06.09.2020
Rede auf Demo für mehr Tierschutz
Der Schlachthof in Gärtringen gehört nicht zu den großen, aber zu denen mit großem Skandal. Nachdem vor einigen Tagen Aufnahmen einer Tierschutzorganisation öffentlich wurden, die schwerwiegende Verstöße gegen den Tierschutz belegten, wurden die Behörden richtig aktiv. Vor dem Schlachthof fand eine Demo, angemeldet von der Grünen Jugend im Kreis, statt. Ich durfte dort reden und gebe hier mein Manuskript wider:
Wieder mal müssen wir uns mit einem Tierschutz-Skandal befassen. Wieder mal soll es sich um einen der wenigen Einzelfälle handeln. Wieder einmal sollen es einzelne Personen sein, die versagt haben sollen.
Dabei ist doch klar: An vielen Orten steht der Profit über dem Tierwohl. Häufig gilt das für die großen Schlachthöfe. Wir sehen hier in Gärtringen aber auch, dass es nicht unbedingt die Größe ist, die über die Moral entscheidet, sondern die Einstellung der Inhaber, der Geist, der herrscht, die Kontrollen, die durchgeführt werden. Und es sind natürlich die Regeln und Vorschriften, die leider an vielen Punkten unzureichend sind. Das fängt an den zu langen Transportwegen an, die zulässig sind. Es geht weiter damit, dass die Betäubung der Tiere nicht klar geregelt und damit häufig unzureichend ist. Akkordarbeit fördert schlampiges Arbeiten und vergrößert oft noch das Tierleid. Daraus wird deutlich, wo gehandelt werden muss: Wir brauchen kürzere Transportwege, mehr mobile Schlachtung; Klarheit, wie betäubt werden muss und Arbeitsbedingungen, die weniger Hektik und damit Fehler auslösen – und natürlich immer wieder unangemeldete Kontrollen.
Wenn es Vorwürfe wie diese hier in Gärtringen gibt kann es nur eine Reaktion geben: Der Schlachthof muss geschlossen werden, bis die Vorwürfe geklärt sind und ein Konzept vorgelegt wurde, wie es unter Einhaltung aller Vorschriften weiter gehen kann. Die Reaktion der beiden CDU-Abgeordneten, die den Schlachthof einfach weiter arbeiten lassen wollten, ist nicht zu verstehen. Zum Glück hat der Landrat jetzt gehandelt und den Schlachthof vorläufig schließen lassen. Er darf erst wieder öffnen, wenn sichergestellt ist, dass die Vorgaben in Zukunft eingehalten werden.
Was mir noch wichtig ist zu sagen geht deutlich weiter. Wer den öffentlichen Berichterstattungen über Tierschutzthemen folgt kann den Eindruck gewinnen:
In einem Jahr haben wir einen Skandal um die Tötung männlicher Eintagsküken.
Im darauf folgenden Jahr haben wir einen Skandal um das Kupieren von Schnäbeln.
Im darauf folgenden Jahr haben wir einen Skandal um die Sauenhaltung im Kastenstand.
In diesem Jahr haben wir die Skandale um Schlachthöre.
Das Schlimme ist: Wir haben alle diese und viele weitere Skandale gleichzeitig! Der Tierschutz steht seit 18 Jahren im Grundgesetz. Seither hat sich erschreckend wenig getan! Das Verbot der Käfighaltung von Hühnern war der einzige Meilenstein – und liegt lange zurück.
Was wir brauchen sind klare Haltungsvorgaben für die Nutztiere und deren Durchsetzung und die genannten Verbesserungen in Form von kürzeren Transportwegen und in den Schlachtereien.
Was wir aber genauso brauchen sind bewusste Verbraucher*innen, die für tierische Produkte bereit sind mehr zu bezahlen, wenn die Tiere artgerecht gehalten wurden. Weniger ist mehr. Wir müssen den Fleischkonsum reduzieren, um die Standards verbessern zu können. Mehr Platz, Auslauf, Einstreu, Beschäftigung, Tageslicht und gesundes Futter. Das müssen Selbstverständlichkeiten werden in der Tierhaltung.
Die Politik ist in der Verantwortung, endlich klare Standards zu setzen.
Wir alle, wir als Verbraucherinnen und Verbraucher, sind in der Verantwortung, uns für weniger Fleisch, aber dafür für Produkte aus artgerechter Tierhaltung zu entscheiden. Das hilft dann auch dem Klima, das durch die Masse an Tieren belastet wird. Das hilft auch der Ernährung der Weltbevölkerung, da unser Fleischkonsum quantitativ nicht globalisierbar ist.
Nochmal zurück zur Politik: Wir müssen endlich wegkommen von der Politik der Ankündigungen wie unter Ministerin Klöckner und ihren Vorgängern. Wir wollen kein Hinterhalten mehr und keine überlangen Übergangszeiten. Es braucht Fortschritte für eine artgerechtere Tierhaltung. Jetzt und nicht irgendwann!