Impuls für Antriebswende und Verlagerung auf Schiene
In diesen Tagen hat die „Ampelkoalition“ mehrere Verkehrsgesetze beschlossen. Aus meinem Zuständigkeitsbereich sind dies das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz sowie die Weiterentwicklung der Lkw-Maut, um die es hier gehen wird.
Den Rahmen für die Maut gibt die Europäische Union vor. Wir haben dieses Recht ambitioniert umgesetzt, um Klimaziele im Transportwesen erreichen zu können und Mittel für deutlich höhere Investitionen in die Verkehrswege zu generieren. Bereits zum 01. Dezember wird eine CO2-Komponente mit einem Preis von 200 Euro pro Tonnen CO2 eingeführt. Zum 01. Juli 2024 folgt die Ausweitung auf Lastwagen ab 3,5 Tonnen (bislang ab 7,5 Tonnen). Handwerkerfahrzeuge bleiben ausgenommen. Mit der Mauterhöhung und ‑ausweitung setzen wir gleich mehrere Impulse: Für alternative Antriebe, für die Verlagerung von mehr Gütern auf die Schiene im Rahmen verfügbarer Kapazitäten und Netzzugänge, für eine bessere Auslastung der Lastwagen und für die Vermeidung von Transportwegen, wenn vergleichbare Produkte aus näher liegenden Orten bezogen werden können.
Von den Mehreinnahmen fließen 80 Prozent in die Schiene. Von den Gesamteinnahmen sind dies rund 40 Prozent (bisher: 0 Prozent!). Damit löst die Koalition verschiedene Versprechen ein. So wird ab dem Jahr 2024 erstmals erheblich mehr Geld in die Schiene als in die Straße investiert!
Nachfolgend gehe ich auf einige immer wieder gestellte Fragen ein.
Im Koalitionsvertrag wurde eine Doppelbelastung ausgeschlossen, nun kommt diese dennoch. Weshalb?
Das Bundesverkehrsministerium hat auf mehrfache Nachfrage auch meinerseits leider keinen rechtskonformen Weg mit vertretbarer Bürokratie zur Vermeidung der Doppelbelastung (CO2-Maut und den bislang noch sehr geringen CO2-Preis auf Kraftstoff) aufzeigen können. Wir hatten dazu als Koalition mehrere Runden gedreht und nach Möglichkeiten zur Vermeidung dieser doppelten Preisanlastung sowie nach einer Kompensation gedreht. Wir haben uns schließlich darauf verständigt, dass wir die Anschaffung von Lkw mit alternativen Antrieben und die dazu benötigte Lade- und Tankinfrastruktur besser fördern werden.
Gibt es überhaupt Lastwagen mit alternativen Antrieben?
Die Maut wird die Serienangebote an Lkw mit alternativen Antrieben beschleunigen. Der Druck auf Angebote wie auf die Nachfrage wächst ja in allen EU-Staaten, da die Maut überall steigen wird. Wir hören von Herstellern, dass das Interesse an Lkw mit batterieelektrischem Antrieb oder Brennstoffzelle/Wasserstoff noch sehr überschaubar ist. Das dürfte sich nun ändern. Den eActros mit einer Reichweite von 500 Kilometern will Daimler Ende 2024 in die Serienfertigung bringen. Von Volvo und MAN ist ähnliches zu hören. Quelle: DVZ 18.10.23 Nachtrag: Der eActros soll nach Herstellerangaben nach 600.000 Kilometern wirtschaftlicher sein als das Vergleichsmodell mit Dieselantrieb, wenn die entfallende CO2-Maut berücksichtigt wird. Der Cw-Wert soll um neun Prozent besser sein. Die Reichweite soll für die Mehrzahl der Langstreckenfahrten ausreichend sein. Quelle: Trans Aktuell 20/2023
Haben wir mit Verbänden und Unternehmen gesprochen?
