S‑Bahn: Taktverdichtung nach Filderstadt möglich – und sinnvoll!

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22.06.2018

MdB Mat­thi­as Gastel (rechts) und David Gla­ser im S‑Bahnhof in Bern­hau­sen;  Foto: Kai­er

Bachelorarbeit hat 15-Minuten-Takt untersucht

Im Rah­men sei­ner Bache­lor­ar­beit hat sich David Gla­ser, stu­den­ti­scher Mit­ar­bei­ter von mir und Absol­vent des Stu­di­en­gangs Ver­kehrs­in­ge­nieur­we­sen an der Uni­ver­si­tät Stutt­gart, mit der Fahr­plan­ge­stal­tung und der Betriebs­qua­li­tät (Pünkt­lich­keit) des Schie­nen­per­so­nen­nah­ver­kehrs (SPNV) auf ein­glei­si­gen Stre­cken­ab­schnit­ten befasst. Die Unter­su­chun­gen wur­den am Bei­spiel der S‑Bahn-Stre­cke Lein­fel­den – Fil­der­stadt mit dem ein­glei­si­gen Flug­ha­fen­tun­nel durch­ge­führt. Dabei wur­de auch ein 15-Minu­ten-Takt nach Fil­der­stadt unter­sucht. Die fol­gen­den drei Abschnit­te fas­sen den Inhalt und die Ergeb­nis­se der Bache­lor­ar­beit zusam­men.

(Titel der Bache­lor­ar­beit: „Ablei­tung des funk­tio­na­len Zusam­men­hangs zwi­schen Fahr- und Hal­te­zeit-zuschlä­gen und der Betriebs­qua­li­tät auf ein­glei­si­gen Stre­cken­ab­schnit­ten im Schie­nen­per­so­nen­nah­ver­kehr“, Prü­fer: Prof. Dr.-Ing. Ull­rich Mar­tin, Betreu­er: Dr. rer. nat. Fabi­an Hantsch)

The­ma­tik ein­glei­si­ger Stre­cken­ab­schnit­te und in der Bache­lor­ar­beit unter­such­ter Lösungs­an­satz

Aus Kos­ten­grün­den und auf­grund gerin­ge­rer Nach­fra­ge wer­den in den Außen­be­rei­chen von SPNV-Net­zen teil­wei­se ein­glei­sig gebaut. Die­se Stre­cken haben all­ge­mein eine begrenz­te Kapa­zi­tät und schrän­ken die Fle­xi­bi­li­tät im Betrieb ein. Dadurch erhö­hen sie die Wahr­schein­lich­keit für Ver­spä­tun­gen im Bahn­ver­kehr. Gleich­zei­tig gibt es auf Bün­de­lungs­stre­cken kaum Mög­lich­kei­ten für die Kom­pen­sa­ti­on von Ver­spä­tun­gen, wes­halb in Außen­be­rei­chen von SPNV-Net­zen mög­lichst ein Ver­spä­tungs­auf­bau ver­hin­dert, eher noch ein Ver­spä­tungs­ab­bau erreicht wer­den soll­te.

Als Lösungs­an­satz der The­ma­tik wur­den in der Bache­lor­ar­beit die Gestal­tung von Reser­ve­zei­ten unter­sucht. Die­se sind in Fahr­plä­nen ent­hal­ten, „um die Pünkt­lich­keit trotz Fahr­plan­ab­wei­chun­gen durch klei­ne­re Behin­de­run­gen zu gewähr­leis­ten.“[1]

Zielstellung der Bachelorarbeit und Ergebnis

Die Fra­gen, die in der Arbeit beant­wor­tet wer­den soll­ten, waren:

