Die Klimakrise mit ihren steigenden Temperaturen drängt den alpinen Wintersport immer weiter zurück. Auch für Almhütten und Wanderwege nehmen die Probleme zu. Darüber habe ich mich vor Ort in Berchtesgaden in zahlreichen Gesprächen mit Fachleuten informiert.
„Der alpine Skibetrieb hat am Jenner keine Zukunft mehr.“ So lautete eine Mitteilung der Berchtesgadener Bergbahn vor einigen Monaten. Im Jahr 2019 Jahren war noch kräftig in eine neue Bahn und weitere Beschneiungsanlagen investiert worden. Das Land Bayern hatte 10 Millionen Euro zugeschossen.[1] Am 19. Februar 2024 war Schluss mit einer jahrzehntelangen Skitradition – früher als geplant. An Weihnachten 2022 waren im Tal 18 Grad gemessen worden. Der Präsident des Deutschen Alpenvereins verwies darauf, dass es unter 1.500 Meter schlecht aussehen würde.[2] Auch in Österreich, wo die Skigebiete höhere Lagen aufweisen, wachsen die Probleme. Der Tourismusforscher Robert Steiger verwies auf Klimamodelle, wonach die Schneefallgrenze bis zum Jahr 2050 um weitere 200 Meter steigen dürfte. Schneesicherheit sei immer häufiger nur mit aufwändiger künstlicher Beschneiung sicherzustellen. Monika Bandi von der Forschungsstelle Tourismus an der Universität Berlin sieht Chancen für den Alpentourismus im Sommer, wenn mehr Menschen den heißen Sommern etwas ausweichen wollen.
Seine Chancen nutzt Berchtesgaden und hat ein neues Winter-Konzept vorgelegt: „Vom einstigen Skigebiet für Könner wird der Jenner zum Erlebnisberg für alle.“ Aufgewartet wird mit neuer Naturschnee-Rodelbahn (bestehende Rodelbahn wird näher an den Gipfel verlegt), neu beschilderter Schneeschuhroute und gewalztem Winderwanderweg. Ab dem 30. November 2024 sollen in den Berggondeln erstmals hauptsächlich Gäste zum Rodeln, Wandern und Naturbeobachten auf den Gipfel gebracht werden. Auf das Präparieren von Skipisten wird verzichtet. Man mache sich zunehmend wetterunabhängig, so die Berchtesgadener Bergbahn AG.[3] Ganz so groß, wie es klingen mag, sind die Umstellungen aber womöglich gar nicht: 70 Prozent der Wintergäste seien schon bisher „Fußgänger und keine Alpin-Skifahrer“ gewesen. Vermehrte Wärmeeinbrüche in der Weihnachtszeit und steigende Kosten für die Beschneiung und Präparierung hätten schon in den letzten Jahren zu weniger verkauften Skikarten gesorgt.[4]
Mein erster „Lokaltermin“ war eine Talwanderung mit einer Vertreterin des „Landesbund für Vogel- und Naturschutz“, der bayerischen Partnerorganisation des Naturschutzbundes (NABU). Sie berichtete beispielsweise, dass das Schneehuhn von manchen Südhängen der Berge verschwunden ist und sich in reduzierter Population auf die Nordseiten zurückgezogen hat. Der Königsee sei früher in vielen Wintern zugefroren und begehbar gewesen, zuletzt aber vor 17 Jahren. Gletscher seien weitgehend verschwunden. Auch der Blaueisgletscher sei erheblich kleiner geworden, kann aber derzeit noch seine (wohl zum Glück überschaubare) Funktion für die Wasserversorgung sicherstellen. Wir sprachen auch über den Waldumbau weg von der für Feuchtigkeit und Sturm anfälligen Fichte hin zu Tanne und Ahorn. Ein Thema war zudem das Hochwasser, das seit etwa 25 Jahren häufiger auftritt. Wir haben uns einen Bach angeschaut, der zur Vermeidung der Flutung von Gebäuden mit Mauern gesichert wurde.
