Der Flughafentunnel sorgt immer wieder für Diskussionen. In den 1980er-Jahren hatte ein Gutachten im Auftrag der Stadt Filderstadt empfohlen, den Tunnel für den motorisierten Individualverkehr (MIV) zu sperren. Die Gutachter prognostizierten Verkehrsreduzierungen in Bernhausen (Nord) um 50 bis 75 Prozent. Seither gab es immer wieder Diskussion, allerdings zunehmend im Zusammenhang mit dem Fuß- und Radverkehr, der auf der kürzesten Verbindung zwischen Bernhausen und Plieningen mit einem sehr schmalen Weg Vorlieb nehmen muss.
Das Grundproblem ist die mangelnde Breite von Fahrbahn und Fußweg. Der Fußweg weist eine Breite von etwa 1 – 1,10 Meter auf. Ein Fahrrad darf eine Breite von bis zu 1,0 Meter aufweisen. Ein Problem entsteht damit nicht erst bei Begegnungsverkehr (der sich durch Aufmerksamkeit vor Betreten/Befahren des Tunnels vermeiden lässt). Der Weg ist schon ohne Gegenverkehr zu eng. Eine Lösung kann und muss hier, am mangelnden Platz für den Fuß- und Radverkehr, ansetzen.
In den letzten Jahrzehnten hat das Verkehrsaufkommen insgesamt und der Anteil an breiteren Pkw (u. a. Geländewagen, SUV) erheblich zugenommen. Aber auch andere Personenwagen nehmen immer mehr Platz ein. Beispiel Golf: Dieser wurde in seiner Entwicklungsgeschichte um rund 20 Zentimeter breiter.
War bis vor einige Jahren noch das Radfahren auf der Fahrbahn erlaubt, wurde es längst aus Sicherheitsgründen untersagt. Das Verwaltungsgericht hatte im Jahr 2006 die Klage eines Radfahrers gegen die Sperrung der Fahrbahn für den Radverkehr abgewiesen. Es hatte in seinem Urteil mehrfach auf eine „außergewöhnliche Gefahrenlage“ und das gefährliche Missachten von Verkehrsregeln seitens des Kraftfahrzeugverkehrs verwiesen. Eine Ampelregelung für den Radverkehr auf der Fahrbahn, wie vom Kläger vorgeschlagen, lehnte das Gericht ab mit der Begründung, davon würden „nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen der Allgemeinheit“ in Form von Staubildungen ausgehen. Quelle: Az 10 K 3536/03
Mit diesem Urteil scheiden einige denkbare Lösungsansätze aus oder werden zumindest erschwert. Zumindest wurde aber noch klarer, welche Verkehrsteilnehmenden besonders zu schützen sind.
Zum Vorschlag, den Tunnel in einer Richtung (nach Norden) für den MIV zu sperren: Dann wird logischerweise weniger Verkehr nach Bernhausen hineinfahren, der die Autobahn oder Plieningen zum Ziel hat. Von Bonlanden und Plattenhardt wird man sich andere Routen suchen als die durch Bernhausen (insbesondere über die B 27). Dadurch erfährt Bernhausen insgesamt eine Verkehrsentlastung.
Innerhalb von Bernhausen werden sich Zielverkehre verlagern, was zu Mehrbelastungen auf der Echterdinger Straße sowie der Neuhäuser Straße führt.
Also: Weniger Verkehr in Süd-Nord-Richtung, mehr aus dem Zentrum und dem Norden heraus nach Osten und Westen.
Die stärksten Verlagerungen erfolgen insgesamt auf die B 27, wodurch sich für Bernhausen unter dem Strich eine Verkehrsentlastung ergibt.
Da politische Entscheidungen auf einer guten Datengrundlage und einer sorgfältigen Abwägung von Alternativen sowie von Vor- und Nachteilen getroffen werden sollten, habe ich dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg eine ganze Reihe von Fragen übermittelt (zunächst 14 Fragen, zwei Fragen nachgereicht). Um für Transparenz und Information zu sorgen, veröffentliche ich diese nachfolgend:
- Was besagen die Standardnormen über die Mindestbreite einer Straße und wie breit ist die Fahrbahn im alten Tunnelteil?
