Ende November war ich zu einem Gespräch bei der Interessengemeinschaft Bahnprotest an Ober- und Hochrhein (IG BOHR) in Herbolzheim bei Freiburg. Dabei habe ich über aktuelle Maßnahmen zur Bekämpfung von Bahnlärm und unsere grünen Positionen hierzu gesprochen.
Die IG BOHR wurde im Jahr 2004 gegründet und hat inzwischen über 22.000 Mitglieder. Ihr Ziel ist der menschenverträgliche, umweltgerechte und zukunftsfähige Ausbau der Rheintalbahn; insbesondere im Abschnitt zwischen Offenburg und Weil am Rhein. Die Initiative befürwortet den viergleisigen Ausbau der Rheintalbahn, um die notwendigen Voraussetzungen für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene zu schaffen. Zwei zusätzliche Güterzuggleise sollen aus Sicht der IG BOHR wegen der vorhandenen Vorbelastung entlang der Autobahn gebaut und mit Lärmschutzvorrichtungen versehen werden.
Derzeit gibt es drei wesentliche Maßnahmenebenen zur Bekämpfung des Schienenlärms, die alle dem Ziel „Halbierung des Schienenlärms bis 2020“ dienen sollen:
1. Lärmvorsorge an neuen Schienenwegen
Beim Neubau oder einer wesentlichen baulichen Änderung eines Schienenverkehrsweges ist Vorsorge gegen Lärm zu treffen. Die in der 16. Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) festgelegten Grenzwerte (tagsüber je nach Gebiet zwischen 57 und 69 dB und nachts zwischen 47 und 59 dB) dürfen bei Neubauten nicht überschritten werden.
2. Bundeshaushaltsmittel zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen
Bestehende Schienenwege unterliegen derzeit nicht den Grenzwerten der Verkehrslärmschutzverordnung. Für den Bau von Lärmschutzwänden, den Einbau von Lärmschutzfenstern und andere aktive sowie passive freiwillige Lärmschutzmaßnahmen auf und entlang der bestehenden Schienenwege standen 2007 bis 2012 stets 100 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. 2013 wurden die Mittel auf 130 Millionen Euro erhöht; 2014 wurden erneut 130 Millionen Euro bereitgestellt. Da die Deutsche Bahn AG aber keinerlei Vorratsplanung betrieben hat und bei den Haushaltsmitteln das Jährlichkeitsprinzip gilt, können diese zusätzlichen Gelder nicht abgerufen werden. Sie werden also wieder in den Bundeshaushalt zurück fließen. Dieses Fehlen einer Vorratsplanung haben wir gegenüber der DB an verschiedenen Stellen kritisiert. Wir Grünen setzen uns für ein verlässliches Hochfahren der Mittel einen Rechtsanspruch auf Lärmschutz auch an bestehenden Schienenwegen ein.
3. Förderprogramm zur Umrüstung von Zugbremsen
Dieses Programm startete im Jahr 2012 und läuft bis 2020. Der Umfang liegt bei insgesamt 152 Millionen Euro. Übernommen werden 50% der Kosten für die Umrüstung von Güterzügen auf sogenannte „Flüsterbremsen“. Das Problem: Der Großteil der Mehrkosten entfällt nicht auf die Umrüstung, sondern auf die Instandhaltung. Züge mit „Flüsterbremsen“ (LL-Sohlen“) müssen häufiger gewartet werden und fallen in dieser Zeit für den Einsatz aus. Daher schieben viele Eisenbahnunternehmen die Umrüstung bis auf das Ende der Förderperiode hinaus. Erst 2020 werden die Bremsen, die die Räder weniger aufrauen und dadurch für ein geringeres Laufgeräusch sorgen, zur Pflicht.
4. Lärmabhängiges Trassenpreissystem
Auch dieses System wurde im Jahr 2012 eingeführt. Züge, die mehr Lärm verursachen, zahlen höhere Trassenpreise als „leise“ Züge. Aus den Einnahmen werden Boni für umgerüstete Züge finanziert. Die Preise für besonders laute Züge steigen schrittweise; das nächste Mal werden diese zum Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2014 erhöht (von 1,5 auf 2%).
Die „Schall 03“
Zunehmend festzustellen ist, dass die früher üblichen – oftmals sehr hohen – Lärmschutzwände aus optischen und städtebaulichen Gründen immer seltener auf Akzeptanz stoßen. Infolgedessen werden häufiger verschiedene Lärmschutzmaßnahmen miteinander kombiniert: beispielsweise eine niedrige, dafür nahe an die Gleise gebaute Lärmschutzwand und ergänzend Schienenstegdämpfer. Um neue technische Entwicklungen im Bereich von Lärmschutzmaßnahmen mit ihrer jeweiligen Wirksamkeit beurteilen zu können, gibt es die neue „Schall 03“, eine Anlage für die Bundesimmissionsschutzverordnung mit Berechnungsverfahren. Die „Schall 03“ wurde im Frühsommer vom Bundestag beschlossen – gegen die Stimmen von uns Grünen. Unsere Kritik zusammengefasst: Die neuen Berechnungsmethoden rechnen den Bahnlärm klein; die Verordnung ist lückenhaft; teilweise wird der erst abgeschaffte Schienenbonus durch die Hintertüre wieder eingeführt. Dies haben auch Fachleute bestätigt, die bei einer von uns durchgesetzten Anhörung im Bundestags-Verkehrsausschuss aufgetreten sind.
Grüne Forderungen beim Lärmschutz an der Schiene
- Verankerung eines Rechtsanspruches auf Schutz vor Lärm an bestehenden Schienenwegen
- Langfristig und kontinuierlich steigende Bundeshaushaltsmittel für die Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen;
- DB muss mehr Lärmsanierung-Vorratsplanung betreiben;
- Bei der Umrüstung der Bremsen müssen die Anreizstrukturen so angepasst werden, dass die Unternehmen die Umrüstung nicht bis auf 2019 hinausschieben;
- Durchschnittliche Lärmwerte müssen ergänzt werden durch Maximalpegel.
Eine Übersicht über meine bisherigen Aktivitäten für einen besseren Lärmschutz an der Schiene:
- Kleine Anfrage http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/030/1803010.pdf
- Antrag auf Anhörung zur Schall 03 im Verkehrsausschuss
- Vor-Ort-Besuch in Freiberg a. N. und diesbezüglich mehrere Briefe an DB
- Gespräch mit DB-Lärmschutzbeauftragten Frau Jahnel
- Gesprächsrunde mit DB und Bremsenhersteller Knorr
- Aktiv in Parlamentsgruppe Schienenverkehr, Veranstaltung zu Lärm im Frühjahr
- Besuch bei IG Bohr am 29.11.2014 in Herbolzheim