So funktioniert (eigenwirtschaftlicher) Busverkehr

Hinweis: Dieser Beitrag ist schon älter und wurde möglicherweise noch nicht in das neue Format umgewandelt.

08.08.2021

Gespräch mit dem WBO

Immer wie­der wird die Fra­ge nach der Orga­ni­sa­ti­on und den Ver­ant­wort­lich­kei­ten für den Bus­ver­kehr gestellt. Der Ver­band Baden-Würt­tem­ber­gi­scher Omni­bus­un­ter­neh­mer e.V. (WBO) erklärt auf mei­ne Fra­gen, wie das mit den Aus­schrei­bun­gen und der eigen­wirt­schaft­li­chen Leis­tungs­er­brin­gung funk­tio­niert. Außer­dem geht es um Fra­gen der (Un)Zuverlässigkeit, die Tarif­bin­dung in der Bran­che und die Bezah­lung des Fahr­per­so­nals. Dem Inter­view schlie­ßen sich eini­ge spe­zi­fi­sche Infor­ma­tio­nen rund um die Orga­ni­sa­ti­on des Bus­ver­kehrs auf den west­li­chen Fil­dern an.

Fra­ge: Die Aus­schrei­bun­gen von Bus­leis­tun­gen im öffent­li­chen Nah­ver­kehr sind ziem­lich kom­pli­ziert. Kön­nen Sie kurz und ver­ständ­lich erklä­ren, wie die Land­krei­se als Auf­ga­ben­trä­ger auf Grund­la­ge von EU-Recht vor­ge­hen müs­sen?

Ant­wort WBO: Die Auf­ga­ben­trä­ger müs­sen im Fal­le einer EU-wei­ten Aus­schrei­bung ins offe­ne Ver­fah­ren. Frü­hes­tens 27 Mona­te vor der Betriebs­auf­nah­me, aber min­des­tens ein Jahr vor Beginn des eigent­li­chen Aus­schrei­bungs­ver­fah­rens, muss eine Vor­ab­be­kannt­ma­chung im Amts­blatt der EU erfol­gen. Zeit­gleich sind etwa­ige Stan­dards und Anfor­de­run­gen zu ver­öf­fent­li­chen, an die ein eigen­wirt­schaft­li­cher Antrag (der bin­nen drei Mona­ten nach der Ver­öf­fent­li­chung gestellt wer­den kann) gebun­den ist. Nach Ablauf der ein­jäh­ri­gen War­te­frist wird das eigent­li­che Aus­schrei­bungs­ver­fah­ren in Gang gesetzt. Auch die­se Auf­trags­be­kannt­ma­chung wird im Amts­blatt der EU ver­öf­fent­licht. Ange­bo­te, die den Aus­schrei­bungs-unter­la­gen inhalt­lich nicht ent­spre­chen oder unwirt­schaft­lich sind, wer­den aus­ge­schlos­sen. Wird inner­halb der 3‑Mo­nats-Frist ein eigen­wirt­schaft­li­cher Antrag gestellt und ist die­ser erfolg­reich (sprich: wird dem antrag­stel­len­den Unter­neh­men die Geneh­mi­gung erteilt), fin­det kein Aus­schrei­bungs­ver­fah­ren statt. Das Ver­fah­ren ist dann abge­schlos­sen, bevor es eigent­lich los­ge­gan­gen ist. Zu einer EU-wei­ten Aus­schrei­bung sind Auf­ga­ben­trä­ger nach euro­päi­schem und deut­schem Recht nicht ver­pflich­tet (ein weit­ver­brei­te­tes Fehl­ver­ständ­nis). Sie kön­nen die­sen Weg wäh­len, müs­sen das aber nicht. Auf­ga­ben­trä­ger las­sen die Ver­fah­ren von Ver­kehrs­be­ra­tern und spe­zia­li­sier­ten Kanz­lei­en abwi­ckeln („beglei­ten“). Die­ser finan­zi­el­le Auf­wand bleibt gemein­hin außer Betracht. Bei Direkt­ver­ga­ben oder bei der Finan­zie­rung des ÖPNV über all­ge­mei­ne Vor­schrif­ten nach der VO 1370 redu­ziert sich der admi­nis­tra­ti­ve Auf­wand im Ver­gleich dazu auf ein Mini­mum. Ver­keh­re mit einem Jah­res­durch­schnitts­wert von weni­ger als einer Mil­li­on Euro oder einem jähr­li­chen Umfang von weni­ger als 300.000 Kilo­me­tern kön­nen direkt ver­ge­ben wer­den (ohne Aus­schrei­bung). Wenn die Ver­keh­re an Unter­neh­men ver­ge­ben wer­den, die nicht mehr als 23 Fahr­zeu­ge betrei­ben, gilt ein Schwel­len­wert von unter zwei Mil­lio­nen Euro oder unter 600.000 Kilo­me­tern. Das wür­de auf mit­tel­stän­di­sche Bus­un­ter­neh­men von der Grö­ßen­ord­nung in aller Regel pas­sen (des­halb ist die­se Rege­lung auch im euro­päi­schen Recht ent­hal­ten). Lei­der machen die wenigs­ten Auf­ga­ben­trä­ger davon Gebrauch, weil sie näm­lich auf „bes­se­re“ Prei­se im Wett­be­werb spe­ku­lie­ren. Das führt dann dazu, dass die bis­he­ri­gen Unter­neh­men von ihrem ange­stamm­ten Ver­kehrs­ge­biet ver­drängt wer­den und ande­re Unter­neh­men mit „fri­schem“ Per­so­nal den Ver­kehr über­neh­men. Über all­ge­mei­ne Vor­schrif­ten kön­nen Aus­gleichs­leis­tun­gen an Betrei­ber für die Belas­tung mit öffent­lich fest­ge­setz­ten „Höchst­ta­ri­fen“ geleis­tet wer­den (damit sind die Ver­bund­ta­ri­fe gemeint, an die die Unter­neh­men gebun­den sind, die aber nicht die Kos­ten decken). All­ge­mei­ne Vor­schrif­ten gel­ten für alle Unter­neh­men in einem Ver­kehrs­ge­biet glei­cher­ma­ßen („dis­kri­mi­nie­rungs­frei“).