Gemäß den Richtlinien für die Anlage von Landstraßen (RAL 2012) sind Fahrstreifen, die regelmäßig vom Schwerverkehr genutzt werden, 3,50 m breit. Bei zwei Fahrstreifen ergeben sich damit Fahrbahnbreiten von 7,00 m. Hinzu kommen Randstreifen, Trennstreifen und Bankette.
Bei der Planung eines neuen zweistreifigen Tunnels ist ein Regelquerschnitt mit einer Gesamtbreite von 9,50 m erforderlich. Neben den beiden Fahrstreifen mit jeweils 3,50 m (inklusive 0,25 m Randstreifen) sind neben einer Fahrstreifenabgrenzung mittels durchgezogener Doppellinie von 0,50 m beidseitige Notgehwege mit jeweils 1,00 m vorzusehen.
Der Flughafentunnel hat eine Länge von 509 m, der alte Teil ist 385 m lang. Die Fahrstreifen im alten Tunnelteil des Flughafentunnels haben eine Fahrbahnbreite von jeweils 3,0 m, womit sich eine Gesamtbreite der Fahrbahn von rund 6,00 m ergibt. Beidseits befinden sich Notgehwege mit einer Breite von ca. 0,70 bzw. 0,45 m sowie auf der Ostseite zusätzlich ein hochgesetzter Gehweg mit einer Breite von ca. 1,00 m.
- Wie viele Unfälle wurden auf der Fahrbahn im Flughafentunnel in den einzelnen Jahren seit 2019 bekannt? Welche Schäden waren dabei entstanden?
Die polizeiliche Auswertung der Verkehrsunfalldaten im Flughafentunnel hat ergeben, dass es seit 2019 18 Unfälle gab, darunter drei Unfälle mit insgesamt fünf Leichtverletzten. Die überwiegende Mehrheit an Verstößen sind meist sogenannte „Spiegelstreifer“, bei denen der Schaden durch die seitlichen Außenspiegel verursacht wird, nicht selten mit Verkehrsunfallflucht. Situativ gab es keine Unfälle mit Beteiligung des Rad- und Fußverkehrs, die Benutzung der Fahrbahn ist für den Radverkehr verboten. Seit 2021 werden auch Verwarngeld-Unfälle erfasst, über die 18 Unfälle hinaus wurden hierzu neun Unfälle festgestellt.
- Was besagen die Standardnormen für die Breite eines Gehweges und was geben die Normen für einen Geh- und Radweg vor?
- Welchen Anforderungen für den Rad- und Fußverkehr soll in Zukunft entsprochen werden? Anders formuliert: Wie sehen aus Sicht des Landes die Mindestbedingungen für eine Lösung zugunsten des Rad- und Fußverkehrs aus?
Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Bei der Planung und dem Bau von Rad- und Fußverkehrsanlagen werden stets die aktuellen Richtlinien und Empfehlungen zu Grunde gelegt. Nach diesen Richtlinien ist die erforderliche Gesamtbreite eines Geh- bzw. Geh- und Radwegs situationsabhängig. Je nach Lage, z. B. innerorts oder außerorts, in freier Lage oder mit angrenzender Randbebauung (Tunnelwand) sind zusätzlich zum Grundmaß unterschiedliche Sicherheitsabstände zu berücksichtigen. Für die Situation im Flughafentunnel ergeben sich für einen reinen Gehweg eine Gesamtbreite von 2,50 m und für einen gemeinsamen Geh- und Radweg eine Gesamtbreite von 3,75 m.
Der Gesamtbreite des Gehwegs liegt dabei ein Grundmaß von 1,80 m zu Grunde. Dieses Maß ist auf den Begegnungsfall bzw. das Nebeneinandergehen von zwei Personen ausgerichtet. Das Grundmaß für einen gemeinsamen Geh- und Radweg beträgt 2,50 m. Maßgebend für Gehwege sind die “Empfehlungen für Fußverkehrsanlagen“ (EFA 2002), für Geh- und Radwege die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) und die Richtlinien für die Anlage von Landstraßen (RAL 2012). Für eine Lösung zugunsten des Rad- und Fußverkehrs scheint im Flughafentunnel unter den gegebenen Randbedingungen die Variante eines gemein-samen Geh- und Radwegs wie in der Machbarkeitsstudie beschrieben vielversprechend.
- Welche Möglichkeiten wurden untersucht und aus welchen Gründen sind welche der untersuchten Varianten ausgeschieden?
