05.02.2015
Von Grundrechten, Gefahren durch Fanatismus, PEGIDA, diffusen Ängsten und Verschwörungstheorien
Die furchtbare Gewalt in Paris hat uns einmal mehr die Verletzlichkeit unserer Werte vor Augen geführt. Unsere Grundrechte sind im Grundgesetz niedergeschrieben und dort mit der Ewigkeitsgarantie versehen. Wirklich garantiert werden können diese Grundrechte aber nicht durch das Papier, auf dem sie geschrieben stehen, sondern nur durch das entschiedene Eintreten der Gesellschaft und möglichst vieler ihrer Bürgerinnen und Bürger. Das Werben und Überzeugen für unsere Demokratie und den Rechtsstaat mit seinen Freiheitsrechten gehört daher zur fortwährenden Aufgabe von Politik und Bildungssystem – und jedem Einzelnen. Ganz oben steht dabei der Einsatz für die Pressefreiheit. Das, was manche für „Lügenpresse“ halten, ist vielmehr Ausdruck des Pluralismus – und sicher auch einer sich schnell verändernden Welt, in der es immer seltener einfache Lösungen geben kann. Daher bin ich sehr froh über die Wahl zum „Unwort des Jahres“, weil die freie Presse einen Teil und zugleich eine wesentliche Stütze unserer Grundwerte darstellt.
Immer wieder muss bei der Verteidigung dieser Errungenschaften darauf geachtet werden, dass diese zu ihrem vermeintlichen Schutz nicht ausgehöhlt werden – siehe die wieder aufgeflammte Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung. Der richtige Weg ist vielmehr eine solide, rechtsstaatliche und auch personell gut ausgestatte Polizeiarbeit. Nach den Anschlägen in Paris gilt es auch im Umgang mit dem Islam besonnen zu reagieren. Bundestagspräsident Lammert hat es in seiner Gedenkrede sehr passend zum Ausdruck gebracht: „Unser Gegner ist nicht der Islam. Unser Gegner ist der Fanatismus“.
Das muss für alle Ausprägungen von Fanatismus gelten. Auch für die Islamophobie. Auch diese muss uns Sorgen machen, zumal sich in den vergangenen Wochen Zehntausende auf PEGIDA-Demonstrationen versammelt haben und ein Teil davon ihre Angst vor dem Islam zum Ausdruck gebracht haben. Die Beweggründe dieser Menschen sind aber vielfältig – und oftmals diffus. „Die Politiker interessieren sich nicht für die Probleme der Bürger“ oder „Mit uns redet niemand“. So war es immer wieder zu hören. Also bin ich mal hin und habe mich am Zugang zum Berliner Ableger der PEGIDA-Demo, der „Bägida“, aufgestellt. „Guten Tag, ich bin Abgeordneter des Bundestages und mich interessieren Ihre Gründe, weshalb Sie PEGIDA unterstützen.“ Wer glaubt, dass die Pegidisten ihre Chance nutzten und von ihren Gründen erzählten, hat sich jedoch getäuscht. Die meisten schüttelten den Kopf, erwiderten „kein Kommentar“ oder – auch das bekam ich zu hören -„Sagt dem nichts, der nette Mann ist sicher verkabelt“. Einige Stichworte und kurze Dialoge gab es dann aber doch. Einer rief mir zu „Reichen 17 Tote nicht, wollen Sie noch mehr?“ und verschwand hinter den Absperrgittern. Ein junger Mann erzählte mir, man werde „oft von Leuten angemacht, die dem Islam angehören“. Auf meine Frage, woran man denn erkenne, dass diese Leute dem Islam angehören erwiderte er „Weil sie einen anmachen“. Ein etwas längeres Gespräch kam mit einem anderen jungen Mann zustande. Er habe Bücher über den Islam gelesen. Der Islam, so der Pegida-Anhänger, sei vom US-Geheimdienst installiert worden. Deutschland und andere Länder sollen nämlich nicht zu stark werden. Wie wenn der Mann schon ahnte, was ich denke, sagte er noch „ich weiß, das klingt nach Verschwörungstheorie. Ist aber keine“. Das Erschreckende: Diese Version bekam ich in verschiedenen Zusammenhängen in den letzten Tagen immer wieder zu hören. Mein Fazit: Unter den Anhängern der PEGIDA wird vereinfacht und verallgemeinert. Es werden die für das rechte Spektrum typischen Vorurteile gepflegt. Und die Pegidisten sind in ihrer großen Mehrheit weder am Dialog noch an der Lösung von Problemen interessiert. Da ist es gut zu wissen: Nahezu überall – die einzige Ausnahme war Dresden – überwog die Anzahl der Gegendemonstranten deutlich. Damit sind die Mehrheitsverhältnisse geklärt.
Nach nur wenigen Wochen hat sich die PEGIDA-Bewegung inzwischen selbst zerlegt. Diejenigen, die glaubten, sie seien das Volk und wüssten genau, was dieses Volk wolle, sind sich in zentralen Fragen noch nicht einmal untereinander einig. Diese Uneinigkeit innerhalb der politischen Rechten ist ein großes Glück für unsere Demokratie.