  • Wie hoch müs­sen fahr­pla­ne­ri­sche Reser­ve­zei­ten (Fahr- bzw. Hal­te­zeit­zu­schlä­ge) an ein­glei­si­gen Stre­cken­ab­schnit­ten im SPNV sein, damit bei gege­be­nen Ein­bruchs­ver­spä­tun­gen eine vor­ge­ge­be­ne Betriebs­qua­li­tät erreicht wer­den kann?
  • In wel­cher Form und mit wel­cher räum­li­chen Ver­tei­lung sind die­se Zuschlä­ge anzu­ord­nen, um eine mög­lichst gute Betriebs­qua­li­tät zu errei­chen?[2]

Um die­se Fra­gen beant­wor­ten zu kön­nen, wur­de der Zusam­men­hang zwi­schen Reser­ve­zei­ten im Fahr­plan und der Betriebs­qua­li­tät auf ein­glei­si­gen Stre­cken­ab­schnit­ten im SPNV unter­sucht. Es wur­de fest­ge­stellt, dass ein sol­cher Zusam­men­hang besteht und die­ser durch eine mathe­ma­ti­sche Funk­ti­on beschrie­ben wer­den kann. Er kann genutzt wer­den, um die nöti­ge Reser­ve­zeit für eine ange­streb­te Betriebs­qua­li­tät zu bestim­men. Der funk­tio­na­le Ansatz und die ent­wi­ckel­te Metho­de sind prin­zi­pi­ell für belie­bi­ge ein­glei­si­ge Stre­cken­ab­schnit­te und Betriebs­pro­gram­me anwend­bar.

15-Minu­ten-Takt nach Fil­der­stadt

Das Modell für die Unter­su­chun­gen der Bache­lor­ar­beit war die Stre­cke Lein­fel­den – Fil­der­stadt der S‑Bahn Stutt­gart mit dem ein­glei­si­gen Abschnitt Flughafen/Messe – Fil­der­stadt. Es wur­den für ver­schie­de­ne Betriebs­pro­gram­me (Fahr­plä­ne) Betriebs­si­mu­la­tio­nen durch­ge­führt. Dabei wer­den Fahr­plä­ne mit Stö­run­gen über­la­gert und der Betrieb simu­liert.

Im Modell wur­de bei Nut­zung eines typi­schen Simu­la­ti­ons­pro­gramms ein 15-Minu­ten-Takt der S2 zu Grun­de gelegt, der sich am bestehen­den Fahr­plan ori­en­tiert. Ein Betrieb im 15-Minu­ten-Takt konn­te im Simu­la­ti­ons­mo­dell dar­ge­stellt wer­den. Der ein­glei­si­ge Tun­nel weist bei den aktu­ell halb­stünd­lich fah­ren­den S‑Bahnen Kapa­zi­tät für wei­te­re Zug­fahr­ten auf. Die zeit­li­chen Lücken sind groß genug, um eine dich­te­re Tak­tung als heu­te rea­li­sie­ren zu kön­nen.

Eine Takt­ver­dich­tung führt in der Regel zu einer schlech­te­ren Betriebs­qua­li­tät (mehr Ver­spä­tun­gen) im Bereich ein­glei­si­ger Stre­cken­ab­schnit­te. Unter ande­rem die in die­ser Arbeit gefun­de­nen Erkennt­nis­se zum Zusam­men­hang zwi­schen Reser­ve­zei­ten und der Betriebs­qua­li­tät kön­nen dabei hel­fen, letz­te­re dann wie­der zu ver­bes­sern.

Wie sich ein 15-Minu­ten-Takt der S2 in Ver­bin­dung mit dem ein­glei­si­gen Abschnitt zwi­schen Flughafen/Messe und Fil­der­stadt auf die Betriebs­qua­li­tät des gesam­ten S‑Bahn-Net­zes aus­wir­ken, müs­sen kon­kre­te Unter­su­chun­gen zei­gen.

Politische Einordnung, Bewertung und Schlussfolgerungen

David Gla­ser hat sich für sei­ne Bache­lor­ar­beit ein hoch­span­nen­des The­ma aus­ge­wählt und die Betriebs­si­mu­la­ti­on aus mei­ner Sicht äußerst sorg­fäl­tig her­ge­lei­tet.

