13.04.2015
Über die eingleisige Güterzugkurve (im Bild links oben in grün erkennbar) werden die aus Richtung Plochingen kommenden Züge auf die Neubaustrecke eingeschleift – und müssen nach einer Änderung des Planfeststellungsbeschlusses rund acht Kilometer die linke (nördliche) Tunnelröhre nutzen. Grund hierfür: Eine Überleitstelle zwischen beiden Tunnelröhren ist entfallen.
Albvorlandtunnel wird zum Nadelöhr der Neubaustrecke Wendlingen – Ulm — Und der ICE 1 wird zum Verkehrshindernis
Die Deutsche Bahn (DB) hat eine Änderung ihrer bisherigen Pläne für den Bau des Albvorlandtunnels – dem Beginn der Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm – beantragt. Der Tunnel ist 8,2 Kilometer lang und besteht aus zwei jeweils eingleisigen Tunnelröhren. Er Tunnel beginnt bei Wendlingen und führt parallel zur Autobahn bis Kirchheim unter Teck. Die bisherigen Pläne sahen kurz nach der Einfädelung der eingleisigen Güterzugkurve bei Wendlingen (nicht zu verwechseln mit der ebenfalls eingleisigen Kurve für die Züge aus Tübingen) eine Überleitung von der in Fahrtrichtung Ulm linken (nördlichen) in die rechte Röhre vor. Denn im Schienenverkehr gilt – ähnlich wie im Straßenverkehr – ein “Rechtsfahrgebot”. Der Änderungsantrag der DB zielte nun darauf ab, auf diese Überleitung im Tunnel zu verzichten und stattdessen eine Überleitung erst nach dem Tunnel vorzusehen. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen hatte die Bundesregierung nach diesen Plänen gefragt und die mit diesen Plänen verbundene Kapazitätseinschränkung kritisiert. Inzwischen wurden die Bahnpläne genehmigt. Die Verbindung beider Röhren ist gestrichen. Züge, die aus Richtung Plochingen über die Güterzugkurve bei Wendlingen kommen, können also nicht mehr in die rechte Tunnelröhre wechseln. Sie müssen die acht Kilometer lange Röhre im Linksverkehr nutzen und können erst danach – außerhalb des Tunnels – auf das rechte Gleis wechseln. Nach dem bisherigen Betriebsprogramm sind davon in Summe 16 nächtliche Güterzüge betroffen. Das Gleis in der nördlichen Röhre muss von diesen Verkehren im Zweirichtungsverkehr befahren werden. Die südliche Tunnelröhre kann nicht gleichzeitig genutzt werden, da eine Ein- oder Ausschleifung von bzw. auf die Güterzugkurve nicht möglich ist. Dadurch wird die Kapazität der geplanten Strecke eingeschränkt. Das Gleis in der nördlichen Röhre wird mindestens sechs Minuten länger belegt als dies mit der Realisierung der früheren Planung der Fall gewesen wäre. Außerdem wird die betriebliche Flexibilität darunter leiden. Deutlich mehr Schienenverkehr als im bisherigen Betriebsprogramm wird auf der Neubaustrecke damit kaum möglich sein – weder im Regelbetrieb noch als Ausweichstrecke. So kann im Falle einer Sperrung der Geislinger Steige oder der Neubaustrecke entlang des Flughafens auch der Personenverkehr nur noch die nördliche Röhre nutzen – und zwar ebenfalls im Zweirichtungsverkehr. Der Albvorlandtunnel wird durch die Planänderung zum Nadelöhr und schränkt die Kapazität der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm insgesamt ein. Dazu Matthias Gastel, der Mitglied des Bundestags-Verkehrsausschusses ist und als bahnpolitischer Sprecher seiner Fraktion fungiert: “Mit der Planänderung schickt die Deutsche Bahn Züge im Linksverkehr in Richtung Schwäbischer Alb. Die Lokführer werden zu „Geisterfahrern“ und der Albvorlandtunnel wird zum über acht Kilometer langen Nadelöhr auf der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Dies ist gleich doppelt fatal: Erstens werden Mehrverkehre auf der Schiene blockiert. Und zweitens lässt sich die Neubaustrecke kaum mehr als Ausweichstrecke für den Fall einer Sperrung der Geislinger Steige oder der Neubaustrecke entlang des Flughafens nutzen. Für ein solch teures Projekt ist dies blamabel.”
Weiteres Problem: Durch die starke Steigung bremst der alte den neuen ICE aus
Ein weiteres Problem mit der Neubaustrecke wurde durch die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen von Matthias Gastel öffentlich: Während der ICE 3 mit einer Mindestgeschwindigkeit von 220 Stundenkilometer über die Neubaustrecke auf die Alb hinauf fährt, verlangsamt sich die ältere Zuggeneration des ICE 1 durch die Steigung des Albaufstiegs auf 155 Stundenkilometer. Der alte bremst also den neuen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gebauten Zug aus. Dies hat damit zu tun, dass der ICE der älteren Bauart im Verhältnis zu seinem Gewicht über eine geringere Leistung verfügt. „Der altehrwürdige ICE 1 wird zum Verkehrshindernis! Auch das kann der Kapazität der neuen Bahnstrecke nicht dienlich sein. Es zeigt sich einmal mehr, zu welchen Problemen die enorme Steigung, die die der Geislinger Steige sogar noch übertrifft, führt“ kommentiert Gastel. Der Abgeordnete der Grünen kündigt denn auch gleich weitere Initiativen im Bundestag an.