Der vorhandene hochgesetzte Notgehweg ist mit einer Breite im alten Tunnelteil von ca. 1,00 m als Geh- und Radweg völlig ungeeignet und scheidet bei der Nutzung für eine attraktive Radwegführung aus. Alle Überlegungen, den Radverkehr im fließenden Verkehr mitfahren zu lassen, sind bisher aus Sicherheitsgründen nicht weiterverfolgt worden, ebenso wie Ampellösungen für die Radfahrer mit für den Radverkehr geschalteten Phasen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit einem Urteil vom Januar 2006 die verkehrsbehördliche Entscheidung der Stadt Filderstadt aus dem Jahr 2001 des Verbotes von Radverkehr auf der Fahrbahn des Flughafentunnels aus Verkehrssicherheitsgründen bestätigt.
Schlussendlich erfüllen keine dieser angeführten Lösungen die Qualitätsstandards für das RadNETZ BW oder für die Radschnellverbindungen des Landes, die unter anderem der Verkehrssicherheit dienen.
Die bestmögliche Lösung für den Radverkehr ist eine eigenständige Führung. Hierzu wurde eine Machbarkeitsstudie beauftragt, in der eine eigenständige Führung des Radverkehrs über eine Tunnellösung untersucht wurde. Es wurden sechs Varianten betrachtet und bewertet. Die Unterfahrung der Startbahn des Flughafens bedingt eine große Tiefenlage aller Varianten und führt zu Tunnellängen bis knapp 1.300 m. Aufgrund der extrem hohen Kosten von bis über 100 Mio. Euro und den für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen unattraktiven und sozial nicht akzeptablen Bedingungen wurde eine Tunnellösung nicht weiterverfolgt. Zudem zerschlug sich ein Ansatz, einen Rettungsstollen für den Flughafentunnel für den Rad- und Fußverkehr mit zu nutzen. Ein separater Flucht- und Rettungsstollen ist nach der zwischenzeitlich vorliegenden gutachterlichen Bewertung für den Flughafentunnel nicht erforderlich.
Die Machbarkeitsstudie wurde deshalb um die Untersuchung von Varianten im
Bestandstunnel erweitert. Hierbei ging es um die Ausgestaltung von Querschnitten im Tunnel unter Aufrechterhaltung einer Fahrtrichtung für den Kfz-Verkehr. Dabei ergab sich eine Vorzugsvariante, die unter Einhaltung der für den Kfz-Verkehr und den Radverkehr erforderlichen Breiten und Sicherheitsabständen für eine gemeinsame Geh- und Radwegführung eine Breite von 3,75 m bereitstellt. Die Mindestanforderungen für das Rad-Zielnetz können somit erreicht werden. Die Anforderungen für Radschnellwegverbindungen würden in diesem Fall begründet auf einer Länge von ca. 600 m unterschritten werden. Die Ausgestaltung des Querschnitts bedingt bauliche Eingriffe am Tunnel im jetzigen Fahrbahn- und Notgehwegbereich.
Zur Beurteilung der verkehrlichen Auswirkungen einer Voll- bzw. Teilsperrung für den Kfz-Verkehr im Bestandstunnel wurde zeitgleich mit der Erweiterung der Machbarkeitsstudie eine Verkehrsuntersuchung beauftragt. Nach ersten vorliegenden Ergebnissen ist eine Teilsperrung für den Kfz-Verkehr zugunsten des Rad- und Fußverkehrs im Flughafentunnel grundsätzlich möglich. Eine Sperrung in Fahrtrichtung Stuttgart löst dabei geringere Verlagerungen in das kommunale Straßennetz aus als eine Sperrung in Fahrtrichtung Filderstadt. Zugrunde liegen die Verkehrsmengen aus dem Jahr 2018 und das aktuelle Straßennetz 2023 (mit der fertiggestellten Südumfahrung Plieningen). Eine Vollsperrung wurde ebenfalls untersucht, aber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, da die Situation für den Fuß- und Radverkehr bereits mit einer Teilsperrung deutlich verbessert werden kann.
Für den ÖPNV Verkehr sowie für Rettungskräfte und Polizei wird die Fahrbeziehung von Bernhausen nach Stuttgart über eine ansteuerbare Lichtsignalschaltung aufrechterhalten.
Die Verkehrsuntersuchung dauert noch an, siehe hierzu Frage 8.
