04.04.2023
Sachstand vor Ort diskutiert
Für die Umsetzung des Deutschlandtaktes sind viele kleine und auch einige große Infrastruktur-Projekte erforderlich. Letztere stoßen vor Ort häufig auf Widerstände. So ist es auch mit der Neubaustrecke[1] zwischen Hamburg und Hannover.
Noch liegen die Vergleiche der vier Varianten nicht vor. Diese werden aber demnächst erwartet und einige Daten sind bereits durchgesickert. Da mir der frühzeitige Dialog mit Betroffenen wichtig ist, habe ich mit weiteren grünen Abgeordneten Gespräche in Lüneburg initiiert. Wir trafen uns in zwei Runden mit grünen Mitgliedern aus den betroffenen Kreisverbänden sowie mit Bürger*inneninitiativen (BI).
Hamburg wird nicht den einen Knoten bekommen, sondern mehrere Knoten behalten. Maßgeblich für die Reisezeiten ist die Strecke von Hamburg-Harburg nach Hannover in 51 Minuten (derzeit 67 Minuten). Diese Fahrzeit ist erforderlich, um Anschlüsse zu gewährleisten und den Fahrgästen kürzere und damit attraktivere Reisezeiten zu ermöglichen. Wir wollen schließlich zusätzliche Fahrgäste gewinnen, die bisher mit dem Auto fahren oder das Flugzeug für Kurzstreckenflüge nutzen. Fahrzeitfestlegungen erfolgen nicht durch die Deutsche Bahn, sondern durch das Bundesverkehrsministerium auf Grundlage gutachterlicher Empfehlungen. Der sog. „Zielfahrplan“, der für die Infrastrukturbedarfe maßgeblich ist, wird aktuell überarbeitet. Veränderungen an den Fahrzeiten wird es nicht geben, wohl aber bei den Zugzahlen. Hintergründe hierfür: Verzeichnetes deutliches Wachstum im Fernverkehr, zusätzliche Bestellungen von Regionalverkehren durch die Länder, Verkehrsprognose des Bundes mit erheblichem Wachstum im Güterverkehr, verkehrspolitische Verlagerungsziele im Personen- wie im Güterverkehr.
Mit meinen Bundestagskolleginnen Julia Verlinden, Swantje Michaelsen und Susanne Menge sowie dem Landtagsabgeordneten Stephan Christ haben wir uns mit Vertreter*innen von rund einem Dutzend Initiativen sowie des Fahrgastverbandes „Pro Bahn“ zum Gespräch getroffen. Wir waren zu Beginn des Prozesses zunächst einmal offen für alle Planvarianten. Ich habe beim Lokaltermin für uns die Anforderungen an die Trassenvarianten definiert, die für uns für eine Weiterplanung in Frage kommen: Sie müssen die erforderlichen Kapazitäten bieten (Deutschlandtakt und zudem entsprechend Koalitionsvertrag deutliches Wachstum im Güterverkehr und Verdoppelung der Verkehrsleistung im Personenverkehr) und die genannte Deutschlandtakt-Fahrzeit ermöglichen. Einer klassischen Neubaustrecke werden wir nur zustimmen, wenn damit Vorteile für die Region entstehen, durch die sie verläuft. Wir denken dabei insbesondere an eine neue Station im Bahnknoten Soltau. Veränderungen an der Bestandsstrecke sind erforderlich, erfüllen aber nach allem, was uns bisher bekannt ist, nicht die genannten Kriterien. Damit bleiben drei der vier Varianten übrig: Ein trassennaher Neubau und zwei klassische Neubaustrecken, die sich an der Autobahn BAB 7 orientieren, eine davon orientiert sich im südlichen Abschnitt an der B 3. Ein trassennaher Neubau wäre relativ lang, da er (wie die Bestandsstrecke) im Bogen verläuft. Daher wäre für die Einhaltung der Fahrzeitvorgabe eine höhere Geschwindigkeit erforderlich, was zu erhöhten Konflikten aufgrund von Raumwiderständen und hohen Lärmauflagen führen würde. Zudem muss hier genau beachtet werden, welche betrieblichen Beeinträchtigungen während der Bauzeit an der Bestandsstrecke entstehen würden. All dies dürfte sich negativ auf den Nutzen-Kosten-Effekt auswirken. Die Diskussion mit den BI zeigte, dass keine Variante ohne teils erhebliche Nachteile und Widerstände umsetzbar wäre. Daher sind sorgfältige Variantenvergleiche und die volle Transparenz darüber eine wesentliche Grundlage für die größtmögliche Akzeptanz.
