Kohleausstieg vor Ort unterstützt

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05.10.2018

Besuch beim Protest im Hambacher Wald

Der Ham­ba­cher Wald ist zum Sym­bol für die For­de­rung nach dem Koh­le­aus­stieg gewor­den. Ich habe die Pro­test­be­we­gung besucht – und mich an mei­nen Besuch im Koh­le­ta­ge­bau­ge­biet Garz­wei­ler erin­nert.

Vor fast fünf Jah­ren war ich zwei Tage mit Frak­ti­ons­kol­le­gen im RWE-Tage­bau Garz­wei­ler unter­wegs. Wir hat­ten uns damals mit Umwelt- und Natur­schüt­zern, einem Berg­scha­dens­ex­per­ten, Kon­zern­ver­tre­tern von RWE und Umsied­lern zu Gesprä­chen getrof­fen. Die Umsied­ler waren die letz­ten Ein­woh­ner eines einst schö­nen Dor­fes. Die­ses Dorf ist inzwi­schen ver­schwun­den. Damals hat­te ich geschrie­ben: „Noch schlim­mer kommt es für die Men­schen, deren Dör­fer dem Tage­bau im Wege sind. Wir haben Borsche­mich besucht. Der Ort hat­te einst rund 800 Ein­woh­ner. Jetzt sind es noch 50. An den meis­ten Häu­sern sind die Roll­lä­den geschlos­sen oder die Fens­ter mit Bret­tern zuge­na­gelt. Gebäu­de und Gär­ten wuchern zu. Aus vie­len Stra­ßen und Wegen sprießt Grün. Häu­ser zer­fal­len. Der Tage­bau ist bis auf 300 Meter an den Ort her­an­ge­rückt. Das Dröh­nen der Rie­sen­bag­ger ist über­all zu hören. Kaum mehr jemand ver­irrt sich hier­her. Alles wirkt gespens­tisch. Wir haben mit eini­gen der letz­ten Bewoh­ner des Ortes gespro­chen. So mit einem Mann, der ein gro­ßes, statt­li­ches Haus, bes­ser ein klei­nes Schloss mit eins­ti­gem Was­ser­gra­ben drum her­um, bewohnt. Für die­ses Haus kann es kei­nen adäqua­ten Ersatz geben. Dem Mann ist die Ver­zweif­lung deut­lich anzu­mer­ken.“

Nun war ich wie­der in der Regi­on. Dies­mal stand nicht die Infor­ma­ti­on über den Tage­bau, son­dern der Pro­test dage­gen im Vor­der­grund. Denn die Zeit ist reif für den Koh­le­aus­stieg! Es ist absurd, dass in Ber­lin in der Koh­le-Kom­mis­si­on (offi­zi­el­ler Name: „Wachs­tum, Struk­tur­wan­del und Beschäf­ti­gung“) über den Koh­le­aus­stieg ver­han­delt wird, wäh­rend vor Ort Fak­ten geschaf­fen wer­den.

Schlaf­sä­cke auf Bäu­men zeu­gen von geräum­ten Baum­häu­sern.

Was schon von Wei­tem auf­fiel war die hohe Poli­zei­prä­senz. Rund um den Ham­ba­cher Wald waren Poli­zei­pos­ten posi­tio­niert. Wer in den Wald woll­te, muss­te sich durch­su­chen las­sen. In mei­nem ers­ten Gespräch mit Poli­zei­an­ge­hö­ri­gen bekam ich mas­si­ve Kla­gen über das Ver­hal­ten von Demons­tran­ten und Beset­zern zu hören. Man sei mit Zwil­len und Stei­nen beschos­sen bzw. bewor­fen wor­den. Gut habe man die Baum­pflanz­ak­ti­on gefun­den. Nach­dem ich mich als par­la­men­ta­ri­scher Beob­ach­ter ange­mel­det hat­te führ­te mich mein Weg ins Pro­test­camp, wo ich eben­falls mei­ne Prä­senz anmel­de­te und nach den Pla­nun­gen für den Tag erkun­dig­te. Wei­ter ging es ins Wie­sen­camp, einer Art alter­na­ti­vem Cam­ping­platz mit alten Wohn­wa­gen und Lehm­hüt­ten, auf dem eine gan­ze Rei­he von Leu­ten teil­wei­se schon seit Jah­ren woh­nen. Ich kam mit eini­gen der Bewoh­ner ins Gespräch, die über einen erst kürz­lich statt­ge­fun­de­nen Poli­zei­ein­satz und Aggres­si­on sei­tens der Poli­zei berich­te­ten. Dann mach­te ich mich auf in den Wald. Dort traf ich auf vie­le Neu­gie­ri­ge, Spa­zier­gän­ger und Leu­ten auf der Suche nach Foto­mo­ti­ven wie übrig­ge­blie­be­nen Schlaf­sä­cken auf den Bäu­men – und alle 200 Meter auf einen Poli­zei­pos­ten. Nach­dem am Vor­tag alle Baum­häu­ser geräumt wor­den waren, will die Poli­zei neue Baum­klet­te­rei­en ver­hin­dern. Es folg­ten sehr, sehr vie­le wei­te­re Gesprä­che mit Poli­zis­tin­nen und Poli­zis­ten. Die­se ver­lie­fen aber anders als das ers­te. Mir wur­de von vie­len posi­ti­ven Gesprä­chen zwi­schen Koh­le­geg­nern und der Poli­zei berich­tet. Aller­dings wür­den die­se immer wie­der durch ein­zel­ne „haut ab“-Rufe gestört. Ver­ein­zelt bekam ich wie­der Kri­tik an gewalt­be­rei­ten Demons­tran­ten zu hören. Spä­ter tele­fo­nier­te ich noch mit der Pres­se­stel­le der NRW-Poli­zei. Dem­nach wür­den die Tage sehr unter­schied­lich ver­lau­fen. Von der Baum­räu­mung ver­spre­che man sich eine Befrie­dung der Situa­ti­on. Von sehr vie­len durch die zahl­rei­chen Ein­sät­ze auf­ge­lau­fe­nen Über­stun­den ist die Rede. Ich hof­fe sehr, dass die wei­te­ren Pro­tes­te fried­lich blei­ben – und es kei­ne über­zo­ge­nen Poli­zei­ein­sät­ze gibt. Denn die Poli­zei soll­te nicht zur Durch­set­zung frag­wür­di­ger poli­ti­scher und wirt­schaft­li­cher Zie­le miss­braucht wer­den.

Ich kam noch­mal ins Wie­sen­camp und zum Pro­test­camp. Wäh­rend wei­te­rer Gesprä­che hin­ter­ließ ich noch Prä­sen­te aus mei­nem Wahl­kreis: Rit­ter Sport-Scho­ko­la­de als Ner­ven­nah­rung und fürs Durch­hal­ten der Pro­tes­te.

Beim Tage­bau Ham­bach han­delt es sich um eine seit über 40 Jah­ren gül­ti­ge Tage­bau­pla­nung. Nach einem so lan­gen Zeit­raum muss die Ener­gie­po­li­tik end­lich neu bewer­tet wer­den. Ohne den schritt­wei­sen Koh­le­aus­stieg wird es kei­nen wirk­li­chen Kli­ma­schutz geben kön­nen!