Unternehmen fordert mehr Zeit für Transformation
Mit einigen grünen Mitgliedern habe ich das Bosch-Werk in Stuttgart-Feuerbach besucht. Wir wollten erfahren, ob das Unternehmen das Zeitalter nach dem fossilen Verbrennungsmotor kommen sieht und wie es sich darauf vorbereitet.
Im Werk Feuerbach finden 12.000 Menschen Arbeit. Unter anderem wird hier die Dieseleinspritztechnologie entwickelt, gefertigt und vertrieben. Bosch war mit einer Reihe hochkarätiger Führungskräfte Dr. Uwe Gackstatter (Vorsitzender des Bereichsvorstands Diesel Systems), Dr. Matthias Pillin (Bereichsleiter Elektromobilität), Dr. Michael Krüger (Entwicklungsleiter Diesel Systems) u. a.] in unserem Gespräch vertreten (hierfür vielen Dank!).
Viele Arbeitsplätze hängen am Dieselmotor
Bosch glaubt an den Dieselantrieb. Dies wurde im Gespräch deutlich. Dass viele Arbeitsplätze daran hängen, ist unstrittig: Im Gesamtunternehmen sind es 48.000. Für die Transformation brauche man mehr Zeit, bekommen wir immer wieder zu hören. Ich verweise darauf, dass immer mehr Länder aus dem fossilen Verbrennermotor aussteigen wollen. Jüngst hat auch Indien sich auf die Jahreszahl 2030 festgelegt. Damit bestimmt immer weniger die deutsche Politik, sondern es bestimmen immer mehr die Absatzmärkte über die Autos der Zukunft. Bosch hingegen verweist auf die Widersprüchlichkeit der Märkte und nennt als Beispiele Japan und Korea. Dort steige der Dieselanteil, wenngleich ausgehend von einem niedrigen Niveau. Ein Dieselfahrzeug habe einen CO2-Vorteil von 25 Gramm pro Kilometer gegenüber einem vergleichbaren Benziner, wird uns gesagt. Ich zitierte die neue Zulassungsstatistik, nach der bei den neu zugelassenen Autos der Vorteil (gemessen nach dem NEFZ) bei 11 Prozent liegt. Bosch verweist darauf, dass man den Diesel sauberer machen wolle, daran intensiv mit den Kunden arbeite und man die Grenzwerte sogar unterschreiten könne. Daher mache die Weiterentwicklung Sinn. Weniger einfach sei es mit der Hardware-Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge, was vor allem am häufig fehlenden Platz liege. Auch die Haftungsfrage sei schwierig. Unternehmen, die Nachrüstungen anbieten, würden dafür keine Garantien übernehmen und die Hersteller könnten nicht für die Einbauten von Fremdfirmen haften. Es gebe jedoch auch Fahrzeugtypen, die sich einfach nachrüsten ließen, beispielsweise Busse. Was Bosch eindeutig unterstützt, ja sogar einfordert ist die Blaue Plakette. Diese schaffe die benötigte Planungssicherheit.
An einem weiteren Punkt gab es Unstimmigkeit: Macht das E‑Auto auch mit dem heutigen Strommix bereits Sinn? Damit waren wir beim Zukunftsthema, den alternativen Antrieben. Bosch betont dabei, auf einen Mix an Antrieben zu setzen und dementsprechend bei Verbrenner‑, Hybrid‑, Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeugen vertreten sein zu wollen.
Boschs Blick auf das E‑Auto
400 Millionen Euro investiert Bosch nach eigenen Worten jährlich in die E‑Mobilität. So wird unter anderem an der elektrischen Achse sowie an der Festkörperbatterie gearbeitet. Die Festkörperbatterie verfügt über eine höhere Energiedichte als zur Zeit verwendete Lithium-Ionen-Akkus, hat eine längere Lebensdauer zu erwarten und ist außerdem nicht brennbar. Trotz „großer Fortschritte“, von denen Bosch berichtet, ist diese Batterie ein Produkt für die Zukunft. Wegen des noch frühen Entwicklungsstadiums hat sie für die europäische Industrie Potenzial, den asiatischen Herstellern Konkurrenz zu machen. Eine Batterie wird aus vielen Zellen zusammengesetzt. Diese werden derzeit ausschließlich von asiatischen Herstellern geliefert. In Europa gibt es deshalb auch Überlegungen, eigene Zellfertigungen aufzubauen. Dafür wären wahrscheinlich Investitionen in Milliardenhöhe notwendig. Bosch wird sich Anfang 2018 zum Thema Entwicklung und Produktion von Batteriezellen positionieren.
Beim Stichwort Batterie sprechen wir auch die heiklen Seiten, nämlich den Rohstoffeinsatz und das Recycling an. Noch fehlt eine Recyclingstrategie, die über eine Weiterverwendung ausgemusterter Batterien im Zusammenhang mit PV-Anlagen (speichern für Eigenstromnutzung) hinausgeht. Man rechnet mit Lösungen für diese Problematik ab 2025.
Worauf ist die Kaufzurückhaltung der Kunden in Punkto E‑Autos zurück zu führen? Von Bosch werden zwei Aspekte genannt: Die noch unzureichende Ladeinfrastruktur und die Sorge um den Wiederverkaufswert des gebrauchten, technologisch schnell überholten E‑Autos. Gerade im lokalen Lieferverkehr sieht Bosch große Potenziale für die E‑Mobilität und verweist mehrfach darauf, Lieferant für Streetscooter, die Unternehmenstochter der Deutschen Post mit ihren E‑Lieferfahrzeugen, zu sein.
Dem Gespräch schloss sich eine Werksführung an.
Wir haben vereinbart, das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt in lockerer Runde fortzusetzen.