Zwischenfazit
Nachdem wir offen für die verschiedenen Varianten in den Prozess gestartet sind, verdichten sich die Einschätzungen, mit welchen Varianten die fest gesetzten verkehrspolitischen Ziele (Deutschlandtakt, Verlagerung von Personen- und Güterverkehren auf die Schiene) erreicht werden können und mit welchen nicht. Varianten weiter zu planen, mit denen Ziele verfehlt werden, werden im weiteren Verfahren ausscheiden müssen.
So geht es weiter:
Die Variantenvergleiche müssen fertig gestellt werden. Unseres Wissens liegen diese gerade beim Eisenbahnbundesamt zur Plausibilitätsprüfung. Wir drängen darauf, dass sie möglichst schnell veröffentlicht werden. Wirr werden die Bewertungen so gut wie möglich auf ihre Plausibilität hinterfragen. Das Ministerium wird die Empfehlung für eine Vorzugsvariante aussprechen. Dann wird es umfassende Informationen und Diskussionen geben, denen ich mich auch weiter gerne stelle. Ich habe gegenüber Ministerium und Deutscher Bahn mehrfach auf eine weitreichende, aussagekräftige Informationen sowie zusätzliche Variantenvergleiche, so zur jeweiligen Bündelungswirkung, gebeten. Die Bundestags-Entscheidung soll noch in diesem Jahr erfolgen.
Weiterführende Links
„Welche Infrastruktur braucht die Bahn?“ So lautete der Titel einer öffentlichen Veranstaltung, zu der ich kürzlich geladen hatte und die großes Interesse gefunden hatte. Dabei ging es um Grundsatzfragen, aber auch konkret um den Korridor Hamburg – Hannover. Siehe https://www.matthias-gastel.de/veranstaltung-bericht-welche-infrastruktur-braucht-die-bahn/
Ich beziehe meine Informationen von der Deutschen Bahn und dem Bundesverkehrsministerium und dem „Bundesgutachter“. (Kritische) Fragen aus der Öffentlichkeit reichen wir weiter und fordern Antworten ein. Mein Fachbüro baut jedoch parallel dazu seine Eigenexpertise immer weiter aus, um nicht zu stark abhängig zu sein von Informationen durch die DB und das Ministerium. Mehr zur Meinungsbildung hier: https://www.matthias-gastel.de/mein-team-stellt-sich-vor/
Zudem verweise ich auf einen Podcast zum Thema „Bahn & Infrastruktur. Hauptthema war die geplante Neubaustrecke Augsburg – Ulm. Dabei ging es aber auch um den Deutschlandtakt. Siehe https://www.matthias-gastel.de/im-podcast-wir-brauchen-aus-und-neubau/
Über die Verlagerung von Postgütern auf die Schiene: https://www.matthias-gastel.de/wie-kommt-mehr-post-auf-die-schiene/
[1] Wir verwenden den Begriff „Neubaustrecke“, da es technisch keinen „Ausbau“ (außer in Form von Elektrifizierung, Digitalisierung etc.) gibt. Auch zusätzliche Gleise nahe der Bestandsstrecke stellen faktisch einen Neubau dar, da die Trassierungen der Bestandsgleise angepasst werden müssen.