16.12.2015
Weiter Ärger um die Rheintalbahn: Sechs Monate hatte die große Koalition Zeit, aus den Empfehlungen des Projektbeirates vom Juni einen Antrag zu schmieden. Leider wurde die Zeit nicht genutzt.
Der Projektbeirat, der von Bund und Land eingesetzt war, hat im Juni 2015 für den Ausbau der Rheintalbahn seine Empfehlungen ausgesprochen. Wesentliche Bestandteile sind ein rund sieben Kilometer langer Güterzugtunnel in Offenburg (hierzu muss allerdings angemerkt werden, dass eine oberirdische Trassierung sich als nicht genehmigungsfähig erwiesen hat), eine zweigleisige Güterzugtrasse entlang der Autobahn zwischen Offenburg und Riegel sowie ein verbesserter Lärmschutz zwischen Hügelheim und Auggen.
Das Versagen der GroKo: Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte sich vor Wochen mehrfach in persönlichen Gesprächen sowie schriftlich an die CDU/CSU- sowie die SPD-Fraktion gewandt mit der Bitte, die Empfehlungen des Projektbeirates in einem gemeinsamen Antrag aufzugreifen und gemeinsam einen Beschluss des Bundestages herbeizuführen. Trotz mehrfachen Nachfragens haben wir auf unsere Bitte keine Antwort erhalten. Über Umwege haben wir erfahren, dass zumindest die Unionsfraktion den Antrag nicht mit uns als Opposition stellen möchte. Über die Presse wurde wir aufgefordert, im Bundestag einfach dem Koalitionsantrag zuzustimmen. Im Landtag von Baden-Württemberg lief das ganz anders: Grün-Rot hat selbstverständlich mit den beiden Oppositionsfraktionen von CDU und FDP gemeinsam einen Antrag in den Landtag eingebracht. Darin hatten alle vier Landtagsfraktionen die Landesregierung beauftragt, den freiwilligen Finanzierungsanteil des Landes für den verbesserten Lärmschutz im Landeshaushalt bereitzustellen. Nachdem klar war, dass sich die GroKo nicht auf einen gemeinsamen Antrag einlassen wird, haben wir Grünen einen eigenen Antrag geschrieben, von den Fraktionsgremien beschließen lassen und in den Bundestag eingebracht. Eine Debatte und Abstimmung hatten wir für die Plenarsitzung vorgesehen, für den die GroKo ihren Antrag angekündigt hatte. Doch wir mussten feststellen, dass die GroKo überhaupt keinen Antrag hatte! Sie hatte einen solchen zwar für einen bestimmten Sitzungstag angekündigt, jedoch nicht geliefert! Die Aufsetzung unseres (grünen) Antrages hat die GroKo – im parlamentarischen Alltag ungewöhnlich – mit ihrer übergroßen Mehrheit verhindert. Der einzige vorliegende Antrag wurde also weder debattiert noch abgestimmt. Stattdessen kündigten die Koalitionsfraktionen für die folgende Sitzungswoche – zwei Wochen später – ihren Antrag an. Dass das Thema “Rheintabahn” zu Beginn der Sitzungswoche (noch) nicht auf der Tagesordnung vorgesehen war, verhieß schon nichts Gutes. Zwei Tage vor dem zugesagten Sitzungstag wurde dann klar: Die große Koalition hatte sich noch immer auf keinen gemeinsamen Antrag verständigt. Stattdessen haben sich beide Koalitionsfraktionen gegenseitig beharkt und mit Vorwürfen überzogen. Dabei wurde auch die Unkenntnis zentraler Sachverhalte deutlich. An dieser Stelle ist mir eine nochmalige Klarstellung wichtig: Der Offenburger Güterzugtunnel, die teuerste Kernforderung des Projektbeirates, ist genau genommen kein Zugeständnis an den Projektbeirat oder die Bevölkerung, sondern die einzige genehmigungsfähige Variante einer Güterzugtrasse durch Offenburg. Es handelt sich also ausdrücklich um keinen Präzedenzfall!
Fazit: Die GroKo hat es in sechs Monaten nicht zustande gebracht, sich auf einen gemeinsamen Antrag für den menschen- und umweltgerechten Ausbau der Rheintalbahn zu verständigen. Stattdessen beharkt sie sich mit gegenseitigen Vorwürfen. Eindrucksvoller kann eine Regierungskoalition ihre Unfähigkeit nicht unter Beweis stellen. Leider geht all dies zu Lasten der lärmgeplagten Anwohner und der Fahrgäste.
Presseerklärung
Kerstin Andreae/Matthias Gastel: Wer sich beim Schienenlärm auf die GroKo verlässt, ist verloren
Zum bislang im Bundestag wieder nicht aufgesetzten Tagesordnungspunkt „Rheintalbahn“ und dem Streit hierzu in der großen Koalition erklären Kerstin Andreae, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und Matthias Gastel, Sprecher für Bahnpolitik:
„Die große Koalition führt die von Schienenlärm betroffenen Menschen an der Nase herum. Trotz mehrfacher öffentlicher Ankündigungen eines Antrages streitet sich die Koalition weiterhin über den Ausbau der Rheintalbahn. Anstatt den Menschen im Rheintal und anderen betroffenen Regionen endlich wie versprochen verlässlich zu helfen, trägt die Koalition lieber parteipolitische Scharmützel aus.
In Baden-Württemberg führte die Landesregierung einen fraktionsübergreifenden Landtagsbeschluss zum Ausbau der Rheintalbahn herbei. In Berlin kann sich die große Koalition nicht mal unter sich einigen. Eine Beteiligung der Opposition an der Erarbeitung des Antrags wurde trotz unserer Angebote von vornherein abgelehnt. Zu allem Überfluss blockiert die große Koalition außerdem, dass ein Antrag der Grünen zur Rheintalbahn auf die Tagesordnung des Plenums gelangt. Das ist kleinkarierte Parteipolitik auf Kosten der Menschen in Deutschland.
Die große Koalition muss endlich den Weg frei machen für die Umsetzung der Projektbeiratsbeschlüsse. Sie hatte hierfür seit Juni Zeit. Wenn sie schon selbst nicht in der Lage ist, einen Antrag zu formulieren, dann sollte sie wenigstens nicht länger die Befassung der Anträge anderer Fraktionen blockieren.“