Für ein Wahlrecht ab 16

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Mei­ne Frak­ti­ons­kol­le­gin­nen Brit­ta Has­sel­mann (links im Bild), Bea­te Wal­ter-Rosen­hei­mer und ich spra­chen mit Rosa Teves und Paul Stro­b­ach. Bei­de gehö­ren zu ins­ge­samt 14 Jugend­li­chen, die für ein Wahl­recht ab 16 vor das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt gezo­gen sind.

30.01.2020

Gespräch mit klagenden Jugendlichen

Unter­stützt durch den Ver­ein „Mehr Demo­kra­tie“ zie­hen 14 Jugend­li­che vor das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, um das Wahl­recht für 16- und 17-Jäh­ri­ge durch­zu­set­zen. Gemein­sam mit Frak­ti­ons­kol­le­gin­nen traf ich mich mit zwei der jun­gen Kla­gen­den.

Paul Stro­b­ach und Rosa Teves sind 17 bzw. inzwi­schen 18 Jah­re alt. Rosa war schon bei der Bun­des­tags­wahl 2017 ent­täuscht, dass sie nicht wäh­len durf­te, obwohl sie sich ger­ne betei­ligt hät­te. Über ein Schul­re­fe­rat und einen ers­ten Kon­takt mit „Mehr Demo­kra­tie e. V.“ wur­de ihr klar, dass sie sich das bei der Euro­pa­wahl 2019 nicht noch ein­mal ein­fach so gefal­len las­sen woll­te. Sie leg­te Beschwer­de dage­gen ein, dass man sie nicht ins Wäh­ler­ver­zeich­nis auf­neh­men woll­te. Damit war der Weg bis hin zur Kla­ge beschrit­ten. Bei Paul war es ähn­lich: Er hat­te im Radio davon gehört, dass voll­be­treu­te Men­schen mit Behin­de­rung nun wäh­len dür­fen. Pri­ma, dach­te er sich, dann kann es doch kei­nen Grund mehr geben, ihn von der Wahl aus­zu­schlie­ßen. Er woll­te sich – wie auch Rosa – ins Wäh­ler­ver­zeich­nis ein­tra­gen las­sen und leg­te Ein­spruch ein, als ihm dies ver­wehrt wur­de. Schließ­lich beschritt auch er den Weg der Kla­ge. Bis zum Urteil kön­nen Jah­re ver­ge­hen. Da geben sich die bei­den kei­ner Illu­si­on hin. In unse­rem Gespräch brach­ten bei­de zahl­rei­che Argu­men­te für die Her­ab­set­zung des Wahl­al­ters vor. Ein Aspekt: Das poli­ti­sche Inter­es­se wird (früh­zei­ti­ger) geweckt, wenn die Schu­le mit Bil­dungs­an­ge­bo­ten unter­stüt­zend wir­ken kann. Ein wei­te­res Argu­ment: Es geht in beson­de­rer Wei­se um die Zukunft der jun­gen Gene­ra­ti­on – daher soll­te sie mehr demo­kra­ti­sche Mit­spra­che­mög­lich­kei­ten erhal­ten. Poli­ti­sches Inter­es­se ist nach ihrer Ein­schät­zung kei­ne Fra­ge des Alters. Jeden­falls begin­ne es bei vie­len bereits vor der Voll­jäh­rig­keit, wäh­rend es auch 60-Jäh­ri­ge gäbe, die kein Inter­es­se hät­ten und wenig infor­miert sei­en – aber wäh­len dürf­ten. Unter Jugend­li­chen, so sehen es die bei­den, sei das Inter­es­se an Poli­tik gestie­gen: Stich­wor­te Upload­fil­ter und Fri­days for Future. Wie aus­ge­prägt ist das poli­ti­sche Inter­es­se in ihrer Alters­grup­pe? 20, viel­leicht auch 30 Pro­zent sei­en stark inter­es­siert und jeder Zehn­te gar nicht. Dazwi­schen wür­den sich vie­le der Gleich­alt­ri­gen bewe­gen, die sich spe­zi­fisch für bestimm­te oder spo­ra­disch für aktu­el­le poli­ti­sche The­men inter­es­sier­ten.

Hin­ter­grund zur Kla­ge: Mit einer Wahl­prü­fungs­be­schwer­de gegen die Euro­pa­wahl und dem vor­aus gegan­ge­nen – inzwi­schen abge­lehn­ten – Ein­spruch der Jugend­li­chen, weil die­se auf­grund ihres Alters noch nicht wäh­len durf­ten, wird das Ziel einer Absen­kung des Wahl­al­ters ange­strebt. Es wird gegen die EU-Wahl geklagt, weil im Grund­ge­setz das Wahl­al­ter ledig­lich für die Bun­des­tags­wahl auf 18 Jah­re fest­ge­legt ist. Für EU-Wah­len sieht das Grund­ge­setz kei­ne Alters­ein­schrän­kung vor. „Ent­schei­dend dafür, ob jemand wäh­len darf oder nicht, ist sei­ne Ein­sichts- und Urteils­fä­hig­keit. Die kann bei 16- und 17-Jäh­ri­gen vor­aus­ge­setzt wer­den“, so die Pro­zess­ver­tre­ter. Dass der Bun­des­tag im Juni 2019 den Aus­schluss voll­stän­dig betreu­ter Men­schen von EU- und Bun­des­tags­wah­len abge­schafft hat, wird als wei­te­res Argu­ment ange­führt: „Der Bun­des­tag gesteht allen voll­jäh­ri­gen Per­so­nen das Wahl­recht zu, unab­hän­gig davon ob sie ein­sichts- und urteils­fä­hig sind. „Mehr Demo­kra­tie“ weist dar­auf hin, dass 16-Jäh­ri­ge sich in elf Bun­des­län­dern an Kom­mu­nal­wah­len und in vier Län­dern an Land­tags­wah­len betei­li­gen dür­fen. Der Ver­band weist außer­dem dar­auf hin, dass die Erst­wahl mög­lichst in die Schul­zeit lie­gen soll­te, wo die Jugend­li­chen inten­si­ver auf ihre ers­te Wahl vor­be­rei­tet wer­den kön­nen.