Anschließend traf ich mich mit dem Vorsitzenden des „Zweckverbands Bergerlebnis Berchtesgaden“, im Hauptberuf Hotelier, und dem Leiter des Nationalparks Berchtesgaden. Die Schließung des Skiliftes am Jenner war demnach unvermeidbar, um eine Insolvenz abzuwenden. Die noch vor wenigen Jahren getätigten hohen Investitionen und die Beschneiung in tieferen Lagen waren von vornherein auch kritisch diskutiert worden. Die unmittelbaren Auswirkungen auf den Tourismus können aber als überschaubar bewertet werden. Die öffentliche Debatte hingegen kann den Eindruck vermittelt haben, dass es in der Region keinen Wintertourismus mehr geben würde. Dabei gibt es in den Wintern meist genügend Schnee, um beispielsweise Schneeschuhwandern anbieten zu können. Überdies gibt es noch Skilifte an anderen Bergen, deren Abfahrtspisten entweder an Nordhängen oder in höheren Lagen liegen. Zudem, so erfahre ich, spielt der Tourismus im Sommer ohnehin eine wesentlich größere Rolle als der im Winter. Die Tourismus-Strategie zielt auf Wanderer ab. Die Besucherlenkung erfolgt über Wege und eine einheitliche Beschilderung im Nationalpark. Der zunehmende Starkregen erfordert mehr Aufwand für die Pflege des Wegenetzes. Sehr vereinzelt kommt es vor, dass über die sozialen Medien sensible Orte gehypt werden, die dann zu deren Schutz gesperrt werden müssen. Bedauert wird, dass die durchschnittliche Übernachtungsdauer über einen längeren Zeitraum betrachtet auf vier Nächte gesunken ist. Positiv hingegen profitiert die Region davon, dass die Deutsche Bahn Berchtesgaden in ihr Tourismusangebot „Fahrziel Natur“ aufgenommen hat.
Mit einem der Führungskräfte des Deutschen Alpenvereins (DAV) habe ich eine Wanderung vom Bergsteigerdorf Ramsau aus unternommen. Der kleine Ort hat 1.700 Einwohner*innen, trägt das Prädikat „Heilklimatischer Kurort“ und setzte noch nie auf Massen- und Eventtourismus. Pläne für eine Bergbahn auf den Watzmann waren immer wieder aufgekommen, wurden jedoch verhindert.[5] Der DAV mit seinen 1,5 Millionen Mitgliedern (Tendenz steigend) hat sich der „Durchbrechung der touristischen Wachstumsspirale“ verschrieben und wirbt für den Verzicht auf neue großtechnische Erschließungen sowie für Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und der verkehrlichen Erschließung der „wertvollen Seitentäler bevorzugt mit öffentlichen Verkehrsmitteln.“[6] Während der Wanderung und dem anschließenden Mittagessen erfuhr ich mehr vom DAV: So sprachen wir über die Wasser- und Entsorgungsproblematik in den Berghütten wie der auf dem Watzmann. Wasser wird zunehmend eingespart werden müssen, da der Verbrauch zu hoch und die verfügbare Menge begrenzt ist. Der Aufwand für die Sicherung und Sanierung der Wanderwege steigt, wenngleich überschaubar. Man spürt die Veränderung des Klimas, bekam ich vom anerkannten Naturschutzverband zu hören. Ein besonders großes Thema ist der ÖPNV, um den Autoverkehr schon bei der Anreise zum Urlaubsort zu verringern. Ich war mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an- und abgereist und meine Termine habe ich zu Fuß oder mit dem Bus erreicht.[7] Die Bus- und Bahnanbindung ist auch ein Thema für die Bergsteigerdörfer. Strittig hingegen ist dort der Ausbau von Wind- und Wasserkraft.
Hoch hinauf führte mich der Weg zu meinem letzten Gesprächspartner, dem Vorstand der Berchtesgadener Bergbahn AG. Treffpunkt war auf der 1.800 Meter hoch gelegenen Bergstation der Jennerbahn. Diese Bahn mit ihren 10er-Kabinen war 2019 neu gebaut worden – ebenso ein Skilift („Jennerwiesenbahn“) und eine Beschneiungsanlage. Doch schon nach fünf Jahren ist es wieder aus mit dem Lift. Der Klimawandel ermöglicht zu wenige Schneetage, für die Beschneiung ist es häufig zu warm und der Aufwand ist zu hoch. Im letzten Winter war an gerade einmal 30 Tagen Skifahren möglich, trotz Beschneiung und Lage am Nordhang. Die wirtschaftliche Situation zwang den Betreiber, schnell eine Entscheidung zu treffen. Der hohe Aufwand bescherte dem Skilift keine zusätzlichen Skigäste, was auch am sehr steilen Hang liegen dürfte, der nur für Geübte befahrbar ist. Die Rodelbahn wird wegen der unsicheren Schneelage weiter nach oben auf dem Berg verlegt. In der Jennerbahn, die trotz Schwerpunkt im Sommer ganzjährig fährt, können weiterhin Ski mitgenommen werden.
