Die Bundesregierung musste in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion eingestehen, dass das 2009 mit viel Tamtam angekündigte Verkehrslärmschutzpaket nicht viel mehr als eine leere Hülle ist. Und auch die wohlklingenden Versprechen im Koalitionsvertrag werden – wenn überhaupt – bestenfalls halbherzig umgesetzt.
Wenn es beim Lärmschutz konkret wird, knausert die Bundesregierung mit Haushaltsmitteln und sie schreckt vor ordnungspolitischen Maßnahmen zurück. Die Erhöhung der Lärmsanierungsmittel für Bundesfernstraßen im Haushaltsjahr 2014 um 5 Millionen auf 55 Millionen Euro ist eine Lachpille mit allenfalls symbolischer Wirkung. Mittelfristig brauchen wir für Lärmbetroffene einen Rechtsanspruch auf wirksamen Lärmschutz. „Wirksam“ heißt, dass verschiedene Lärmquellen in ihrer Zusammenwirkung betrachtet werden. Und „wirksam“ heißt auch, dass zulässige Lärmmittelwerte ergänzt werden durch Lärmobergrenzen. Auch sonst fallen Anspruch und Wirklichkeit beim Lärmschutz auseinander: Zwar hält die Bundesregierung die Minderung des Lärms an der Quelle für die „effizienteste und nachhaltigste Methode“ der Lärmminderung. Doch als es vor zwei Jahren in Brüssel darum ging, den Geräuschpegel für Pkw bei der EU-Fahrzeuglärmrichtlinie zu senken, hat sich Deutschland dem Einfluss des VDA gebeugt und die „Lex Porsche“ durchgesetzt. Fahrzeuge ab einer bestimmten Leistung dürfen einfach lauter sein.
Eine weitere Möglichkeit, den Lärm an der Quelle zu bekämpfen, ist, dass den Kommunen maximaler Handlungsspielraum bei der Ausweisung von Tempo 30 zugestanden wird. Die Kommunen wissen selber am besten, was im Ort angemessen ist. Zwar hat Verkehrsminister Dobrindt eine Lockerung der Vorgaben angekündigt. Vermutlich aber wird die Leine der Kommunen kaum länger, wenn sie auf Bundesstraßen innerhalb von Ortschaften Tempos 30 ausweisen wollen. Aus Sicherheitsgründen soll dies vor Schulen und Kindergärten möglich werden – aber meist liegen solche Einrichtungen gar nicht an den Hauptdurchfahrtsstraßen. Und Dobrindt will offenbar nur punktuelle Geschwindigkeitsreduzierungen. Diese sehr preiswerte Möglichkeit für einen besseren Lärmschutz spielt also weiterhin keine große Rolle.
Traurig auch die Rolle der Bundesregierung bei der dringend gebotenen Reduzierung des Lärms durch Motorräder. Die bisherigen Lärmschutzvorgaben greifen hier nicht und sind schwer zu überwachen. Verschärft wird dies durch die Gleichgültigkeit vieler Motorradfahrer. So räumt ein Motorradhersteller unverblümt ein: „Heute fühlen sich die Kunden als ‚Streetfighter‘ mit entsprechendem Soundbedürfnis“. Zwar sieht auch der Bund hier offenbar Handlungsbedarf. Aber er überlässt das der EU und akzeptiert, dass wirksame Maßnahmen auf die lange Bank geschoben werden.
Mein Fazit: In Sachen Lärmschutz macht die Bundesregierung viel Lärm um nichts. Entschlossenheit sieht anders aus. Damit unterschätzt sie die tatsächlichen Probleme. Erst jetzt hat eine Studie des Umweltbundesamtes erneut bestätigt, dass sich 54 Prozent der Menschen von Straßenlärm belästigt fühlen. Fatal finde ich zweierlei: Erstens möchte der Bund den Kommunen kaum mehr Spielraum einräumen, dass diese innerhalb von Ortschaften Tempo 30 ausweisen können. Dabei weiß man vor Ort besser, welche Geschwindigkeiten angemessen sind als im fernen Berlin. Zweitens akzeptiert die Bundesregierung, dass die Bekämpfung von Motorradlärm auf die lange Bank geschoben wird. Gerade für Baden-Württemberg ist dies besonders fatal – wird doch gerade hier die Lebensqualität in wichtigen Tourismusregionen wie dem Schwarzwald vom Zweiradlärm belastet.