- Wurde auch das Anlegen eines „Schutzstreifens“ auf der Fahrbahn bei gleichzeitiger Anordnung einer geringeren zulässigen Höchstgeschwindigkeit untersucht?
Die vorhandenen Fahrbahnbreiten sind für die Anlage von Fahrradschutzstreifen zu schmal, auch für den Fall einer geringeren Höchstgeschwindigkeit. Die Qualitätsstandards für das RadNETZ sehen aufgrund der hohen Verkehrsbelastung von 18.600 Kfz/24 ebenfalls keine Schutzstreifen vor.
- Wurden alle beauftragten und fertiggestellten Gutachten veröffentlicht? Wo sind diese zu finden?
Die Machbarkeitsstudie des Landkreises Esslingen „Radschnellweg Fildern“ vom Januar 2023 ist veröffentlicht unter
Die Machbarkeitsstudie der Stadt Stuttgart für Radschnellverbindung vom Juni 2020 ist veröffentlicht unter
https://www.adfc-bw.de/fileadmin/dateien/Gliederungen/KV_Stuttgart/Texte/PDFs/Studie_Juli_2020.pdf (vgl. Trassenkorridor 7 Stuttgart – Filderstadt).
Die Machbarkeitsstudie Radwegekonzept Flughafentunnel des Ingenieurbüros BUNG vom 21.12.2023 ist veröffentlicht unter
Eine Veröffentlichung auf der Homepage des Regierungspräsidiums Stuttgart ist in Kürze vorgesehen.
- Gibt es noch laufende Gutachten? Wenn ja, was wird noch untersucht und bis wann sind die Ergebnisse zu erwarten?
Zur Beurteilung der verkehrlichen Auswirkungen einer Voll- bzw. Teilsperrung des Bestandstunnels für den Kfz-Verkehr wurde eine Verkehrsuntersuchung beauftragt. Nach ersten vorliegenden Ergebnissen ist eine Teilsperrung für den Kfz-Verkehr zugunsten des Rad- und Fußverkehrs im Flughafentunnel grundsätzlich möglich, siehe Frage 5. Die Verkehrsuntersuchung dauert noch an.
Im Mai 2023 wurden im Bereich Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt, Stuttgart-
Plieningen und Neuhausen Verkehrszählungen durchgeführt. Die Zahlen werden derzeit in das Verkehrsmodell eingearbeitet. Es zeichnet sich ab, dass sich mit den Verkehrsmengen von 2023 die gleiche Charakteristik der Verlagerung wie mit den Verkehrsmengen von 2018 ergibt, eine Teilsperrung demnach grundsätzlich möglich ist. Die Erstellung der Verkehrsprognose 2035/ 2040 und die Untersuchung der Auswirkungen auf die Knotenpunkte im nachgelagerten Netz stehen noch aus. Die Grundlagendaten zur Verkehrsprognose werden vom Bund voraussichtlich im Sommer 2024 zur Verfügung gestellt.
Erst nach der Fertigstellung der Verkehrsuntersuchung kann die amtliche Anhörung der Gemeinden durchgeführt werden und eine finale Einschätzung erfolgen, ob eine Teilsperrung in Fahrtrichtung Stuttgart realisierbar ist. Hiermit ist frühestens im Herbst 2024 zu rechnen.
- Welche Routenpläne gibt es für den Radschnellweg auf den westlichen Fildern und welche Potenziale werden auf welchen Abschnitten gesehen?
In der Machbarkeitsstudie „Radschnellweg Fildern“ vom Januar 2023 im Auftrag
des Landkreises Esslingen wird auf der Nordseite des Flughafens Stuttgart von Stuttgart-Degerloch bis zum Flughafen Stuttgart ein Potenzial von ca. 4.300 Radfahrenden/Tag und auf der Südseite des Flughafens Stuttgart bis Filderstadt ein Potenzial von ca. 4.800 Radfahrenden/Tag ausgewiesen. Dies korrespondiert mit der Machbarkeitsstudie der Landeshauptstadt Stuttgart vom Juni 2020, die für den Zulauf von Norden her auf den Flughafentunnel für den untersuchten Radschnellverbindungs-Trassenkorridor Nr. 7 „Stuttgart – Filderstadt“ ein Potenzial von
ca. 4.800 Radfahrenden/Tag ausgewiesen hat.
