Flüge auf Bahn verlagern
Der Flugverkehr wächst. Weltweit. Auch in Stuttgart. Selbst im Kurzstreckenbereich.
Der Status quo im Flugverkehr ist unter Gesichtspunkten des Klimaschutzes als hochproblematisch zu bewerten. Erstens wirken Emissionen in der Atmosphäre stärker als auf der Erde. Zweitens ist keine Dekarbonisierungsstrategie ersichtlich. Drittens weist der Flugverkehr weltweit enorme Wachstumsraten auf: Die Verkehrsleistung der Fluggesellschaften ist mit +6,5 Prozent im Jahr 2018 gewachsen, im Vorjahr sogar um 7,6 Prozent. Insofern ist die anhaltende Vorgehensweise vieler Airlines, Flugtickets für zehn Euro auf den Markt zu werfen, ökologisch unverantwortlich und zeigt eindrucksvoll auf, dass im Flugverkehr etwas grundlegend schief läuft.
Der Flughafenverband ADV fordert angesichts der Zuwächse die „Weiterentwicklung der Flughafeninfrastrukturen“ und meint damit wohl den Ausbau der Flughäfen. Diesem Ansinnen erteilen wir eine klare Absage. Konkret auf den Flughafen Stuttgart bezogen heißt dies: Es bleibt bei der einen Start- und Landebahn und bei den Nachtflugbeschränkungen. Ein am Wachstum des Flugverkehrs orientierter Ausbau der Infrastruktur würde die Klimaziele torpedieren.
Um den Flugverkehr zu reduzieren, sind mehrere Maßnahmen erforderlich:
- eine Besteuerung der Tickets wie im Bahnverkehr und damit die Beendigung der Bevorzugung des Flugverkehrs
- eine Besteuerung des Flugbenzins wie bei den Kraftstoffen fürs Auto
- die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel
- die Beendigung der Subvention von Regionalflughäfen
Die Verlagerung des Flugverkehrs auf die Bahn muss dabei zentrales Instrument werden: In Stuttgart gelten mehr als eine Million Flüge als mehr oder weniger problemlos auf die Bahn verlagerbar. Das wäre jeder zehnte Flug. Es handelt sich um die Flüge nach Frankfurt, München, Paris, Zürich und Düsseldorf, bei denen die Reisezeiten mit der Bahn bei maximal rund drei Stunden liegen.
Hannover mit einer Fahrzeit von vier Stunden liegt an der Schwelle dessen, was von Bahnreisenden akzeptiert wird. Dafür werden vor allem zwei Aspekte als entscheidend angesehen:
- Der Mindest-Zeitaufwand für einen Flug liegt bei 1,5 Stunden, eher bei 2 Stunden.
- Die Ziele der Reisenden liegen zumeist in den Innenstädten, die per Bahn direkter als per Flieger erreicht werden.
Die Bahn ist wiederum gefordert, für attraktivere Verbindungen zu sorgen. Das gilt aus Stuttgarter Perspektive vor allem für die Ziele Hannover und Berlin. Auf letztere Relation entfielen im vergangenen Jahr 10,5 Prozent aller Flüge.
In der Relation Berlin – Stuttgart werden sich die Fahrzeiten im Fernverkehr auf der Schiene in den nächsten Jahren nur unwesentlich verändern. Mit der Inbetriebnahme neuer Leit- und Sicherungstechnik (ETCS) zwischen Bitterfeld und Halle wird die Streckengeschwindigkeit in besagtem Abschnitt auf 200 km/h erhöht, so dass die Fahrzeiten im Fernverkehr ab 2024 um lediglich zwei bis drei Minuten geringer ausfallen. Auch die Beendigung der Bauarbeiten im Knoten Halle wird ab 2022 nur Fahrzeitverkürzungen im Minutenbereich bringen. Spürbare Fahrzeitverkürzungen können erst erzielt werden, wenn die Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim sowie die Ausbaustrecke/Neubaustrecke Hanau – Gelnhausen – Fulda – Gerstungen in Betrieb gehen. Aus heutiger Sicht wird dies aber frühestens Anfang der 30er-Jahre der Fall sein. Dann wird auch die Einrichtung von Sprinterverbindungen in der Relation Berlin – Frankfurt – Stuttgart neu zu bewerten sein. Aufgrund der hohen Belastungen im Knoten Stuttgart sowie der hohen Auslastung der Strecke Frankfurt – Mannheim sieht die Deutsche Bahn für derartige Angebote derzeit keinen Spielraum. Hier werden wir weiter auf eine möglichst frühzeitige Umsetzung drängen.