Bund wird durch EU-Zuschüsse einseitig entlastet
Wie hoch das Risiko für die Deutsche Bahn, das Land, die Landeshauptstadt und den Verband Region Stuttgart ist, das mit der Unterzeichnung des Finanzierungsvertrages für Stuttgart 21 eingegangen wurde, wird immer deutlicher. Der Vertrag geht voll zu Lasten der Vertragspartner, während der Bund weitgehend außen vor bleibt.
Es ist nach wie vor ungeklärt, wer die Differenz zwischen 4,5 und 8,2 plus X Milliarden Euro bezahlt. Die Deutsche Bahn hat Klage gegen das Land eingereicht, damit es sich an den gestiegenen Kosten beteiligt. Das Land hingegen betrachtet die im Finanzierungsvertrag im Jahr 2009 zugesagten 931 Millionen Euro als „gedeckelt“ und zahlt freiwillig nicht mehr für das Projekt, wie es im Vertrag inhaltlich definiert worden war. Doch was ist eigentlich mit dem Bund? Viele erinnern sich noch an die Aussage der Kanzlerin, wonach sich an Vorhaben wie Stuttgart 21 „die Zukunftsfähigkeit Deutschlands“ entscheide. Die Bundesregierung war es denn auch, die trotz Kostensteigerungen im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn stets auf den Weiterbau drängte. So wurden mehrere Chancen für den Ausstieg verpasst und das Kostendilemma nahm seinen Lauf.
Nun wurde einmal mehr deutlich, wie fatal der vor dem Regierungswechsel im Land unterzeichnete Finanzierungsvertrag wirkt: Weil die EU-Zuschüsse für Stuttgart 21 üppig sprudeln und ausschließlich den Finanzierungsanteil des Bundes verringern, reduziert sich dessen finanzielles Engagement von einst 564 Millionen Euro an Neubaumitteln auf sage und schreibe null Euro! Der Bund kann nun sogar 23 Millionen Euro von seinem eigenen Bahnunternehmen zurückfordern, da die EU-Zahlung den Festbetrag des Bundes in dieser Größenordnung übersteigt. Das bundeseigene Bahnunternehmen muss also Geld an den Bund zurücküberweisen, während es nicht weiß, wie es die Mehrkosten für S 21 finanzieren soll und seine Projektpartner verklagt.
Wie konnten es die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und das Land Baden-Württemberg damals zulassen, dass nicht auch sie vom Geld aus Brüssel profitieren? Waren sie derart von der Strahlkraft des Milliardenprojektes geblendet, dass sie diesen Vertrag zum eigenen Nachteil schlossen?
Dass sich nun ausgerechnet der Bund bei der Finanzierung vom Acker macht und für das immer teurer werdende Projekt sogar weniger bezahlt als ursprünglich vorgesehen, darf nicht das letzte Wort sein. Ich meine, dass sich der Bund in der Höhe an den Mehrkosten beteiligen muss, dass die Deutsche Bahn ihre Klage gegen die Projektpartner fallen lassen kann und die Finanzierung abgesichert ist. Man kann nicht auf dem Weiterbau eines strittigen Projektes beharren, einen Ausstieg zu einem noch geeigneten Zeitpunkt verhindern und sich anschließend, wenn es schwierig wird, in die Büsche schlagen. Der Bund muss eine Mitverantwortung für Stuttgart 21 übernehmen!
Hintergrundinformation: Der Bund beteiligt sich aus verschiedenen Töpfen an der Finanzierung von Stuttgart 21. Den größten Einzelbetrag hätte es in Form eines Festbetrages in Höhe von 564 Millionen Euro an Bedarfsplanmitteln (Neubaumitteln) geben sollen. Dieser Betrag wird nun komplett durch EU-Mittel ersetzt. Hinzu kommen Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) und der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV). Dabei geht es um 500 bzw. 497 Millionen Euro. Diese Mittel fließen. An den Kostensteigerungen beteiligt sich der Bund – so ist der Sachstand – nicht.