In Trippelschritten zu weniger Bahnlärm

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22.05.2020

Keine neuen Ziele

Dass Bahn­lärm ver­rin­gert wer­den muss ist Kon­sens. Der Bund hat sich das ehr­gei­zi­ge Ziel gesetzt, die Belas­tun­gen bis Jah­res­en­de zu hal­bie­ren. Auch der Koali­ti­ons­ver­trag ver­spricht so man­che Ver­bes­se­run­gen. Was ist dar­aus gewor­den? Das haben wir abge­fragt.

Im März 2020 lag der Anteil der „lei­sen“ Güter­wa­gen, die in Deutsch­land unter­wegs sind, bei 87 Pro­zent. Damit müs­sen noch 13 Pro­zent auf Brem­sen umge­rüs­tet wer­den, die die Räder weni­ger auf­rau­en und ein ruhi­ge­res Fah­ren ermög­li­chen. Aller­dings ist die euro­pa­recht­li­che Zulas­sung des Ver­bots lau­ter Güter­zü­ge offen­bar noch immer unge­klärt. Die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on hat 2019 den recht­li­chen Rah­men dafür geschaf­fen, dass „nicht­lärm­ar­me“ Güter­wa­gen auf bestimm­ten Rou­ten, den soge­nann­ten „quie­ter rou­tes“, ab Ende 2024 ver­bo­ten wer­den. Quie­ter rou­tes sind von den Mit­glieds­staa­ten gemäß vor­ge­ge­be­ner Kri­te­ri­en – vor allem der Zahl der Güter­zü­ge in den Nacht­stun­den – zu bestim­men und an die Eisen­bahn­agen­tur der Euro­päi­schen Uni­on (ERA) zu mel­den.

Wie wird fest­ge­stellt, ob es nach Ablauf die­ses Jah­res tat­säch­lich lei­ser ist? Die Bun­des­re­gie­rung sagt aus, dass eine Über­prü­fung der tat­säch­lich ein­ge­tre­te­nen Lärm­min­de­rung im kom­men­den Jahr durch die vor­han­de­nen Mess­stel­len mög­lich ist. Ob bzw. in wel­chem Umfang und mit wel­cher Sys­te­ma­tik dies erfol­gen wird sagt sie jedoch nicht.

Mit­tel wie­der nicht abge­ru­fen

In den letz­ten drei Jah­ren wur­den rund 100 Mil­lio­nen Euro an Lärm­schutz­mit­teln des Bun­des nicht ein­ge­setzt. Das sind etwa ein Fünf­tel der ver­füg­ba­ren Mit­tel, die dazu die­nen soll­ten, die Lärm­be­las­tung zu redu­zie­ren. Dies ist des­halb beson­ders skan­da­lös, weil im glei­chen Zeit­raum die Prei­se um „bis zu 70 Pro­zent“ gestie­gen sind. Dies bedeu­tet nichts ande­res, als dass in erheb­li­chem Umfang weni­ger Lärm­schutz rea­li­siert wer­den konn­te als eigent­lich geplant gewe­sen war! Hin­zu kommt, dass schon im Jahr 2016 zwi­schen Deut­scher Bahn und Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um ver­ein­bart wor­den war, dass die Vor­rats­pla­nung aus­ge­wei­tet wird, um den Mit­tel­ab­fluss zu ver­bes­sern. Nun wird für 2020 der voll­stän­di­ge Abruf der Mit­tel in Aus­sicht gestellt. Die Bun­des­re­gie­rung ver­spricht schon seit Jah­ren, den Mit­tel­ab­fluss zu ver­bes­sern. Bis heu­te hat sich die Lage nicht grund­le­gend ver­bes­sert. Der Auf­bau aus­rei­chen­der Pla­nungs­ka­pa­zi­tä­ten bleibt eine Dau­er­auf­ga­be im DB-Kon­zern.

Lärm­schutz­maß­nah­men der Zukunft

Hohe Lärm­schutz­wän­de sto­ßen aus städ­te­bau­li­chen Grün­den auf immer weni­ger Akzep­tanz. Es müs­sen also neue, inno­va­ti­ve­re Lärm­schutz­maß­nah­men gefun­den und ggf. kom­bi­niert wer­den. Eine Mög­lich­keit stel­len nied­ri­ge Lärm­schutz­wän­de dar, die näher an die Lärm­quel­le, also dicht ans Gleis, her­an­ge­rückt wer­den kön­nen. Lei­der hat die Bun­des­re­gie­rung auf unse­re Fra­ge, ob die Wirk­sam­keit nied­ri­ger Lärm­schutz­wän­de durch Mes­sun­gen über­prüft wur­de, nicht beant­wor­tet. Not­wen­dig ist, dass mehr geforscht wird. Doch mit einem For­schungs­vo­lu­men von etwas über 700.000 Euro in zwei Jah­ren wur­de sehr wenig in die Lärm­for­schung inves­tiert.

Obwohl nach­ge­wie­sen wur­de, dass mit der Auf­trags­for­schung „Inno­va­ti­ver Güter­wa­gen“ der Lärm­pe­gel um vier bis sie­ben Dezi­bel gesenkt wer­den kann und sich die Inves­ti­tio­nen auch betriebs­wirt­schaft­lich dar­stel­len las­sen, wur­de aus dem mit 60 Mil­lio­nen Euro aus­ge­stat­te­ten För­der­pro­gramm („Inno­va­ti­ons­prä­mie“) kein Geld abge­ru­fen. Die Bun­des­re­gie­rung muss sich fra­gen las­sen, wie das Pro­gramm so ange­passt wer­den kann, dass die erprob­ten und bewähr­ten Inno­va­tio­nen zur Lärm­re­du­zie­rung tat­säch­lich in den Markt kom­men. Hier könn­te eine „Abwrack­prä­mie“ für alte Güter­wa­gen anset­zen. So wür­den die Güter­bah­nen in der Kri­se unter­stützt, die Ver­kehrs­ver­la­ge­rung geför­dert und gleich­zei­tig der Lärm redu­ziert.

