Mehrwertsteuersenkung bei Bahn mit Lücken

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29.05.2020

Tarife nicht überall angepasst 

Auch Mona­te nach den Beschlüs­sen des „Kli­ma­ka­bi­netts“ zeigt sich die Bun­des­re­gie­rung stolz auf die Beschlüs­se des „Kli­ma­päck­chens“ wie der Mehr­wert­steu­er­sen­kung im Fern­ver­kehr der Bahn. Kurz vor Aus­bruch der Coro­na-Kri­se schlug Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­ter Scheu­er gleich noch eine Steu­er­sen­kung bei den Fern­bus­sen vor. Dabei wird die Absen­kung der Mehr­wert­steu­er bis heu­te nur lücken­haft und nicht voll­stän­dig umge­setzt. Fol­ge: Eine gan­ze Rei­he von Regio­nal­ver­keh­ren sind teu­rer als die glei­chen Ver­bin­dun­gen in den Inter­ci­ty-Zügen des Fern­ver­kehrs.

Der Haken: Die Mehr­wert­steu­er­sen­kung wird bis­lang nur in den Fern­ver­kehrs­zü­gen (Inter­ci­ty- und ICE-Züge) umge­setzt. Im ertrags­träch­ti­gen Regio­nal­ver­kehr hin­ge­gen wer­den die Fahr­schei­ne ab 51 Kilo­me­tern Stre­cken­län­ge – der steu­er­recht­li­chen Defi­ni­ti­on für Fern­ver­kehrs­fahr­ten – wei­ter­hin mit 19 Pro­zent Mehr­wert­steu­er besteu­ert, obwohl die Mehr­wert­steu­er­sen­kung auch die­se Züge bei einer Stre­cken­län­ge über 50 Kilo­me­ter erfas­sen soll­te.

So wird das Preis­sche­ma ins­be­son­de­re der Deut­schen Bahn auf zahl­rei­chen Ver­bin­dun­gen ins Absur­de geführt. Ein Bei­spiel: Die Stre­cke zwi­schen Ham­burg und Schwe­rin. Die bei­den Haupt­städ­te im Nor­den Deutsch­lands sind etwa 100 Kilo­me­ter ent­fernt. Ein Regio­nal­ex­press ver­bin­det bei­de Städ­te, obwohl der von den Län­dern bestell­te und bezahl­te Regio­nal­ver­kehr sich im Wesent­li­chen auf den regio­na­len Ver­kehr mit bis 50 Kilo­me­tern Reich­wei­te fokus­sie­ren soll­te. Trotz der Regio­na­li­sie­rungs­mit­tel ist die Rei­se mit dem Regio­nal­ver­kehrs­zug nicht güns­ti­ger: Der Regio­nal­ex­press mit Flex­preis-Fahr­schein kos­tet 30 Euro bei etwa 75 Minu­ten Fahr­zeit. Zahl­rei­che Fahr­gäs­te neh­men gleich den Fern­ver­kehrs­zug, der Zeit spart und nun sogar weni­ger Geld kos­tet: Die Fern­ver­kehrs­ti­ckets kos­ten in den wei­ßen Zügen zwi­schen 27 und 30 Euro, der Spar­preis beim Inter­ci­ty ist bereits für 17,90 Euro erhält­lich. Der lang­sa­me­re Regio­nal­ex­press ist selbst im güns­tigs­ten Spar­an­ge­bot erst ab 23 Euro zu bekom­men.

Ursa­che hier­für sind die unter­schied­li­chen Preis­sys­te­me im Regio­nal- und Fern­ver­kehr: Die Regio­nal­zü­ge wer­den von den Län­dern bestellt und über die Regio­na­li­sie­rungs­mit­tel bezahlt, die Züge des Schie­nen­per­so­nen­fern­ver­kehrs sol­len sich hin­ge­gen eigen­wirt­schaft­lich tra­gen. So legt die Deut­sche Bahn ihre Prei­se im Fern­ver­kehr allein fest und vari­iert die­se nach Wochen­ta­gen und Tages­zei­ten. Mit der unter­schied­li­chen Hand­ha­bung der Mehr­wert­steu­er­sen­kung ver­schie­ben sich die Preis­sys­te­me des Regio­nal­ver­kehrs (mit 19 Pro­zent MwSt ab 51 km Stre­cken­län­ge) und des Fern­ver­kehrs (mit 7 Pro­zent MwSt ab 51 km Stre­cken­län­ge). Für den Fahr­gast ergibt sich seit Jah­res­wech­sel 2019/20 ein Preis­ge­fü­ge mit Fern- und Regio­nal­zü­gen, wel­ches auf vie­len Ver­bin­dun­gen nicht mehr schlüs­sig erscheint.

