11.09.2018
In einem Brandbrief haben Bahnchef Lutz und seine Vorstandskollegen die Lage des Konzerns schonungslos offengelegt. Einmal mehr wird klar: Der Konzern muss sich neu und vor allem schlagkräftiger aufstellen und die Verkehrspolitik des Bundes muss grundlegend korrigiert werden, wenn das Unternehmen Deutsche Bahn AG und das System Schiene nicht gegen die Wand fahren wollen.
Der Fraktionsvorsitzende Toni Hofreiter und ich haben dazu dieses Fünfpunktepapier verfasst:
Bahnoffensive starten!
Der Bahnkrise muss jetzt schnell und wirksam begegnet werden. Wir brauchen eine Bahnreform und eine Ausweitung von Netz und Angebot.
Die Eisenbahn ist ein Problemlöser für viele drängende Probleme des Verkehrs in unserer Zeit: Kein anderes Verkehrsmittel kann Personen und Güter so energieeffizient, klimaschonend, sicher und flächensparend bewegen wie die Bahn. Die Pariser Klimaziele lassen sich nur mit einer massiven Verlagerung von Personen- wie Güterverkehr auf die Schiene erreichen. Die Bahn ist das Rückgrat der anstehenden Verkehrswende. Wir müssen dazu jetzt den Aufbruch in eine neue, bessere Mobilität organisieren.
Stattdessen schreibt die Deutsche Bahn AG Schlagzeilen mit Negativmeldungen. Die finanzielle Lage der Deutschen Bahn verdüstert sich weiter. Die laufenden Fahrzeugbeschaffungen im Fernverkehr erhöhen die Schuldenlast des Konzerns, gleichzeitig bleibt das Geschäft mit den Fernzügen trotz der erfreulichen Aufwärtsentwicklung bei den Fahrgastzahlen ertragsschwach. Noch besorgniserregender ist die Entwicklung im Schienengüterverkehr: Auch 2018 drohen massive Verluste. Nach einer Milliardenspritze aus dem Bundeshaushalt vor gerade einmal zwei Jahren ruft die Konzernspitze nun erneut nach Hilfe.
Die bedrohliche Entwicklung der Deutschen Bahn ist vor allem Spiegelbild und Ergebnis einer jahrzehntelang verfehlten Verkehrspolitik mit dem Höhepunkt der letzten drei CSU-Verkehrsminister Ramsauer, Dobrindt und Scheuer. Stets haben die Verkehrsminister von SPD und Union eine Stärkung der Bahn und mehr Verkehrsverlagerung auf die Schiene angekündigt. Doch in Wahrheit haben sie dann nichts anderes getan, als den Status quo buchstäblich zementiert: Statt das Netz zu modernisieren und mehr Kapazitäten auf der Schiene zu schaffen, wurden in den letzten Jahren 1.481 Kilometer neue Autobahnen gebaut. Geht es nach dem Willen der Großen Koalition sollen allein bis 2030 noch einmal rund 1.000 Autobahnkilometer und mehr als 3.000 Kilometer neue Bundesstraßen hinzukommen.
Auch die Verzerrung des Wettbewerbs unter den Verkehrsträgern befeuern Union und SPD weiter: Die Bahnen zahlen hohe Preise für die Nutzung des Streckennetzes, die Lkw-Maut deckt dagegen nur ein Teil der Umweltschäden des Schwerverkehrs ab. Vom hochsubventionierten Flugverkehr, der keine Energiesteuern zahlen muss, ganz zu schweigen.
Wir Grüne wollen eine Wende der Verkehrspolitik und die Signale für die Eisenbahn auf „Fahrt“ stellen. Dazu muss der DB-Konzern neu aufgestellt werden. Gleichzeitig brauchen wir eine Investitionsoffensive für Erhalt und Ausbau des Bahnnetzes und mehr Zuverlässigkeit im Zugverkehr:
- Die Bahnreform starten! Wir wollen eine grundlegende Strukturreform für die Deutsche Bahn AG auf den Weg bringen. Die undurchsichtige Verknüpfung von Netz und Betrieb muss ein Ende haben, die „Black Box Bahn“ der Vergangenheit angehören. Die DB muss sich künftig auf ihr Kerngeschäft in Deutschland konzentrieren. Tochterunternehmen wie Arriva und Schenker müssen zum nächsten geeigneten Zeitpunkt verkauft und die Erlöse im Kernsektor reinvestiert werden.
- Das Bahnnetz ausweiten! Wir wollen ein Bahnsystem, das die Menschen zuverlässig und zügig in jede Region unseres Landes bringt. Dazu wollen wir die Mittel für den Neu- und Ausbau des Eisenbahnnetzes von derzeit 1,5 auf 2,5 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen. So kann der Deutschland-Takt schnell etabliert werden. Bis 2030 wollen wir die Streckenelektrifizierung von heute 60 auf 75 Prozent erhöhen.
- Fahrgäste in den Mittelpunkt! Bahnfahren muss zuverlässig, pünktlich, bequem und familienfreundlich werden – und zwar ohne jeden Zweifel. Im Regionalverkehr zeigt sich, dass mit mehr Wettbewerb auf der Schiene auch das Angebot besser wird. Das muss daher auch im Fernverkehr das Ziel einer Bahnreform sein. Ticketpreise für Bahnreisen wollen wir (unter anderem durch Absenkung der Trassenpreise) dauerhaft senken und das Preissystem transparenter und einfacher gestalten.
- Die Bahn digitalisieren und modernisieren! Noch immer verrichten Stellwerke aus Kaisers Zeiten ihren Dienst. Wir wollen mit einem Sonderprogramm zur Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik nach dem ETCS das Bahnnetz in die Zukunft führen. Allein dadurch kann die Kapazität des Netzes um 20 Prozent gesteigert werden und der Sicherheitsstandard auf einheitliches europäisches Niveau gehoben werden. Weiterhin brauchen wir eine Forschungs- und Entwicklungsinitiative, um Betriebsabläufe im Schienengüterverkehr weitgehend zu automatisieren.
- Fairen Wettbewerb ermöglichen! Der Straßengüterverkehr muss seine gesellschaftlichen Kosten künftig voll tragen – dazu wollen wir die Lkw-Maut auf mehr Straßen ausweiten und Lärm und CO2-Ausstoß in die Mautsätze einbeziehen. Im Gegenzug muss die Nutzung der Trassen im Schienengüterverkehr günstiger werden. Kerosin gehört auf allen Inlandsflügen endlich besteuert.