Ver­spre­chen aus dem Koali­ti­ons­ver­trag

Im Koali­ti­ons­ver­trag von Uni­on und SPD wur­den eini­ge Ver­ein­ba­run­gen fest­ge­hal­ten, die sinn­voll sind und von uns unter­stützt wer­den. Dazu gehört, dass es eine „Gesamt­lärm­be­trach­tung“ geben soll, statt wie bis­her die Beein­träch­ti­gun­gen durch ver­schie­de­ne Lärm­quel­len für sich zu betrach­ten. Doch aus der Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung wird deut­lich, dass eine Stu­die die nächs­te jagt. Das For­schungs­pro­jekt reicht bis 2023! Erst danach könn­te eine Metho­dik zur Gesamt­lärm­be­trach­tung ent­wi­ckelt und ange­wen­det wer­den. Sie soll­te end­lich ein­ge­führt wer­den. Auch bei der Defi­ni­ti­on von maxi­mal zuläs­si­gen „Ein­zel­schall­pe­geln“ kommt die Bun­des­re­gie­rung offen­bar nicht vor­an.

Neue Zie­le?

Das Ziel, bis Jah­res­en­de den wahr­ge­nom­me­nen Schie­nen­lärm zu hal­bie­ren, soll­te bald erreicht sein. Nun ist es wich­tig, sich neue Zie­le zu set­zen und die kon­kre­ten Maß­nah­men hier­für fest­zu­le­gen. Denn es wird ja nicht so sein, dass vom Bahn­be­trieb nir­gend­wo mehr gesund­heits­ge­fähr­den­de Belas­tun­gen aus­ge­hen.

Die Bun­des­re­gie­rung hat aller­dings noch kei­ne Ahnung, wel­che Lärm­schutz­zie­le sie für den Zeit­raum nach 2020 ver­fol­gen möch­te. Wenn nach der Umrüs­tung der Güter­wa­gen auf lei­se Brems­soh­len (LL-Soh­len), die Ende die­sen Jah­res abge­schlos­sen sein sol­len, umge­hend neue Zie­le mit geeig­ne­ten Maß­nah­men ange­packt wer­den sol­len, wird die Zeit knapp.

Mein Fazit:

Die Bun­des­re­gie­rung kommt bei der Redu­zie­rung des Bahn­lärms im deut­schen Schie­nen­netz nur lang­sam vor­an. Ein seit Jah­ren andau­ern­des Ärger­nis sind die nicht ver­aus­gab­ten Mit­tel für die Lärm­sa­nie­rung. In den Jah­ren von 2017 bis 2019 konn­ten von den rund 480 Mil­lio­nen Euro mehr als ein Fünf­tel nicht ver­baut wer­den. Jetzt rächt sich, dass die DB kei­ne aus­rei­chen­den Pla­nungs­ka­pa­zi­tä­ten mehr hat. Das hängt auch damit zusam­men, dass der Bund in frü­he­ren Jah­ren mit den Mit­teln knau­se­rig umge­gan­gen ist. Der Auf­bau aus­rei­chen­der Pla­nungs­ka­pa­zi­tä­ten bleibt eine Dau­er­auf­ga­be, die die Bun­des­re­gie­rung mit plan­ba­ren Zuwei­sun­gen absi­chern kann.

Erschre­ckend blank ist die Bun­des­re­gie­rung bei Lärm­schutz­zie­len nach 2020. Wenn die Umrüs­tung der Güter­wa­gen auf lei­se­re Brems­soh­len Ende des Jah­res abge­schlos­sen ist, darf der Bund die Hän­de nicht in den Schoß legen. Wir brau­chen für Fahr­zeu­ge wie Infra­struk­tur mit­tel­fris­tig erreich­ba­re neue Zie­le. Lärm soll­te mög­lichst gar nicht erst ent­ste­hen. Daher muss die Lärm­be­kämp­fung an der Quel­le anset­zen. Die ‚Inno­va­ti­ons­prä­mie‘, mit der die Bun­des­re­gie­rung die Anschaf­fung von Güter­wa­gen för­dern will, die deut­lich lei­ser sind als es die der­zei­ti­gen Grenz­wer­te vor­schrei­ben, erweist sich als Laden­hü­ter. Bis­her ist kein ein­zi­ger Euro in noch lei­se­re Güter­wa­gen geflos­sen. Ange­sichts der dis­ku­tier­ten Hil­fen zur Bewäl­ti­gung der Coro­na­kri­se for­dern wir eine Abwrack­prä­mie für alte Güter­wa­gen. Die Prä­mie gibt es nur, wenn jahr­zehn­tel­al­te Wag­gons durch Güter­wa­gen ersetzt wer­den, die lei­ser sind als es gesetz­lich vor­ge­schrie­ben ist. Damit kön­nen dröh­nen­de uralt-Güter­wa­gen ihren letz­ten Weg auf den Schrott­platz und in den Hoch­ofen antre­ten. Eine der­ar­ti­ge Abwrack­prä­mie hilft den Güter­bah­nen aus der Kri­se, stützt die Ver­kehrs­ver­la­ge­rung auf die Schie­ne und sorgt für deut­lich lei­se­re Güter­zü­ge, was Anwoh­ner von Bahn­stre­cken beson­ders zu schät­zen wis­sen.