(K)eine Verkehrsdrehscheibe am Flughafen

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18.01.2019

Vertaktungen häufig ungünstig

Der Ziel­fahr­plan 2030 für den Deutsch­land-Takt macht deut­lich: Mit vie­len Aus­sa­gen über die „Ver­kehrs­dreh­schei­be“ am Flug­ha­fen Stutt­gart wur­de aller Vor­aus­sicht nach zu viel ver­spro­chen.

Vor allem der Ver­band Regi­on Stutt­gart beschwört immer wie­der eine “Ver­kehrs­dreh­schei­be”, die dort ent­ste­hen sol­le. Man dür­fe nicht nur den Haupt­bahn­hof mit sei­nen acht Glei­sen (statt heu­te 16 Glei­se) sehen, son­dern müs­se sich auch die Flug­ha­fen­bahn­hö­fe hin­zu­den­ken, so der VRS. Was sicher sein dürf­te: Par­al­lel zum bestehen­den S‑Bahnhof ent­steht der Bahn­hof „3. Gleis“ und etwas ent­fernt davon, aber eben­so sehr tief gele­gen soll der „Fern­bahn­hof“, eine Aus­schlei­fung von der Neu­bau­stre­cke ent­lang der Auto­bahn, ent­ste­hen.

Vom Bund wur­de vor weni­gen Wochen der bun­des­wei­te Ziel­fahr­plan für die Umset­zung des Deutsch­land-Tak­tes vor­ge­legt. Er ent­hält alle Fern­ver­kehrs- und Regio­nal­ver­bin­dun­gen, die lang­fris­tig vor­ge­se­hen sind und in defi­nier­ten Kno­ten­bahn­hö­fen ver­tak­tet wer­den sol­len. Stutt­gart Haupt­bahn­hof ist als ein sol­cher Kno­ten­bahn­hof vor­ge­se­hen, die Bahn­hö­fe am Flug­ha­fen sind es nicht. Der Ziel­fahr­plan zeigt: Es zeich­nen sich am Flug­ha­fen nur teil­wei­se attrak­ti­ve Umstei­ge­mög­lich­kei­ten ab. Zwar ist der Ziel­fahr­plan noch kein end­gül­ti­ger Fahr­plan. All­zu gro­ße Ände­run­gen sind aber nicht zu erwar­ten, da der Fern­ver­kehr “bereits weit­ge­hend kon­so­li­diert wur­de”, so die Bun­des­re­gie­rung in ihrer Ant­wort auf eine Klei­ne Anfra­ge unse­rer Frak­ti­on. Aus dem Ziel­fahr­plan wer­den bun­des­weit Aus­bau­be­dar­fe im Bereich der Schie­nen­in­fra­struk­tur (Über­hol­glei­se, Stre­cken­be­schleu­ni­gun­gen, zusätz­li­che Bahn­steig­kan­ten in den Kno­ten­bahn­hö­fen etc.) abge­lei­tet.

Es fol­gen eini­ge Bei­spie­le, wie sich die Umstei­ge­si­tua­ti­on am Flug­ha­fen dar­stellt. Hier­bei ist zu beach­ten:

- die genann­ten Minu­ten­wer­te stel­len die Zeit­span­ne zwi­schen ankom­men­dem und abfah­ren­dem Zug dar

- teil­wei­se han­delt es sich nur um zwei­stünd­li­che Ver­bin­dun­gen

- bei der Ver­bin­dung von Mann­heim über Stutt­gart Haupt­bahn­hof zum Flug­ha­fen (zwei­stünd­lich) gibt es eine Wei­ter­füh­rung alter­nie­rend alle vier Stun­den nach Ulm und alle vier Stun­den nach Tübin­gen (dies ist der „best case“, da genaue­re Anga­ben dem Ziel­fahr­plan nicht zu ent­neh­men sind

- eine Umstei­ge­zeit von rund 10 Minu­ten dürf­te ange­sichts der zumeist not­wen­di­gen „Bahn­hofs­wech­sel“ als opti­mal gel­ten. Län­ge­re Umstei­ge­zei­ten ver­län­gern die Rei­se­zei­ten und machen damit die Bahn als Ver­kehrs­mit­tel unat­trak­ti­ver.

Von Zürich nach Fil­der­stadt 19 Minu­ten, nach Nür­tin­gen 21 (alle zwei Stun­den) bzw. 33 Minu­ten, nach Ulm 21 (alle zwei Stun­den) bzw. 56 Minu­ten, nach Würz­burg 59 Minu­ten und nach Mann­heim 41 Minu­ten.

