Service-Praktikum am Hauptbahnhof

16.09.2022

Im Gespräch mit einem Fahr­gast.

Nähere Einblicke in den Bahn-Alltag

Was erle­ben die Ser­vice-Mit­ar­bei­ter/in­nen der Deut­schen Bahn im direk­ten Kon­takt mit den Rei­sen­den? Ich habe mir eine knal­li­ge Warn­wes­te mit der Auf­schrift „Ser­vice“ über­ge­zo­gen und bin mit eini­gen erfah­re­nen Ser­vice­kräf­ten auf den Bahn­stei­gen des Ber­li­ner Haupt­bahn­hofs unter­wegs gewe­sen.

Es war einer der ruhi­gen Tage. Zwar waren vie­le Züge ver­spä­tet, die Fahr­gäs­te auf den Bahn­stei­gen aber wir­ken ent­spannt. Noch wäh­rend der Ein­wei­sung kam ein aus der Ukrai­ne stam­men­der Mann auf uns zu, mit dem kei­ne Ver­stän­di­gung mög­lich war. Sei­nem Rei­se­plan konn­ten wir ent­neh­men, dass er zur Stadt­bahn woll­te. Wir brach­ten ihn dort hin. Erstaunt war ich, als mir berich­tet wur­de, dass täg­lich rund 400 Geflüch­te­te aus der Ukrai­ne am Haupt­bahn­hof ankä­men. Als Rei­sen­der bekam ich davon bis­her so gut wie nichts mit. Geplan­ter Wei­se, weil nur auf Vor­ankün­di­gung mög­lich, gehö­ren die Hil­fen für mobi­li­täts­ein­ge­schränk­te Men­schen zu den Haupt­auf­ga­ben des Ser­vices. Erst hal­fen wir einer Dame mit Sau­er­stoff­fla­sche und Gepäck auf den rich­ti­gen Bahn­steig zum Umstieg an die Ost­see. Spä­ter war es eine älte­re Dame, die uns als seh- und hör­be­ein­träch­tigt ange­kün­digt wor­den war, mit der sich dann aber doch eine leb­haf­te Unter­hal­tung ent­wi­ckel­te. Sie wur­de von einer Ser­vice­mit­ar­bei­te­rin gestützt, wäh­rend ich mich ich um das Gepäck küm­mer­te. Wir brach­ten sie auf den rich­ti­gen Bahn­steig, von wo aus sie wegen ihrer Krebs­er­kran­kung ins Kran­ken­haus fah­ren woll­te. Da der Zug erst spä­ter abfuhr, gaben wir bis zum zwei­ten Teil die­ses Ein­sat­zes, der Beglei­tung beim Ein­stieg, noch eini­ge Aus­künf­te auf den unte­ren Bahn­stei­gen des mehr­ge­schos­si­gen Bahn­hofs. Dort wur­den wir von einem Zug­be­glei­ter dar­auf auf­merk­sam gemacht, dass sich Rei­sen­de über ein etwa sechs­jäh­ri­ges bet­teln­des Kind beschwert hät­ten. Es sei unbe­glei­tet unter­wegs. Mein Anlei­ter infor­mier­te die dafür zustän­di­ge Bun­des­po­li­zei, die nach dem Kind such­te.

Die am häu­figs­ten durch Rei­sen­de gestell­te Fra­ge war die, an wel­chem Bahn­steig­ab­schnitt wel­cher Wagen hal­ten wird. Prompt erleb­ten wir, was nicht hät­te pas­sie­ren dürf­te: Der Zug fuhr in umge­kehr­ter Wagen­rei­hung ein. Wir hat­ten zahl­rei­che Fahr­gäs­te in die fal­sche Rich­tung geschickt. Eini­ge kamen nach Ein­fahrt des Zuges zurück zu uns und beklag­ten sich – was ich gut ver­ste­hen kann. Auch immer wie­der gefragt wur­de: Wel­cher Zug­teil fährt nach Köln, wel­cher nach Düs­sel­dorf? Ein ICE ver­riet man­gels Anzei­gen weder sein Fahr­ziel noch die Wagen­num­mern. Ver­ständ­li­cher­wei­se waren vie­le Fahr­gäs­te unsi­cher und wir gaben Aus­kunft, um wel­chen Zug es sich han­delt und ver­such­ten, anhand der App (DB Navi­ga­tor) in etwa zu erken­nen, wo sich wel­che Wagen­num­mer befin­den könn­te. Bis zur Abfahrt die­ses Zuges konn­ten die Anzei­gen nicht akti­viert wer­den. Wenigs­tens war nun klar, wes­halb die Ser­vice­kräf­te auch als „Rei­sen­den­len­ker“ bezeich­net wer­den.

Bei die­sen Pro­ble­men wun­dert es nicht, dass die meis­ten Ver­spä­tun­gen, die in den Bahn­hö­fen ent­ste­hen, durch Ver­zö­ge­run­gen beim Ein­stieg zustan­de kom­men. Ent­we­der ste­hen die Fahr­gäs­te am fal­schen Abschnitt des Bahn­stei­ges oder aber die Ein- und Aus­stei­ge­vor­gän­ge ver­tei­len sich nur auf weni­ge Türen, wie ein „Kol­le­ge“ mir erklär­te.

Zwi­schen den Hil­fen für die Fahr­gäs­te sprach ich mit den Ser­vice­kräf­ten über die zuneh­men­de Aggres­si­on gegen­über Bahn-Per­so­nal. Die Lau­ne der Fahr­gäs­te sei erkenn­bar schlech­ter, wenn sie ihre Züge ver­spä­tet sei­en. Belei­di­gun­gen sind aber so oder so nicht zu akzep­tie­ren.

Vor­bei­ge­schaut hat­ten wir auch in der Bahn­hofs­mis­si­on. Ich infor­mier­te mich über deren Arbeit. Am Haupt­bahn­hof Ber­lin sind zwei Haupt­amt­li­che beschäf­tigt, die von Frei­wil­li­gen­dienst­leis­ten­den und rund 30 Ehren­amt­li­chen unter­stützt wer­den. Sie wer­den von Rat- und Hil­fe­su­chen­den auf­ge­sucht, schau­en aber auch im Bahn­hofs­ge­bäu­de und des­sen Umge­bung nach Men­schen, die Hil­fe benö­ti­gen.