Für uns als Grü­ne im Bun­des­tag ist die früh­zei­ti­ge Par­ti­zi­pa­ti­on von Kin­dern und Jugend­li­chen schon lan­ge ein zen­tra­les Anlie­gen. Das Wahl­al­ter auf 16 Jah­re her­ab­zu­sen­ken ist dabei ein Ele­ment. In der letz­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode haben wir hier­zu einen umfas­sen­den Antrag gestellt. Hier eini­ge zusam­men­ge­fass­te Aus­zü­ge dar­aus:

„Kin­der und Jugend­li­che stel­len in der altern­den Gesell­schaft eine quan­ti­ta­tiv und rela­tiv zur übri­gen Bevöl­ke­rung klei­ner wer­den­de Grup­pe. Um den Aus­gleich zwi­schen den Gene­ra­tio­nen zu bewah­ren ist es zen­tral, die Inter­es­sen von Kin­dern und Jugend­li­chen zu berück­sich­ti­gen, sie arti­ku­la­ti­ons­stark zu machen und ihre Mit­wir­kungs- und Par­ti­zi­pa­ti­ons­mög­lich­kei­ten aus­zu­bau­en. Die Sen­kung des Wahl­al­ters auf allen poli­ti­schen Ebe­nen ist dabei ein wich­ti­ges Ele­ment. Das Wahl­recht ab 16 ist dar­über hin­aus ein kla­res Signal unse­rer Gesell­schaft an die jun­ge Gene­ra­ti­on, dass sie von zen­tra­len poli­ti­schen Zukunfts­ent­schei­dun­gen nicht wei­ter­hin aus­ge­schlos­sen sind. Mit der Her­ab­set­zung des Wahl­al­ters wird den Jugend­li­chen Ver­trau­en in ihr Urteils­ver­mö­gen und ihre poli­ti­sche Wil­lens­bil­dung zuge­stan­den und sie in ihrer Betei­li­gung gestärkt und ermu­tigt. Wer in frü­hen Jah­ren Par­ti­zi­pa­ti­ons- und Selbst­wirk­sam­keits­er­fah­run­gen sam­melt, betei­ligt und enga­giert sich zudem häu­fig auch im wei­te­ren Lebens­lauf. Dar­um ist es von zen­tra­ler Bedeu­tung, demo­kra­ti­sche Wer­te und Rech­te von klein an ver­mit­telt zu bekom­men und erleb­bar zu machen: In der Kin­der­ta­ges­stät­te, in der Schu­le und Jugend­ein­rich­tung, im Aus­bil­dungs­be­trieb oder an der Hoch­schu­le.

Die UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on und die UN-Grund­rech­te­char­ta haben star­ke Par­ti­zi­pa­ti­ons­rech­te for­mu­liert, deren Prin­zi­pi­en jedoch in Deutsch­land nicht voll­stän­dig umge­setzt sind.“

Zu den kon­kre­ten For­de­run­gen zäh­len das Wahl­recht ab 16 (auf Lan­des­ebe­ne müs­sen dar­über die Län­der befin­den), die Stär­kung der poli­ti­schen Bil­dung und ins­be­son­de­re auch der Medi­en­bil­dung, die Stär­kung der Schü­le­rIn­nen­ver­tre­tun­gen (Auf­ga­be der Län­der) und ein Ver­bands­kla­ge­recht für aner­kann­te Trä­ger der Kin­der- und Jugend­ver­bän­de.

Bei jun­gen Men­schen poli­ti­sches Inter­es­se zu wecken und Poli­tik mög­lichst trans­pa­rent zu machen ist mir schon sehr lan­ge ein zen­tra­les, per­sön­li­ches Anlie­gen. Hier eine klei­ne Über­sicht über mei­ne Akti­vi­tä­ten:

- Besu­che in all­ge­mein­bil­den­den und beruf­li­chen Schu­len (pro­ak­tiv, nicht nur auf Ein­la­dung – so zuletzt in der Werk­re­al­schu­le Len­nin­gen)

- Besu­che in Jugend­ein­rich­tun­gen wie Jugend­häu­sern und auf dem For­schungs­schiff „Alde­ba­ran“ auf dem Boden­see mit Kin­dern und Jugend­li­chen

- Ein­la­dung von Schü­le­rin­nen und Schü­lern zu Bil­dungs­fahr­ten nach Ber­lin (bewusst hoher Anteil jun­ger Men­schen bei den Bil­dungs­fahr­ten)

- Prä­senz in den sozia­len Medi­en

- Unter­stüt­zung von „Jugend debat­tiert“

- Die Wan­der­aus­stel­lung „Der Deut­sche Bun­des­tag“ in Schu­len mei­nes Wahl­krei­ses geholt

- Spe­zi­el­le Ver­an­stal­tungs­for­ma­te im Wahl­kreis und mei­nen Betreu­ungs­wahl­krei­sen (ins­be­son­de­re das For­mat „Poli­tik & Piz­za“)

- Anbie­ten von Schü­ler­prak­ti­ka im Abge­ord­ne­ten­bü­ro und Beschäf­ti­gung von (der­zeit drei) stu­den­ti­schen Hilfs­kräf­ten