02.07.2020, ergänzt am 18.07.2020
Wie zur Entlastung kommen?
In vier Online-Fachdialogen wurde über “Verkehrliche Herausforderungen im Nordosten Stuttgarts” gesprochen. Eingeladen hatte Verkehrsminister Winfried Hermann. Beteiligt waren Fachleute aus Wissenschaft, Ministerium, Verband Region Stuttgart, Landeshauptstadt und weiterer Kommunen, Verkehrs- und Umweltverbänden sowie Unternehmen, Abgeordnete aus Bund und Land und Vertreter von Bürgerinitiativen.
Acht Stunden lang wurden Gutachten und Stellungnahmen vorgetragen und insbesondere über den strittigen Nordost-Ring und die Filderauffahrt diskutiert.
Aus meiner Sicht wurden klar bzw. bestätigt:
1. Der (Un-)Sinn von Umgehungsstraßen muss vor allem an der innerörtlichen Entlastungswirkung und damit weniger Lärm- und Schadstoffbelastung für die Menschen festgemacht werden.
2. Die Landeshauptstadt erwartet von diesen neuen Straßen im Stadtgebiet keine Entlastung. Gutachter bestätigen dies.
3. Die Landeshauptstadt verspricht sich Entlastungswirkungen durch den geplanten Ausbau der vorhandenen Autobahnen im Westen und Süden.
4. Eine im Auftrag des Verband Region Stuttgart erstellte Studie erwartet durch einen vier-streifigen (!) Nordost-Ring nur an zwei Straßenabschnitten im Nordosten von Stuttgart eine sehr deutliche Verkehrsabnahme. Wobei angesichts mangelnder Untersuchungstiefe unklar bleibt, inwiefern davon Menschen in Wohnlagen profitieren.
5. Es wurde bestätigt, dass auch dieser Straßenneubau neuen Verkehr produziert. Grund: In gleicher Zeit kommt man weiter, weshalb Autofahrende längere Wege bspw. an den Arbeitsplatz oder zum Einkauf akzeptieren.
6. Interessant war die Aussage des Unternehmers Rüdiger Stihl, dass die von ihm favorisierte Tunnelvariante eines Nordost-Rings nicht für den Auto‑, sondern für den Güterverkehr gebraucht werde.
Mein persönliches Fazit: Neue Straßen wie der Nordost-Ring werden nur an wenigen Stellen spürbar und dauerhaft Menschen von Lärm und Abgasen entlasten. Insgesamt würde auch diese Straße in Summe mehr Verkehr produzieren. Es braucht andere Lösungen wie einen besseren öffentlichen Nahverkehr, den Ausbau der Radverkehrs-Infrastruktur, die Verlagerung von mehr Gütern auf die Schiene usw.
Nachtrag: Nach vier Foren mit dem Austausch von Fachleuten (ich war bei 3,5 davon dabei) gab es eine Abschlussveranstaltung in Form einer öffentlichen Videokonferenz. Die Waiblinger Kreiszeitung schrieb darüber: “Das früher oft vorgebrachte Argument, dass der Nordostring den von Blechströmen gefluteten Stuttgarter Talkessel erlösen werde, darf man wohl in der Pfeife rauchen – nicht mal Ringfreunde bemühen es in diesen Fachdialogen noch.”