In beiden Studien verläuft die Empfehlungs- bzw. Vorzugsvariante der Machbarkeitsstudie im Bereich des Flughafentunnels. Die Machbarkeitsstudie „Radschnellweg Fildern“ vom Januar 2023 im Auftrag des Landkreises Esslingen weist darauf hin, dass eine Querung des Flughafens derzeit nur über den Flughafentunnel der B 312 möglich ist. Die Vorzugsvariante der Machbarkeitsstudie der Stadt Stuttgart endet in Stuttgart-Plieningen im Bereich der B 312.
Das Potenzial für den Radverkehr auf den Radschnellwegen wurde auf der Basis des Leitfadens zur Potenzialanalyse und Nutzen-Kosten-Analyse der BAST
(Bundesanstalt für Straßenwesen) ermittelt.
- Wie hoch ist das durchschnittliche Verkehrsaufkommen auf der Fahrbahn des Flughafentunnels (bitte getrennt nach Fahrtrichtung sowie nach Pkw, Lkw und Bussen angeben)?
An einem durchschnittlichen Werktag im Jahre 2018 lag ein durchschnittlicher
täglicher Verkehr (DTV) in Höhe von 19.500 Kfz/24 h im Tunnel vor. Der Schwerverkehrsanteil lag bei ca. 5,3 Prozent. Der DTV gilt jedoch für den Gesamtquerschnitt, fahrtrichtungsbezogene Angaben liegen nicht vor.
Eine Aufteilung getrennt nach Fahrtrichtung kann anhand der aktuellen Zähldaten vom Mai 2023 grob abgeschätzt werden. Demnach setzt sich der Verkehr im
Tunnel aus ca. 93 Prozent Pkw, 1 Prozent Busse und 6 Prozent Lkw zusammen.
In Fahrtrichtung Filderstadt wurden 9.434 Kfz und in Fahrtrichtung Plieningen
8.930 Kfz gezählt. Dabei handelt es sich um die reinen Zähldaten und nicht um den amtlichen DTV.
- Was ist bekannt über die häufigsten Streckenverläufe (Fahrtziele), die Autofahrende bisher nehmen, die den Tunnel in Richtung Norden befahren?
Aus den vorliegenden Daten geht hervor, dass Autofahrer:innen, die den Tunnel in Fahrtrichtung Norden befahren, hauptsächlich die A 8 in Richtung Stuttgart und Karlsruhe erreichen wollen. Der Anteil liegt bei rund 70 bis 75 Prozent. Der übrige Teil möchte Ziele in Plieningen und Ostfildern oder nördlich davon erreichen.
Bei der AS Plieningen handelt es sich um einen Halbanschluss in Richtung Stuttgart. Autofahrende mit Ziel der A 8 Richtung München fahren daher nicht durch den Tunnel, sondern über die AS Neuhausen auf die A 8 auf.
- Von welchen Verkehrsverlagerungseffekten ist bei Sperrung in eine Fahrtrichtung auszugehen?
Bei Sperrung für den Kfz-Verkehr in Fahrtrichtung Stuttgart-Plieningen (Nord) ist von einer Verlagerung des Verkehrs größtenteils auf die B 27 mit + rd. 6.000 Kfz/24 h, auf die L 1208a mit + rd. 1.900 Kfz/24 h und auf die L 1209 mit + rd. 1.000 Kfz/24 h auszugehen. Gleichzeitig wird der Tunnel um – ca. 9.800 Kfz/24 h und die Flughafenstraße entlang der A 8 um – ca. 5.100 Kfz/24 h entlastet. Zudem ist mit Entlastungen in der Ortsdurchfahrt von Filderstadt Bernhausen in Nord-Süd-Richtung zu rechnen.
Bei Sperrung für den Kfz-Verkehr in Fahrtrichtung Filderstadt-Bernhausen (Süd) ist von einer Verlagerung des Verkehrs auf die B 27 mit + rd. 4.500 Kfz/24 h, auf die L 1208a mit + rd. 900 Kfz/24 h und auf die L 1209 mit + rd. 3.600 Kfz/24 h auszugehen. Gleichzeitig wird der Tunnel um – ca. 10.700 Kfz/24 h und die Flughafenstraße entlang der A 8 um – ca. 2.200 Kfz/24 h entlastet. Zudem ist mit Entlastungen in der Ortsdurchfahrt von Filderstadt Bernhausen in Nord-Süd-Richtung zu rechnen.
