Foto: Mit Marco Walter vom Projekt “TINK” und Stadtrat Stephan Kühnle
03.09.2016
Wenn die Kinderbeförderung oder der Transport von Gütern nicht zur Last werden soll
Konstanz ist neben Norderstedt eine von zwei Modellstädten für die Erprobung umfassender Lastenrad-Mietsysteme. Eine erste Bilanz fällt überaus erfreulich aus.
Einmalig online registrieren, eine der insgesamt 12 Konstanzer Verleihstationen aufsuchen, das geeignete Transportrad auswählen, online reservieren und die Zahlenkombination fürs Schloss erfragen und los geht’s. So einfach – vermutlich noch im Oktober soll der Verleihvorgang stärker digitalisiert werden – kommen die Konstanzerinnen und Konstanzer seit wenigen Wochen an ein Lastenrad zur Beförderung von Kindern oder von Gütern. Die erste Stunde ist kostenlos. Danach wird für jede weitere halbe Stunde ein Euro, maximal aber neun Euro pro Tag berechnet. Abgestellt werden können die Lastenräder nach ihrem Einsatz an einer beliebigen Verleihstation im Stadtgebiet. Im ersten jetzt abgelaufenen Monat haben sich bereits 775 Personen als NutzerInnen angemeldet, jedes der 24 Räder wird am Tag durchschnittlich einmal ausgeliehen. Das ist eine bessere Quote als in Norderstedt. „Entscheidend sind in Konstanz die Studierenden“, erklärt einer der Projektbetreuer.
Das Verleihmodell ist noch ein Forschungsprojekt, bei dem die Stadt als Projektträger auftritt und die Lastenräder von einem Fahrradfachgeschäft, das die Wartung und die Verteilung der Gefährte auf die Stationen übernimmt, least. Der Bund fördert das Projekt, das unter dem Namen „Transportradinitiative nachhaltiger Kommunen“ (TINK) zunächst auf zwei Jahre befristet läuft. Es handelt sich um das momentan größte europäische Lastenrad-Verleih-Projekt in Europa. Vor dem eigentlichen Projektstart wurden 700 Personen online nach ihren Bedürfnisse und Erwartungen befragt.
Ich habe mir das Modell vor Ort angeschaut, mich mit Projektverantwortlichen ausgetauscht und bin mit zwei Lastenrädern – einem dreirädrigen, das auch für die Kinderbeförderung geeignet ist und über entsprechende Gurtsysteme verfügt und mit einem einspurigen für den Gütertransport – Probe gefahren.
Anschließend haben wir uns im Rathaus zu einem kleinen Fachgespräch getroffen und uns über erste Erfahrungen unterhalten. Dabei konnte ich die Ergebnisse einer Rechtsstudie vorstellen, die von der grünen Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben worden war. Es ging um die Klärung der Frage, welche Rolle der Bund in unserem föderativen System bei der Radverkehrsförderung übernehmen darf. Bislang hat sich dieser auf die Auffassung zurückgezogen, dies sei – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die Aufgabe von Ländern und Kommunen. Die Studie zeigt jedoch einen weitaus größeren Handlungsspielraum auf. So kann der Bund beispielsweise Radwege an Bundesfernstraßen auch dann bauen, wenn diese nicht unmittelbar entlang dieser Straßen geführt werden. Und er kann den Bau von Radschnellwegen fördern. Er kann aber auch Förderprogramme für den Bau sicherer Abstellanlagen und für nachhaltige Konzepte für die Citylogistik auflegen. All dies käme auch den Lastenrädern zugute, die in besonderer Weise auf eine geeignete Infrastruktur angewiesen sind.