Pünktlichkeit bei der S‑Bahn Stuttgart

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09.04.2019

Interessante Daten zur S‑Bahn Stuttgart 

Regel­mä­ßi­ge Nut­zer der S‑Bahn Stutt­gart ken­nen die Durch­sa­ge „[…] Minu­ten spä­ter, Grund dafür ist eine Signal­stö­rung.“, wobei als Begrün­dung wahl­wei­se auch eine Wei­chen­stö­rung oder Bau­ar­bei­ten genannt wer­den kann. Fragt man lang­jäh­ri­ge Nut­zer der S‑Bahn, so bekommt man häu­fig zu hören, dass die Anzahl der Stö­run­gen frü­her merk­lich gerin­ger war. Doch wie sehen die har­ten Fak­ten dazu aus?

Anhand eines aus­führ­li­chen Doku­ments der DB Netz, dem Eigen­tü­mer und Betrei­ber aller Gleis­an­la­gen des S‑Bahn-Net­zes Stutt­gart, kann man die Ent­wick­lung der Infra­struk­tur­stö­run­gen von 2011 bis inklu­si­ve Sep­tem­ber 2018 ver­fol­gen und aus­wer­ten.

Zual­lerst muss gesagt wer­den, dass nur cir­ca 15% aller im Netz der S‑Bahn Stutt­gart auf­ge­bau­ten Ver­spä­tun­gen auf Infra­struk­tur­stö­run­gen zurück gehen, die rest­li­chen 85% sind bei­spiels­wei­se Fahr­zeug­stö­run­gen, zu lan­ge Halt­zei­ten auf­grund von Per­so­nen im Tür­be­reich oder exter­ne Ein­flüs­se. Trotz­dem lohnt sich eine Betrach­tung der Infra­struk­tur, da auf­grund der engen Ver­zah­nung zwi­schen Fahr­zeug, Betriebs­pro­gramm und Infra­struk­tur bei der Eisen­bahn jeder Teil­be­reich ver­su­chen muss, einen mög­lichst stö­rungs­frei­en Betrieb zu ermög­li­chen.

Bei der Betrach­tung der gesam­ten Anzahl der Stö­run­gen über die Jah­re hin­weg fällt auf, dass 2011 tat­säch­lich das Jahr mit der gerings­ten Anzahl an Stö­run­gen im Netz war. Seit­dem stieg die Zahl der Stö­run­gen kon­stant an, bis 2014 der Höhe­punkt mit 2247 Stö­run­gen erreicht wur­de. Seit­dem kam es zu einer lang­sa­men Ent­span­nung, so dass bei der Anzahl der Stö­run­gen 2018 wahr­schein­lich wie­der das Niveau von 2011 erreicht wur­de. Ein­deu­ti­ger Spit­zen­rei­ter aller Stö­rungs­ur­sa­chen ist die Leit- und Siche­rungs­tech­nik, also die Stell­wer­ke und alle dazu­ge­hö­ri­gen Tei­le an den Stre­cken wie Signa­le und Wei­chen. Eben­falls erwäh­nens­wert sind Bau­ar­bei­ten sowie dabei auf­tre­ten­de Unre­gel­mä­ßig­kei­ten wie eine Über­schrei­tung der geplan­ten Sperr­zeit oder das Nicht­er­rei­chen eines geplan­ten Zustands.

Bei der Zahl der durch die­se Stö­run­gen ver­ur­sach­ten Ver­spä­tun­gen ergibt sich ein leicht ande­res Bild. Zwar wur­de auch hier 2011 der bes­te Wert erreicht und danach stieg die­ser an. Aller­dings ist einer­seits der Sprung von 2012 auf 2013 bemer­kens­wert, wonach 2013 über 13.500 Minu­ten mehr Ver­spä­tun­gen auf­ge­baut wur­den als noch 2012 – das sind nahe­zu 9,5 Tage mehr. Im Dezem­ber 2012 wur­de sowohl die Ver­län­ge­rung der S4 von Mar­bach nach Back­nang als auch die S60 von Sin­del­fin­gen nach Renn­in­gen in Betrieb genom­men und auf die­sen Stre­cken ein dich­te­res Ange­bot gefah­ren als davor. Doch selbst wenn man auf die­sen Stre­cken für 2013 hypo­the­tisch die­sel­be Ver­spä­tungs­men­ge wie 2012 ansetzt, blei­ben immer noch ca. 12.200 Minu­ten mehr Ver­spä­tung als 2012 übrig. Auf die­sem hohen Niveau ver­har­ren die Zah­len bis inklu­si­ve 2016. Erst seit 2017 deu­tet sich ein posi­ti­ver Trend nach unten an, der auch durch die vor­läu­fi­gen Zah­len 2018 bestä­tigt wird. Vom Niveau von 2011 ist man aller­dings immer noch weit ent­fernt. Bei der Auf­schlüs­se­lung der Ver­spä­tun­gen ist die Leit- und Siche­rungs­tech­nik der Spit­zen­rei­ter. Aller­dings ist hier der Ein­fluss der Bau­ar­bei­ten deut­lich grö­ßer als bei der Zahl der Stö­run­gen. Dar­aus folgt, dass eine Stö­rung durch eine Bau­stel­le deut­lich mehr Ver­spä­tung erzeugt als eine Stö­rung der Leit- und Siche­rungs­tech­nik. Eben­falls sicht­bar wer­den hier die durch Stö­run­gen der Fahr­bahn, bei­spiels­wei­se eine Ver­schie­bung der Schie­nen oder unter­spül­te Glei­se, ver­ur­sach­ten Ver­spä­tun­gen.