Die Deut­sche Bahn hat die Mehr­wert­steu­er­sen­kung gleich zum Jah­res­wech­sel in ihren Fern­ver­kehrs­zü­gen umge­setzt- Aller­dings soll erst zum „Klei­nen Fahr­plan­wech­sel“ am 14. Juni 2020 die Steu­er­sen­kung auch im Regio­nal­ver­kehr ab 51 km Stre­cken­län­ge wirk­sam wer­den. Bis Mit­te Juni führt die ver­schie­de­ne Anwen­dung der Mehr­wert­steu­er­sen­kung zu Inkon­sis­ten­zen bei den Prei­sen von Regio­nal- und Fern­zü­gen. Als Grund für die­se mona­te­lan­ge Umset­zungs­dau­er der Mehr­wert­steu­er­sen­kung sei­en laut dem Tarif­ver­band der Bun­des­ei­ge­nen und Nicht­bun­des­ei­ge­nen Eisen­bah­nen in Deutsch­land (TBNE) offe­ne Abstim­mungs­pro­zes­se mit den Tarif­part­nern und die auto­ma­ti­sche Hin­ter­le­gung der Preis­sche­ma­ta in den Buchungs­sys­te­men.

Eine sol­che Preis­kon­kur­renz zwi­schen Fern- und Regio­nal­ver­kehr ist kon­tra­pro­duk­tiv: Wenn die Deut­sche Bahn AG als Unter­neh­men des Bun­des über die unglei­che Preis­struk­tur mit Spar­preis- und Super-Spar­preis-Tickets Mil­lio­nen Fahr­gäs­te aus dem von den Län­dern bezu­schuss­ten Regio­nal­ver­kehr abzieht, gehen die Ein­nah­men im Regio­nal­ver­kehr zurück. Folg­lich müs­sen die Län­der noch mehr finan­zi­ell zuschie­ßen. Es ist daher im Sin­ne von Bund und Län­dern, dass die Mehr­wert­steu­er­sen­kung im lang­lau­fen­den Regio­nal­ver­kehr jetzt zügig umge­setzt wird und die Schnitt­stel­le zwi­schen Fern- und Regio­nal­ver­kehr wie­der nach einer markt­wirt­schaft­lich schlüs­si­gen Preis­lo­gik umge­setzt wird.

Bei­spie­le für schnel­le und zugleich güns­ti­ge­re Fern­ver­kehrs­ver­bin­dun­gen:

Ber­lin Hbf – Waren an der Müritz

Fahrt mit Inter­ci­ty (1:19 – 1:21 h) für 31,90 Euro, Regio­nal­ex­press (2:27 h) für 34,20 Euro.

Ber­lin Hbf – Dres­den Hbf

Fahrt mit Inter­ci­ty (2:14 h) für 38,70 Euro, Regio­nal­ex­press (3:27 h) für 47,10 Euro.

Ber­lin Hbf – Frank­furt (Oder)

Fahrt mit Euro­ci­ty (1:02 h) für 10,10 Euro mit Bahn­card 50, RE (1:07 h) für mind. 10,50 Euro.

Han­no­ver Hbf – Mag­de­burg Hbf

Fahrt mit Inter­ci­ty (1:17 h) für 30,60 Euro, Regio­nal­ex­press (2:10 h) für 32,90 Euro.

Han­no­ver Hbf – Wolfs­burg Hbf

Fahrt mit Inter­ci­ty (0:31 h) für 8,75 Euro, ENO (0:58 h) für 8,75 Euro.

Chem­nitz Hbf – Leipzig/Halle Flug­ha­fen

Fahrt mit Inter­ci­ty und RE (1:18 h) für 24,50 Euro, RE und S‑Bahn (1:37 h) für 24,80 Euro.

Chem­nitz Hbf – Hal­le (Saa­le) Hbf

Fahrt mit Inter­ci­ty und RE (1:30 h) für 27,50 Euro, RE und S‑Bahn (1:49 h) für 28,50 Euro.

Das Land Baden-Würt­tem­berg hat mit dem Baden-Würt­tem­berg-Tarif die ver­bund­über­grei­fen­den Prei­se im Regio­nal­ver­kehr schon Jah­res­en­de 2018 durch­schnitt­lich um etwa 25 Pro­zent gesenkt, sodass hier das Preis­ge­fü­ge des Regio­nal­ver­kehrs gene­rell unter­halb der Fern­ver­kehrs­prei­se liegt.