Der zunehmende Schneemangel aufgrund steigender Temperaturen ist selbstverständlich kein Phänomen, das sich auf die (bayerischen) Alpen beschränkt. Auf der Schwäbischen Alb sind viele Skilifte längst stillgelegt. Im Feldberggebiet im Schwarzwald droht der Feldbergbahnen GmbH die Insolvenz. Zuletzt hieß es, einen weiteren milden Winter könne es nicht überstehen.[8] Übrigens gab es sogar mal ganz in der Nähe meines Wohnortes, nämlich in Musberg eine Skianlage. Dort fanden einst sogar Skisprungmeisterschaften statt.
Exkursion: Fragwürdige Trends im Tourismus
Kurz für einige Fotos in den alpinen Naturpark und dann schnell mit dem Auto oder dem Wohnmobil weiter? Ist das, worüber das „Greenpeace Magazin“ berichtet hat, ein echtes Phänomen?
Das Greenpeace Magazin hatte einen Bürgermeister, ein Hüttenwirtspaar, eine Tourismusdirektorin, einen Förster und einen Mitarbeiter eines Südtiroler Naturparks zu einem Gespräch versammelt. Dabei wurde darauf verwiesen, dass sich die Hälfte der Touristen nur ein bis zwei Stunden im Naturpark „Drei Zinnen“ aufhalten würden. Weniger Jahre zuvor seien es nur 15 Prozent gewesen, die kaum mehr als durchfuhren. Man wolle heute vielfach in kürzester Zeit so viel wie möglich sehen und fotografieren. Entsprechend hätte die Anzahl der Autos und Wohnmobile zugenommen, die trotz Maut für kaum mehr als einige Fotos hinaufführen. In der Werbung für den Tourismus in der Region spreche man gezielt ein Wanderpublikum an. Doch in den sozialen Medien, auf die man seitens der Tourismuswirtschaft keinen Einfluss habe, werde mit einzelnen, mit dem Auto erreichbaren Aussichtspunkten geworben.
Die Masse an Besuchern habe Auswirkungen auf die Fauna. Sogar immer mehr touristische Hubschrauberflüge gebe es. In den Hütten könne nicht die gewünschte Verpflegung gewährleistet werden, Wasser sei knapp und Abwasser ein Problem.
[1] Stuttgarter Nachrichten vom 20.02.2024
[2] Südkurier vom 19.03.2024
[3] Presseerklärung der Berchtesgadener Bergbahn AG vom 29.05.2024
[4] Münchener Merkur vom 10.02.2024
[5] Broschüre „Ramsau bei Berchtesgaden“, 2. Auflage 04/2020
[6] Grundsatzprogramm des DAV von 2013
[7] Meine Erfahrungen mit Bus & Bahn: Die An- und Abreise mit der Bahn waren wegen vieler Umstiege etwas umständlich und kosteten viel Zeit. Das Busangebot ist im Grundsatz gut, wird aber unzureichend kommuniziert. So zeigt der DB-Navigator „Preisauskunft nicht möglich“ an, obwohl es sich um DB-Busse handelt. Die digitalen Auskunftssysteme zeigen vermutlich nicht das gesamte Busangebot an. Die Busse waren pünktlich, sauber und wurden weit überwiegend gut genutzt. Einmal erlebte ich sogar, dass 16 Personen wegen Überfüllung nicht mehr in den Bus hineinkamen. Ich war von Sonntagabend bis Mittwochmorgen in einer Sommerferienwoche in Berchtesgaden, die Busse nutzte ich am Montag und Dienstag.
[8] Südkurier vom 01.08.2024