11.01.2018
Streckensperrungen durch umgestürzte Bäume müssen reduziert werden
Nachdem die Herbsttürme im Jahr 2017 das deutsche Bahnnetz zeitweise lahmgelegt haben, kam vielerorts der Umgang der Deutschen Bahn mit der Vegetation entlang der Gleise in den Fokus.
Nicht oder nur unzureichend zurückgeschnittene Äste und Bäume waren auf die Gleise gefallen. In Konsequenz mussten einige Strecken über Tage hinweg gesperrt werden. Allein durch die Sturmfolgen im Oktober 2017 fielen über 6.000 Züge aus, knapp 280.000 Fahrgäste waren betroffen. In einer Kleinen Anfrage hat die Grüne Bundestagsfraktion nachgehakt.
Der Deutschen Bahn gehören etwa 20.000 ha Wald und knapp 10 Prozent der Bahnstrecken führen durch Wald im Besitz der Deutschen Bahn. Für die Pflege und Kontrolle der Vegetation entlang der Bahnstrecken wendet die Deutsche Bahn erhebliche Mittel auf. Deutschlandweit arbeiten 1.080 DB-Beschäftigte in der Vegetationspflege, davon 500 Forstwirte. Im Jahr 2016 wurden von der DB 110 Millionen Euro für die Vegetationspflege von der Bahn verausgabt.
Inspektionen finden einmal jährlich statt, abwechselnd in belaubtem und unbelaubtem Zustand. Dabei hängt die Intensität der Vegetationskontrollen von der Streckenfrequenz, den dort zulässigen Geschwindigkeiten und von der Bedeutung der Strecke für Ballungsräume bzw. den Fernverkehr ab. Zusätzliche Kontrollen werden nach besonderen Witterungsbedingungen, wie zum Beispiel Stürme oder schwerer Schneefall, durchgeführt.
Diese Vorgehensweise ist jedoch offensichtlich nicht ausreichend, um Streckensperrungen durch umgestürzte Bäume zu verhindern. Im Jahr 2017 wurden bis einschließlich November 287 gefährliche Ereignisse mit Personenschäden oder Schaden am Zug durch umgestürzte Bäume vermerkt. Im Vorjahr waren es 219 und 2015 sogar 324 Ereignisse. Darüber, wie lange die Strecken auf Grund dieser Ereignisse jeweils gesperrt blieben, kann die Deutsche Bahn trotz expliziter Nachfrage keine Auskunft geben.
Erst kürzlich (9.1.2018) teilte die Städtebahn Sachsen mit, ihren Betrieb auf der Strecke zwischen Heidenau und Altenberg komplett einzustellen. Grund dafür waren Zusammenstöße mit umgestürzten Bäumen von drei unterschiedlichen Zügen an einem Tag – mit erheblichen Sachschäden. Erst wenn die Vegetation entlang der Strecke massiv zurück geschnitten sei, könne die Städtebahn Sachsen die Sicherheit der Fahrgäste wieder gewährleisten. Die Städtebahn schreibt: „Auf unseren Strecken rund um Dresden ist fast keinerlei Vegetationsrückschnitt erfolgt und unsere Fahrgäste (…) sind zunehmend der Gefahr eines (…) massiven Zusammenpralls mit erheblichen Sachschäden, ggf. sogar mit Todesopfern ausgesetzt. Seit einem Jahr versuchen wir vergeblich die Thematik nachhaltig bei der DB Netz AG zu platzieren.“
Die Deutsche Bahn hat bundesweit Strecken identifiziert, auf denen sich sogenannte ‚Baumstürze‘ häufen. Ab 2018 soll das Vegetationskonzept der DB besonders mit Hinblick auf den Klimawandel und die zu erwartende Häufung von Extremwetterereignissen angepasst werden. Dazu gehört wohl, dass die Bahn künftig den „V‑Schnitt“ anwenden möchte, bei welchem die Büsche und Bäume niedriger gehalten werden, je näher sie am Gleis stehen. So wird verhindert, dass Bäume, wenn sie einem Sturm (oder der Schneelast) nicht standhalten, auf die Gleise stürzen. Die Schweizer Bundesbahn wendet die Vorgehensweise bereits seit Jahren an.
Schwierig dürfte die Vegetationskontrolle und Pflege dennoch bleiben, besonders dort wo die Grundstücke in Privatbesitz sind und somit außerhalb der Befugnisse der Deutschen Bahn. Pikant ist, dass sich die Regelungen der Vegetationskontrolle am Rande von Straßen und Schienen unterscheiden. Im Vergleich sind die Regelungen entlang Bundesfernstraßen wesentlich restriktiver. Dort müssen Eigentümer die Beseitigung potentiell gefährlicher Vegetation dulden. Entlang der Schiene muss die Deutsche Bahn bzw. die Eisenbahnaufsichtsbehörde einen Antrag stellen.
Es kann jedoch nicht angehen, dass der Schutz der Bahnstrecken anders gehandhabt wird als die Straßensicherheit. Die Bahn sollte nicht schlechter gestellt sein als der Autoverkehr.
Mein Statement:
„Der Schutz von Bahnstrecken vor Baumstürzen sollte nicht anders gehandhabt werden als bei Straßen. Es kann nicht sein, dass die Sicherheit der Bahn-Fahrgäste weniger wert ist als die Straßensicherheit. Die Bemühungen der Bahn, die Schäden durch umstürzende Bäume, einzudämmen, waren bisher offensichtlich nicht erfolgreich. Die Bundesregierung und die Deutsche Bahn müssen ihre Bemühungen deutlich intensivieren und für einen verlässlichen Bahnverkehr sorgen. Es darf nicht sein, dass die Bahn schlechter gestellt wird als der Autoverkehr. Bahnreisende dürfen nicht mehr Reisende zweiter Klasse sein.“