach­stand – nicht.