Zieht man noch die Zahl der durch die Infra­struk­tur­stö­run­gen betrof­fe­nen Züge hin­zu, kann man dar­aus die durch­schnitt­li­che Ver­spä­tung pro Zug, der durch eine Infra­struk­tur­stö­rung behin­dert wird, berech­nen. Die­ser Wert ist von 3,77 Minu­ten im Jahr 2011 auf 4,21 Minu­ten 2018 gestie­gen. Dies, zusam­men mit dem bestell­ten Mehr­ver­kehr seit dem Fahr­plan 2011 erklärt, war­um trotz etwa glei­cher Stö­rungs­an­zahl die dadurch erzeug­ten Ver­spä­tun­gen deut­lich ange­stie­gen sind.

Betrach­tet man die Orte, an denen die meis­ten Stö­run­gen ent­ste­hen, sieht man, dass die Stö­run­gen häu­fig an den grö­ße­ren „Kno­ten­bahn­hö­fen“ im Netz auf­tre­ten und eher sel­te­ner an Zwi­schen­sta­tio­nen oder auf den Außen­äs­ten. Dies ist damit erklär­bar, dass kom­ple­xe­re und stär­ker genutz­te Infra­struk­tur natür­lich frü­her dazu neigt aus­zu­fal­len, bezie­hungs­wei­se an die­sen Punk­ten sich Stö­run­gen stär­ker auf das Gesamt­netz aus­wir­ken, als an schwä­cher fre­quen­tier­ten Sta­tio­nen. Betrach­tet man die 10 wich­tigs­ten der 83 Sta­tio­nen im Netz, also cir­ca 12% aller Sta­tio­nen, fällt auf, dass jedes Jahr zwi­schen 40 und 50 Pro­zent aller auf­ge­bau­ten Ver­spä­tun­gen durch Infra­struk­tur­stö­run­gen an die­sen Sta­tio­nen anfal­len (sie­he bei­spiel­haf­tes Dia­gramm für 2018). Die Spit­zen­rei­ter sind hier­bei der Haupt­bahn­hof (tief) und, sogar noch vor der Schwab­stra­ße, der Bahn­hof Zuffen­hau­sen. Inves­ti­tio­nen in die Stand­fes­tig­keit der Infra­struk­tur, denn auch hier ist die Leit- und Siche­rungs­tech­nik der Haupt­stö­rungs­grund, hät­ten wohl bei die­sen drei Sta­tio­nen den posi­tivs­ten Effekt für das Gesamt­netz. Eben­falls aus den Zah­len ables­bar sind auch posi­ti­ve Bei­spie­le. So bau­en Lud­wigs­burg oder Bad Cannstatt, obwohl hier mehr Züge fah­ren, weni­ger Ver­spä­tung auf als der Kno­ten Waib­lin­gen.

Fazit: Nach­dem die Infra­struk­tur­stö­run­gen und die dar­aus resul­tie­ren­den Ver­spä­tun­gen von 2011 bis zur Mit­te des Jahr­zehnts immer wei­ter ange­stie­gen sind, ist in den letz­ten Jah­ren bei bei­den Wer­ten ein posi­ti­ver Trend nach unten zu beob­ach­ten. Hier darf DB Netz nun nicht nach­las­sen, son­dern muss ver­su­chen, die­sen Trend fort­zu­schrei­ben. Dabei ist der Leit- und Siche­rungs­tech­nik und deren Erneue­rung gro­ße Auf­merk­sam­keit zu wid­men, eben­so einer Unter­su­chung und even­tu­el­len Opti­mie­rung der aktu­el­len Bau­stel­len­pla­nung.

Anmer­kun­gen:

1. Für 2018 lagen nur Zah­len bis inklu­si­ve Sep­tem­ber vor. Auf Basis die­ser Daten wur­de eine Hoch­rech­nung der erwar­te­ten Wer­te für das Gesamt­jahr vor­ge­nom­men

2. Zwar fand 2011 und 2012 kein nen­nens­wer­ter S‑Bahn-Ver­kehr auf den Stre­cken Mar­bach – Back­nang und Böb­lin­gen – Renn­in­gen statt, die­se Stre­cken wur­den trotz­dem in die­sen Jah­ren in das S‑Bahn-Netz gerech­net, um eine bes­se­re Ver­gleich­bar­keit der Daten zu errei­chen.