Sehr geehrter Herr Kirchner, sehr geehrte Damen und Herren,
mit der Affäre Pofalla und den kontroversen Bewertungen von 20 Jahre Bahnreform steht die Bahnpolitik plötzlich heftig im Fokus öffentlicher Diskussionen.
Die Affäre Pofalla wirkt wie ein Schlaglicht auf verschiedene Punkte: Was ist das eigentlich für ein merkwürdiges Unternehmen, das Bundestag und Bundesrat vor 20 Jahren geschaffen haben? Nach Belieben handelt es sich mal um ein Unternehmen in privater Rechtsform, mit dem die Politik nichts zu tun haben möchte und mal handelt es sich um ein Unternehmen in Staatshand, auf das insbesondere vom Kanzleramt Einfluss genommen wird, bspw. zugunsten prestigeträchtiger Großprojekte.
Ist das die Antwort auf die spannenden Fragen: Wie bekommen wir mehr Wettbewerb? Wie bekommen wir mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene?
Wir Grünen meinen klar: Nein!
Mehr denn je ist ein kritischer Diskurs nötig: Wir brauchen eine neue Debatte über Bahnpolitik. Zumal Bahnchef Grube vor wenigen Tagen einen massiven Sanierungsstau bekanntgegeben hat. Das Netz vergammelt, insbesondere Brücken und Tunnel sind dringend sanierungsbedürftig. Zudem bestehen Personalengpässe, Züge befinden sich oft in schmuddeligem Zustand und beim Lärmschutz und der Barrierefreiheit bestehen massive Nachholbedarfe
Insofern ist sowohl der Zeitpunkt als auch der Umstand an sich, zu dem die Deutsche Bahn AG einen Vorstandsposten für Politik-Lobbying schaffen will, mehr als fragwürdig. Ich bin gespannt, ob Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat einem zusätzlichen Vorstandsressort zustimmen werden und hoffe, dass die EVG sich auch dem jetzt begonnenen „Spiel auf Zeit“ verweigert.
In der Bahn-Debatte sollte die EVG eine wichtige Rolle spielen, weil sie – die größte Bahngewerkschaft – sich als Gewerkschaft aller Eisenbahner verstehen kann.
Als unser gemeinsames Ziel sehe ich die Stärkung des Verkehrsträgers Schiene, vor allem durch Investitionen in den Erhalt der Infrastruktur statt in Prestigeprojekte wie S 21. Unsere Unterstützung gibt es auch für den klaren Vorrang der umwelt- und klimafreundlichen Verkehrsmittel Bahn, ÖPNV und Fahrrad in der Haushaltsplanung und eine Nachfolgeregelung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG), wofür die Zeit drängt.
In diesem Sinne freue ich mich auf einen künftigen regen Austausch!