Prof. Kern: „Lockdown unbedingt notwendig“
Corona hat unsere Alltage stark verändert. Über die Gefahrenlage und die Angemessenheit bzw. Wirksamkeit der Beschränkungen wird teils heftig diskutiert. Diskussionen darüber sind notwendig.
Fakt ist: Die Intensivstationen auch in meiner Region füllen sich mehr und mehr mit Corona-Patienten. Teilweise sind alle Intensivbetten belegt und Operationen müssen abgesagt werden. Über Corona kursieren aber auch viele Mythen, manche verharmlosen oder leugnen sogar das Virus. Eine der oft wiederholten Behauptungen ist, die Politik würde nur durch wenige Personen wie Drosten und Wieler beraten werden. Das ist falsch, wie der Referent einer öffentlichen Veranstaltung zeigt, zu der ich gemeinsam mit Andrea Lindlohr und Andreas Schwarz (beide aus dem Landtag) eingeladen hatte. Prof. Winfried Kern ist einer von mehreren Fachleuten, die die Landesregierung in der Pandemiebekämpfung berät.
Rund 40 Gäste hatten sich eingewählt. Interessant war, wie schon bei allen vorangegangenen Veranstaltungen, dass sich keine Kritiker*innen der Corona-Politik beteiligt hatten. Kritische Fragen gab es dennoch, so zu den Regelungen in den Schulen, der Maskenpflicht im Freien oder den Risiken durch schnell entwickelte Impfstoffe.
Professor Kern bezeichnete den Lockdown als „eindeutig notwendig“. Es gehe darum, die Anzahl der Kontakte zu reduzieren, um medizinische Kapazitäten nicht zu überlasten. Bisher sei das Krisenmanagement überwiegend klug gewesen. Aber auch das Gesundheitswesen an sich habe sich bewährt. Dadurch seien härtere Maßnahmen, wie sie in anderen Ländern, so in Frankreich oder in Spanien erlassen worden seien, vermeidbar gewesen. Kritik übte der Infektiologe an der Schnelltest-Strategie. In Pflegeheimen bräuchte man mobile Schnelltest-Teams.
Fragen der Gäste bezogen sich beispielsweise auf aktuelle Erkenntnisse bezüglich der Langzeitfolgen für Menschen, die an Covid erkrankt waren. Prof. Kern antwortete, dass dazu noch keine verlässlichen Aussagen gemacht werden könnten, man aber davon ausgehen müsse, dass es insbesondere bei Erkrankten, die länger beatmet werden mussten, auch noch mehr als ein Jahr später gesundheitliche Einschränkungen geben könne. Der Anteil von ehemals Erkrankten mit Langzeitfolgen sei aber vermutlich gering und würde bei deutlich unter zehn Prozent liegen. Auf die Frage, ob es eine Übersterblichkeit gäbe, verwies er zunächst auf Österreich, wo eine solche bereits deutlich erkennbar sei. Auch in Deutschland müsse man davon ausgehen, zumal die Sterblichkeit noch weiter ansteigen werde. Zur Impfung vertrat er die Meinung, dass der Impfstoff trotz der kurzen Entwicklungszeit sicher sei, wenn alle erforderlichen Entwicklungsschritte eingehalten worden seien. Er selber würde sich impfen lassen. Als erstes sollten Angehörigen der „kritischen Infrastruktur“ (Feuerwehr, DRK usw.) geimpft werden, in einem zweiten Schritt auch ältere Menschen.
Da sich der Mediziner nach einer Stunden in den Krisenstab der Landesregierung verabschieden musste, diskutierten wir Abgeordneten noch eine Weile mit den Gästen über die Sinnhaftigkeit der einzelnen beschränkenden Maßnahmen und das Impfen.