Ja klar. Ich habe Unternehmen besucht, mich mit Verbänden zu Gesprächen getroffen und eine gemeinsame Jahrestagung zweier Transportverbände besucht. Im Verkehrsausschuss haben wir eine Anhörung zur Lkw-Maut durchgeführt. Die eingeladenen Sachverständigen, die vor allem Verbände, zudem auch eine Universität und das die Maut eintreibende Unternehmen Toll Collect umfassten, kamen zu unterschiedlichen Feststellungen. Die Verbände, die die Logistikunternehmen vertreten, bemängelten die Doppelbelastung aus CO2-Maut (200 Euro pro Tonne) und dem nationalen Emissionshandel (Aufschlag auf Diesel-Kraftstoff; wird bald durch Aufschlag auf EU-Ebene abgelöst und dann überall gelten) und forderten zudem eine zeitliche Verschiebung der Mauterhöhung. Zudem stellten sie fest, dass es noch kaum Lastwagen für den Fernverkehr mit batterieelektrischen Antrieben und Brennstoffzellen-Wasserstoff-Antrieben geben würde und übten Kritik daran, dass große Teile der zusätzlichen Einnahme in die Schiene fließen. Andere Verbände wiederum, so „Die Güterbahnen“ und „Transport & Environment“ (T & E) sprachen von einer „fachlich gut umgesetzten Regelung“ und wiesen darauf hin, dass der Straßengüterverkehr bezüglich seiner externen Kosten bislang unterbelastet wäre. Mit der nun geplanten Mautausweitung und ‑erhöhung würde sich der Preis nun an den Realpreis annähern. Zudem wurde hervorgehoben, dass die höhere Straßenmaut regionale Wirtschaftskreisläufe stärken und kurze Wege forcieren dürfte. „Die Güterbahnen“ verwiesen auf eine Berechnung des Beratungsinstituts Infras, wonach sich eine Flasche Bier auf dem Weg von München nach Hamburg um 0,8 Cent verteuern würde. Von anderer Seite wurde eine andere Rechnung aufgemacht, die von höheren Preissteigerungen ausgeht. Einer Studie zufolge liegt der durchschnittliche Ladungswert von Lkw-Fahrten bei 19.000 Euro. Der Transportkostenteil liegt bei rund zwei Prozent, bei Nahrungsmitteln bei 2,7 Prozent.[1] T & E sprach in der Anhörung des Bundestags-Verkehrsausschusses davon, dass ab 2024 namhafte europäische Fahrzeughersteller auch langstreckentaugliche E‑Lkw auf den Massenmarkt bringen würden. Andere bezweifelten dies wiederum. In Gesprächen mit Herstellern habe ich selber schon sehr unterschiedliche Aussagen wahrgenommen. Auf der Nutzfahrzeugmesse in Karlsruhe, die ich erst kürzlich besucht habe, sprach beispielsweise Scania davon, „jedes Jahr mindestens ein neues E‑Modell auf den Markt zu bringen“. Auf der Brennstoffzellen- und Wasserstoffmesse auf der Landesmesse Stuttgart berichtete mir der Brennstoffzellenhersteller „Cellcentric“, dass momentan das Interesse an entsprechenden Lkw noch nicht ausreichend erkennbar wäre und man sich von der höheren Maut eine Belebung verspreche.
Welche Erwartungen habt Ihr an die Wirkung einer höheren Lkw-Maut?
Diese schafft Impulse dafür, verstärkt auf die Schiene zu setzen, wo Zugänge und erforderliche Kapazitäten bestehen. Mit den höheren Investitionen in die Schiene wird dies zunehmend einfacher möglich. Zudem wird die Transformation bei den Lkw-Antriebssystemen beschleunigt. Denkbar ist, dass manche Produkte seltener über lange Distanzen transportiert werden und stattdessen auf Produkte mit kürzeren Transportwegen gesetzt wird. Ein Transportunternehmen, das ich besucht hatte, berichtete mir, dass es Blumenerde aus Südeuropa transportieren würde, obwohl eine solche auch in Deutschland produziert werden würde. In der Fachzeitschrift „Deutsche Verkehrszeitung“ (DVZ) gab es interessante Meinungen von Fahrzeugherstellern und ‑ausstattern über verschiedene Thesen. Eine der Thesen war, dass die Anzahl der Leerfahrten durch eine bessere Koordination der Transportkapazitäten gesenkt werden könnte. Die Anbieter von Fahrzeugen unterstützen die These mehr oder weniger und boten Stichworte wie „Ladekapazitäten detektieren“, „Vereinheitlichung und Standardisierung von Fahrzeugkonzepten“ und „Softwareprogramme“.
Steigt die Inflation durch die Erhöhung und Ausweitung der Maut?
Die Auswirkungen werden überschaubar sein, da die Mautkosten auch nach der Erhöhung der Mautsätze nicht den größten Kostenblock an den Transportkosten darstellen werden. Die Transportkosten im Straßengüterverkehr unterscheiden sich je nach transportiertem Gut. Die Mauterhöhung sorgt für Transportkostensteigerungen von 4–6 Prozent. Wenn man davon ausgeht, dass sich die Lkw-Maut verdoppelt, bedeutet das, dass die gesamte Lkw-Maut etwa 10,5% der Transportkosten ausmacht.
Insbesondere bei Lebensmitteln machen die Transportkosten einen geringen Anteil von 2–3 Prozent an den Gesamtkosten aus. Die Lkw-Mauterhöhung führt dementsprechend zu einem Anstieg der Gesamtkosten um 0,1–0,2 Prozent.
Ist die Belastung fair?
Da die Maut von allen, In- wie Ausländern, gezahlt werden muss, stellt sie keine Wettbewerbsverzerrung dar. Auf der Schiene muss übrigens für jeden gefahrenen Meter und jeden Stationshalt ein Nutzungsentgelt bezahlt werden. Im Straßengütergewerbe wird die Maut ausschließlich auf Straßen des Bundes erhoben und die Nutzung der Rastplätze ist gebührenfrei.
[1] Studie von November 2022 im Auftrag des BMDV, erstellt durch Trimode Transport Solutions GmbH;