Der Sperrung in Fahrtrichtung Stuttgart-Plieningen (Nord) wird dabei der Vorzug eingeräumt, da der Verkehr größtenteils auf die B 27 und nicht auf die Landesstraße L 1209 verlagert wird.
- Welche Auswirkungen in Form von Rückstaus sind zu erwarten, wenn für den Linienbusverkehr per Ampelschaltung die Verkehre in Fahrtrichtung Süd vorübergehend gestoppt werden?
Damit ein Bus von Filderstadt kommend Richtung Plieningen (Nord) durch den Tunnel fahren kann, muss der Kfz-Verkehr in Fahrtrichtung Filderstadt (Süd) für
ca. 95 Sekunden gestoppt werden. Diese Zeit wird für die Räumung des Tunnels und die Durchfahrt des Busses benötigt. In dieser Zeit kann der Verkehr von der Flughafenstraße und von Plieningen kommend nicht in den Tunnel einfahren. Dadurch verlängert sich die berechnete Rückstaulänge aus Richtung Plieningen von ca. 136 m auf 276 m und aus Richtung Flughafenstraße von ca. 75 m auf
184 m. Für den Vormittag fallen die Werte geringer aus. Zwischen Stuttgart und
Filderstadt verkehren fünf Buslinien.
- Inwiefern ist das Ministerium bereits kommunikativ tätig gewesen und wie
sollen die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger informiert und eingebunden werden?
Die Kommunikation zum aktuellen Untersuchungsstand mit den Rathausspitzen der betroffenen Filderkommunen Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen, sowie mit dem Stadtplanungsamt der Stadt Stuttgart erfolgte durch das Ministerium für Verkehr Anfang Januar 2024. Mitte Januar 2024 hat Herr Minister Hermann MdL im Ausschuss für Verkehr bei der Beratung des Antrags 17/4440 über den Untersuchungsstand berichtet sowie in einer Pressekonferenz darüber informiert.
Im Weiteren sollen die Gemeinden bzw. Bürger:innen über den aktuellen Untersuchungsstand informiert werden. Dies kann sowohl in Form einer Informationsveranstaltung als auch im Rahmen öffentlicher Gemeinderats- oder Ausschusssitzungen stattfinden. Entsprechende Zusagen wurden gegenüber den Städten Stuttgart, Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt gemacht.
Die Stadt Filderstadt initiiert nun einen Runden Tisch, der nach Möglichkeit zeitnah unter Beteiligung der betroffenen Gemeinden sowie des Regierungspräsidiums Stuttgart stattfinden soll. Hierbei wird das Regierungspräsidium die Machbarkeitsstudie vertieft vorstellen und es können die weiteren Beteiligungsschritte erörtert werden. Auch die Vorschläge der betroffenen Gemeinden können dabei nochmals diskutiert werden. Zudem ist bislang eine Anhörung der betroffenen Kommunen nach Fertigstellung der Verkehrsuntersuchung bis Herbst 2024 vorgesehen.
- Gibt es für die zu geringen Fahrbahnbreiten einen dauerhaften Bestandsschutz oder müssen perspektivisch die Breiten gemäß der Richtlinien hergestellt werden?
Für die zu geringen Fahrbahnbreiten gibt es einen Bestandsschutz. Eine Herstellung der Breiten gemäß der Richtlinien, bei der alle Verkehrsarten berücksichtigt werden, würde den Neubau des gesamten Tunnels erfordern. Die Randbedingungen, die schon für einen separaten Tunnel für den Fuß- und Radverkehr gelten (keine Setzung der Start- und Landebahnen, hohe Tiefenlage, mangelnder Platz im Norden und Süden, hohe Kosten) wären aufgrund des größeren Querschnitts verschärft. Solch ein „Gesamttunnel“ wird ausgeschlossen. Beim damaligen Bau des Tunnels gab es die verlängerten Start- und Landebahnen des Flughafens noch nicht, weshalb der Bau verhältnismäßig einfach in sogenannter offener Bauweise möglich war. Das heiß, der Tunnel wurde in Form einer langen nach oben offenen Baugrube hergestellt. Das ist heute aufgrund der vorhandenen Start- und Landebahnen nicht mehr möglich.
