Für Umplanungen am Flughafen noch nicht zu spät
Die Stuttgart 21-Planungen am Flughafen waren schon immer strittig. Jetzt wachsen auch bei der Deutschen Bahn die Zweifel. Ideen für Alternativen sollten ernsthaft geprüft werden.
Zur Erinnerung: Am Flughafen ist vorgesehen, die über die noch zu bauende Rohrer Kurve und die S‑Bahn-Strecke zwischen Oberaichen und Echterdingen fahrenden Züge der Gäubahn neben dem S‑Bahnhof auf dem ebenfalls noch zu errichtenden „dritten Gleis“ halten zu lassen. Unweit davon soll ein weiterer Tiefbahnhof für die Züge, die von der Neubaustrecke entlang der Autobahn kommen, entstehen. Es ist ein Mischverkehr auf der bestehenden, bislang rein für den Verkehr mit S‑Bahnen gebauten Strecke sowie ein kompliziertes System aus Tunneln am Flughafen vorgesehen.
Für die Deutsche Bahn als Bauträgerin stellen sich hohe technische Anforderungen. Noch dazu musste der Terminplan schon mehrfach korrigiert werden. Es fehlen noch immer erforderliche Baugenehmigungen. Der Flughafen, selbst einer der Projektpartner für Stuttgart 21, fürchtet sich vor einer jahrelangen großen Baugrube in zentraler Lage.
Meine Meinung:
Die Klärung von Alternativen ist längst überfällig. Besser diese Fragen werden jetzt geklärt als nie. Wenn sich alle ernsthaft auf eine Alternativenprüfung einlassen ist es noch nicht zu spät. Ich sehe die Chance, einige Dinge einfacher und funktionaler zu gestalten. Ein heranrücken des neuen Bahnhofs an die Neubaustrecke bei der Autobahn reduziert den Zeitverlust für den Großteil der Reisenden, die am Flughafen weder ein- noch aussteigen wollen. Dies wiederum kann ein Aspekt für die Entscheidung sein, wie viele Fernverkehrszüge am Flughafen halten und wie viele ohne Halt vorbeirauschen werden. Diese Zeitersparnis vereinfacht auch die Lösung der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem neuen Bahnhalt in Merklingen. Ich erwarte, dass die Deutsche Bahn offensiv auf die Projektpartner zugeht und Alternativen darlegt. Klärungsbedürftig ist beispielsweise die Möglichkeit einer Bahnverbindung von den westlichen Fildern ins Neckartal (Ringschluss). Von den Projektpartnern wünsche ich mir Offenheit für die Ideen und die Bereitschaft zu weiteren Veränderungen an den Planungen.
Neubaustrecke Wendlingen-Ulm
Zur Diskussion um eine mögliche Inbetriebnahme der NBS Wendlingen-Ulm unabhängig von der Fertigstellung von Stuttgart 21:
Die Fertigstellungszeitpunkte für das Projekt Stuttgart 21 (Tiefbahnhof mit der Fern- und Regionalverkehrs-Anbindung des Flughafens) einerseits sowie die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm andererseits werden mit immer größerer Wahrscheinlichkeit um mindestens ein, eher zwei oder mehr Jahre auseinanderliegen.
Meine Meinung:
Die Chance, den Fahrgästen auf der Strecke zwischen Stuttgart und Ulm die Fahrtzeit zu verkürzen, muss genutzt werden. Darauf dränge ich seit langem mit zahlreichen Initiativen gegenüber der Bundesregierung und der Deutschen Bahn. Beide haben sich bisher geweigert, sich damit zu befassen. Sollten Pressemeldungen zutreffen, wonach die Deutsche Bahn sich dazu inzwischen positiv geäußert hat, so ist das sehr zu begrüßen. Ich wünsche mir hierzu eine klare Positionierung seitens des Bundes und des Bahnkonzerns. Erforderlich ist, dass die Leistungsfähigkeit des Streckenabschnitts zwischen Plochingen und Wendlingen und der eingleisigen Zuführung in den Albvorlandtunnel untersucht wird. Wenn klar ist, wie viele Züge diese Trassen nutzen können, kann für die überlastete Filstalbahn ein Konzept für einen verlässlichen und damit attraktiven Bahnverkehr entwickelt und umgesetzt werden.
Zu den Kosten und dem Zeitplan
Immer wieder habe ich die Bundesregierung nach dem Stand der Kosten für das Projekt Stuttgart 21 und nach dem Zeitplan gefragt. Aus den Antworten ging hervor, dass die Bundesregierung nie eine aktiv aufklärende Rolle gespielt hat. Sie nimmt zwar die Eigentümerrolle gegenüber der Deutschen Bahn AG wahr und die DB ist Bauherrin des Projektes, doch die Bundesregierung hält sich aus allen Problemen mit dem Milliardenprojekt heraus. Dabei stellen die steigenden Kosten auch ein Risiko für den Bund dar: Mehrkosten sind nicht finanziert, bleiben an der DB hängen und drücken die Dividende, die der Bund Jahr für Jahr von seinem Bahnunternehmen in den Bundeshaushalt eingezahlt bekommt.
Nachdem die Bundestagsfraktion der Grünen vor dem Bundesverfassungsgericht am Beispiel der Deutschen Bahn und von Stuttgart 21 ein weitergehendes Auskunftsrecht gegenüber der Bundesregierung erstritten hat, habe ich mich nun erneut über Kosten und Zeitplan erkundigt. Die Antwort auf meine sog. „Schriftliche Frage“: Ziel der DB sei nach wie vor die Inbetriebnahme im Dezember 2021 und die Einhaltung des Kostenrahmens von 6,5 Milliarden Euro. Der „zeitliche Gegensteuerungsbedarf“ von zwei Jahren habe bislang aber „nicht wesentlich reduziert“ werden können. Nähere Informationen würden in der kommenden Aufsichtsratssitzung erwartet. Schließlich fügte die Bundesregierung noch einen Link zu einer Presseerklärung der Deutschen Bahn an.
Dazu mein Kommentar: „Die kärgliche Antwort der Bundesregierung zeigt das ganze Dilemma: Niemand weiß, wie teuer uns Stuttgart 21 kommen wird. Die Verantwortlichen beim Bund und der Deutschen Bahn wollten die Kosten bislang auch nicht wissen. Die Bundesregierung versteckt sich hinter Presseerklärungen des bundeseigenen Bahnunternehmens statt einen aktiven Part einzunehmen. Meine Frage nach Konsequenzen lässt die Bundesregierung konsequenterweise unbeantwortet. Diese Wirklichkeits- und Verantwortungsverweigerung muss mit der neuen Bundesregierung ein Ende finden. Vor allem dann, wenn es zu einer Jamaika-Koalition kommen sollte, muss das Bundesverkehrsministerium von selbst aus aktiv werden anstatt den Ahnungslosen zu geben, wenn solche Großprojekte aus dem Ruder laufen.“
Gesamtfazit
Es wird immer deutlicher, dass Stuttgart 21 ein politisch erzwungenes und planerisch wie verkehrlich nicht durchdachtes Projekt darstellt. Kosten wurden unter Ausblendung von Risiken lange bewusst niedrig angegeben, um die politischen Mehrheiten und die gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern.
An vielen Stellen sind die Mängel so gravierend, dass nachgebessert werden muss. Die ernsthafte Diskussion darüber ist eröffnet. Dafür ist es spät, aber noch ist der Zug nicht abgefahren.