Rei­sen­den aus Her­ren­berg und der Regi­on süd­lich davon, die in den Raum Tübingen/Reutlingen fah­ren wol­len, steht die attrak­ti­ve­re Vari­an­te über die Ammer­tal­bahn (Her­ren­berg – Tübin­gen) oder über die obe­re Neckar­tal­bahn (Horb – Tübin­gen) zur Ver­fü­gung.

Von Böb­lin­gen nach Fil­der­stadt 6 (knapp) bzw. 19 Minu­ten, nach Nür­tin­gen 8 (alle zwei Stun­den; knapp) bzw. 20 Minu­ten

Von Fil­der­stadt nach Zürich 17 Minu­ten, nach Nürtingen/Tübingen 17 Minu­ten, nach Ulm 22 Minu­ten bzw. 17 Minu­ten (alle zwei Stun­den), nach Würz­burg 25 Minu­ten und nach Mann­heim 7 Minu­ten (sehr knapp).

Hin­weis: Mit Rea­li­sie­rung eines Vier­tel­stun­den­tak­tes der S‑Bahn wür­den sich eini­ge der Umstei­ge­si­tua­tio­nen erheb­lich ver­bes­sern.

Von Ech­ter­din­gen nach Nür­tin­gen 14 Minu­ten, nach Ulm 7 Minu­ten (sehr knapp) bzw. 17 Minu­ten und 8/12 Minu­ten (abwech­selnd alle zwei Stun­den), nach Zürich 12 Minu­ten und nach Böb­lin­gen 12 Minu­ten.

Von Ulm nach Zürich 18 Minu­ten und nach Fil­der­stadt 21 Minu­ten bzw. 16 Minu­ten (bes­ten­falls alle zwei Stun­den).

Es zeigt sich, dass die Erwar­tun­gen, die mit dem Begriff einer „Ver­kehrs­dreh­schei­be“ viel­fach geweckt wur­den, nicht aus/in alle Rich­tun­gen erfüllt wer­den kön­nen.

Außer den stünd­li­chen Gäu­bahn-IC sol­len am Flug­ha­fen ein wei­te­rer Fern­zug im Stun­den­takt (Linie Würz­burg – Lin­dau) und zwei bis drei wei­te­re Fern­zü­ge im Zwei­stun­den­takt stop­pen. Unse­re Fra­ge, ob ICE am Flug­ha­fen­bahn­hof vor­ge­se­hen sind, ließ die Bun­des­re­gie­rung erneut unbe­ant­wor­tet. Im Ziel­fahr­plan wird nicht zwi­schen ICE und IC unter­schie­den, son­dern ledig­lich zwi­schen Fern­ver­kehr einer­seits und Regio­nal­ver­kehr ande­rer­seits.

Zwar kamen auf Initia­ti­ve der Regie­rungs-Grü­nen eini­ge posi­ti­ve Ver­än­de­run­gen am Zulauf (kreu­zungs­freie Rohrer Kur­ve) und auf dem Flug­ha­fen­are­al (3. Gleis statt Mit­nut­zung des S‑Bahnhofs durch die Gäu­bahn­zü­ge) zustan­de. Jedoch bezie­hen sich die­se Ver­bes­se­run­gen aus­schließ­lich auf die Infra­struk­tur und die Redu­zie­rung von Kon­flik­ten zwi­schen Fern- und Regio­nal­zü­gen einer­seits und den S‑Bahnen ande­rer­seits. Betrieb­lich sinn­vol­le­re Ver­knüp­fun­gen von Zügen erge­ben sich dar­aus nicht.

Hin­ter­grund­in­fo

Die Rech­nungs­prü­fer des Euro­päi­schen Rech­nungs­ho­fes ver­gli­chen euro­päi­sche Hoch­ge­schwin­dig­keits­pro­jek­te. Dabei fiel Stutt­gart 21 mit der ange­schlos­se­nen Neu­bau­stre­cke nach Ulm als mit Abstand inef­fi­zi­en­tes­tes Bahn­pro­jekt Euro­pas durch. Nach den Rech­nungs­prü­fern wür­de eine ein­ge­spar­te Minu­te Fahr­zeit zwi­schen Stutt­gart und Mün­chen 369 Mio. Euro kos­ten – und damit vier­mal so viel wie im EU-Durch­schnitt. Inso­fern müs­sen Umstei­ge­zei­ten, die län­ger sind als betrieb­lich not­wen­dig, beson­ders kri­tisch gese­hen wer­den. Erst Mil­li­ar­den zu inves­tie­ren, um mit (ener­gie­auf­wän­di­ger) Hoch­ge­schwin­dig­keit Fahr­zei­ten zu ver­kür­zen, dann aber die Fahr­gäs­te Zeit an Bahn­hö­fen ver­bum­meln zu las­sen, passt nicht zusam­men.