Im Auf­trag des Ver­ban­des der Regi­on Stutt­gart (VRS) wird der­zeit eine Unter­su­chung durch­ge­führt, die sich eben­falls mit einer Takt­ver­dich­tung der S‑Bahn nach Fil­der­stadt befasst. Die Ergeb­nis­se wer­den vor­aus­sicht­lich im Juli dem Ver­kehrs­aus­schuss der Regio­nal­ver­samm­lung vor­ge­stellt. Ich rech­ne fest damit, dass auch die­se Unter­su­chung die Mach­bar­keit eines 15-Minu­ten-Tak­tes bestä­tigt.

Die Takt­ver­dich­tung soll­te mit einer mög­lichst hohen Betriebs­qua­li­tät (ins­be­son­de­re Pünkt­lich­keit) umge­setzt wer­den. Dazu soll­ten fol­gen­de Maß­nah­men näher unter­sucht bzw. umge­setzt wer­den:

Im Netz der S‑Bahn Stutt­gart:

- Ver­kür­zung der Hal­te­zei­ten an den Sta­tio­nen (Beschleu­ni­gung des Aus- und Zustiegs)

- Ein­pla­nung von Reser­ve­zei­ten im not­wen­di­gen Rah­men

- Umset­zung von ETCS im Netz der S‑Bahn

- Ent­las­tung der Stamm­stre­cke durch Nut­zungs­kon­zept für die Gäu­bahn („Pan­ora­m­abahn“) und die Schaf­fung wei­te­rer Tan­gen­ti­al­ver­bin­dun­gen

Im Flughafentunnel/Bernhausen:

- Fest­hal­ten am Kon­zept der über­schla­gen­den Wen­de

- Zug­kreu­zung (Wei­chen) mög­lichst nah am Eng­pass

Mei­ne Erwar­tung ist, dass der Ver­band Regi­on Stutt­gart als Auf­ga­ben­trä­ger für die S‑Bahn die Takt­ver­dich­tung in Ver­bin­dung mit Maß­nah­men zur Sta­bi­li­sie­rung und Erhö­hung der Betriebs­qua­li­tät kon­kret plant. Dafür ist jetzt die Beauf­tra­gung einer auf die kon­kre­te Umset­zung aus­ge­rich­te­ten Mach­bar­keits­stu­die erfor­der­lich. Der frü­hest­mög­li­che Umset­zungs­zeit­punkt kann nach ver­tief­ten Unter­su­chun­gen fest­ge­legt wer­den und hängt ins­be­son­de­re davon ab, ob zusätz­li­ches Wagen­ma­te­ri­al benö­tigt wird.

Das Bus­kon­zept für den Bahn­hof Bern­hau­sen soll­te so ange­passt wer­den, dass zumin­dest wäh­rend der Haupt­ver­kehrs­zei­ten auch die Bus­se im Vier­tel­stun­den­takt ver­keh­ren.

Die Takt­ver­dich­tun­gen wer­den ein kla­res Signal für star­ke Bahn- und Bus­an­ge­bo­te in einem ver­dich­te­ten und von Stau und hoher Luft- und Lärm­be­las­tung gepräg­ten Raum sein. Die Devi­se könn­te lau­ten: “Stark im Takt, bequem und umwelt­freund­lich mobil”. Die Takt­ver­dich­tun­gen bei Bahn und Bus­sen sind der Grund­stein für ein deut­li­ches Fahr­gast­wachs­tum und weni­ger Auto­ver­kehr.

[1] Quel­le: Mar­tin, Ull­rich; Li, Xia­o­jun (2014): Ein­fluss des Betriebs­pro­gramms und der Infra­struk­tur­ge­stal­tung auf die Ent­ste­hung von Eng­päs­sen. In: Eisen­bahn­tech­ni­sche Rund­schau 63 (3), S. 16–21.

[2] Die Fra­gen sind der Auf­ga­ben­stel­lung der Bache­lor­ar­beit von David Gla­ser ent­nom­men.