16. Wie weit ist der Rettungsstollen vom Tunnel entfernt und wie breit und hoch ist dieser? Kann hier nicht die Zwischenwand entfernt werden, um benötigte Platz zu gewinnen?
Der im Schreiben genannte Rettungsstollen existiert baulich nicht. Die Flughafen Stuttgart GmbH hatte Anfang der 2020er Jahre mittels einer sogenannten Risikoanalyse den technischen Stand seiner Betriebstechnik untersuchen lassen. Im Weiteren wurde ermittelt, welche Maßnahmen notwendig sind, um den technischen Stand herzustellen. In diesem Rahmen wurde auch die Notwendigkeit eines Rettungsstollens geprüft. Hieraus hätten sich Synergien für die Führung des Fuß- und Radverkehrs ergeben. Die Untersuchung kam dann aber zum Ergebnis, dass ein solcher Rettungsstollen nicht notwendig ist.
Uns sind keine weiteren solchen individuellen Ausnahmeregelungen bekannt. Zur Frage, inwiefern eine Klage gegen den jetzigen Zustand erfolgreich wäre, handelt es ich um eine verkehrsrechtliche und komplexe Fragestellung. Die Historie zeigt jedenfalls, dass die Situation mehrfach von den Verkehrsbehörden und auch im Rahmen von Verkehrsschauen überprüft worden ist und die jetzige Situation vom Verwaltungsgericht Stuttgart mit dem Urteil von 2006 rechtlich bestätigt wurde. Das Gerichtsurteil kann unter folgendem Link abgerufen werden: Wolters Kluwer Online – VG Stuttgart, 20.01.2006 – 10 K 3536/03 – Klage gegen die Anordnung des Verkehrszeichens 254 (Verbot für Radfahrer); Verbot einer sonst zulässigen Durchquerung des Flughafentunnels für Radfahrer; Bewertung der Situation für Radfahrer auf der Fahrbahn im Tunnel; Anforderungen an eine erheblich übersteigende Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 S. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO); Verhältnismäßigkeit der Sperrung der Fahrbahn des Flughafentunnels für Radfahrer; Berechnung des Stauabbaus bei Installation einer Fahrradampel am Tunneleingang (wolterskluwer-online.de)
Meine Kommentierung (März 2024):
Die bisherige Debatte ist von einer starken Einseitigkeit geprägt. Das bestehende, unerträgliche Problem des viel zu schmalen Weges wird weitgehend ignoriert und eine Fahrbahnsperrung in einer Richtung wird vielfach abgelehnt, ohne dass realistische alternative Lösungsvorschläge formuliert werden. Hauptsache, es ändert sich nichts. Im Straßenverkehr muss aber der Schutz der Schwächsten im Vordergrund stehen. Das sind diejenigen, die zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs sind. Hier droht sich aber einmal mehr der Stärkere durchzusetzen. Diejenigen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, blieben dann im wahrsten Sinn des Wortes an den Rand gedrängt. Sie müssen auf einem Weg unterwegs sein, der mit nur einem Meter Breite weit unter den Richtlinien liegt. Demnach müsste dieser eine Gesamtbreite von mehr als dem Doppelten aufweisen. Doch auch die Fahrbahnbreite liegt unter den heutigen Vorgaben. Die Fahrzeuge sind über die Jahrzehnte immer breiter geworden und es kommt zu zahlreichen Unfällen, meist zu „Spiegelstreifern“. Ich selbst bin von der Idee einer teilweisen Fahrbahnsperrung nicht restlos überzeugt. Ohne eine offene Diskussion und Abwägungen von Vor- und Nachteilen verschiedener Varianten findet man aber nie eine Lösung – auch dann nicht, wenn es lediglich eine Lösung des geringsten Übels geben kann. Völlig ausgeblendet wird beispielsweise, dass eine Teilsperrung den Stadtteil Bernhausen von Durchgangsverkehr entlasten würde. In den 1980er-Jahren hatte ein Verkehrsgutachten im Auftrag der Stadt Filderstadt deshalb die Komplettsperrung des Tunnels für den Auto- und Lkw-Verkehr empfohlen. Das Thema ist also nicht neu. Sollte es keine Verständigung auf eine Sperrung der Fahrbahn in eine Richtung kommen, wären wiederkehrende Diskussionen sicher. Denn das Problem wäre nach wie vor ungelöst. Daher kann nur dringend zu einer lösungsorientierten Diskussion geraten werden.