Vie­le Bus­an­ge­bo­te wer­den eigen­wirt­schaft­lich erbracht. Vie­le waren über das Aus­maß über­rascht. Der WBO auch?

Nein. Im VVS-Gebiet z.B. gibt es aus­kömm­li­che all­ge­mei­ne Vor­schrif­ten, die dies ermög­licht haben. Zum Ver­ständ­nis: Eigen­wirt­schaft­li­che Ver­keh­re unter­lie­gen nicht dem EU-Recht (VO 1370), weil kein spe­zi­fi­scher Zuschuss durch die öffent­li­chen Hand erfolgt (kei­ne „Bestel­lung“). Nach der Vor­ab­be­kannt­ma­chung besteht die Mög­lich­keit (wie oben dar­ge­stellt), inner­halb von drei Mona­ten einen eigen­wirt­schaft­li­chen Antrag zu stel­len. Ein Ver­kehrs­un­ter­neh­men kann die Hand heben und sagen: Ich fah­re euch den Ver­kehr ohne wei­te­re Zuschüs­se aus dem Kreis- oder Stadt­haus­halt. Eigen­wirt­schaft­li­cher Ver­kehr ist der ursprüng­li­che Bus­ver­kehr. Unter­neh­mens­in­itia­ti­ve und Eigen­wirt­schaft­lich­keit haben über vie­le Jah­re bes­tens zusam­men­ge­passt. Das Unter­neh­men lebt von den Fahr­geld­ein­nah­men; das Geld kommt direkt von der Kund­schaft, was posi­ti­ve Effek­te auf das Ange­bot hat. Auch aus der Per­spek­ti­ve des Gemein­wohls ist es begrü­ßens­wert, wenn eine öffent­li­che Leis­tung ohne Zuschüs­se zufrie­den­stel­lend erfol­gen kann. Auch heu­te noch hal­ten die pri­va­ten, meist fami­li­en­ge­führ­ten Bus­un­ter­neh­men die Eigen­wirt­schaft­lich­keit hoch – der Begriff „Unter­neh­mer“ kommt vom Verb „unter­neh­men“. Die eigen­wirt­schaft­li­chen Ver­keh­re finan­zie­ren sich durch Fahr­geld­ein­nah­men und Mit­tel aus öffent­li­chen Kas­sen, die alle Unter­neh­men glei­cher­ma­ßen zuste­hen (Aus­gleichs- und Erstat­tungs­leis­tun­gen für ver­bil­lig­te Schü­ler­ti­ckets, Frei­fahrt von Men­schen mit Schwer­be­hin­de­rung). Das wirt­schaft­li­che Risi­ko liegt bei den Unter­neh­men. Durch die Pan­de­mie sind eigen­wirt­schaft­li­che Ver­keh­re unter Druck gera­ten, weil die Betrof­fen­heit durch den Weg­fall der Fahr­gel­derlö­se weit­aus grö­ßer gewe­sen ist.

Lässt sich sagen, wel­cher Anteil an der Gesamt­leis­tung in Baden-Würt­tem­berg eigen­wirt­schaft­lich erbracht wird?

Eine zuver­läs­si­ge Aus­sa­ge ist uns nicht mög­lich. Wir schät­zen den Anteil eigen­wirt­schaft­li­cher Ver­keh­re lan­des­weit auf ein Drit­tel auf Basis der Fahr­leis­tung. Vor allem im länd­li­chen Raum spielt Eigen­wirt­schaft­lich­keit noch eine gro­ße Rol­le. Es gibt zahl­rei­che Land­krei­se, die den Ver­ga­be­weg nicht ein­ge­schla­gen haben. Die Bus­ver­keh­re in den Bal­lungs­räu­men wer­den von kom­mu­na­len Ver­kehrs­un­ter­neh­men betrie­ben, die außer­halb des Wett­be­werbs „direkt“ ver­ge­ben wor­den sind. Hier sind eigen­wirt­schaft­li­che Leis­tun­gen allein wegen der Ver­bin­dung mit Leis­tun­gen im Schie­nen­ver­kehr aus­ge­schlos­sen. Aller­dings gibt es Unter­neh­men in mit­tel­gro­ßen Städ­ten wie Lud­wigs­burg, Böblingen/Sindelfingen oder Aalen, die einen guten Takt und eine enge Bedie­nung eigen­wirt­schaft­lich erbrin­gen.

Wie häu­fig wer­den von Bus­un­ter­neh­men, die sich zur eigen­wirt­schaft­li­chen Leis­tungs­er­brin­gung ver­pflich­tet haben, Sub­un­ter­neh­men ein­ge­setzt? Wie bewer­tet der WBO dies?

Die Sub­un­ter­neh­mer­quo­te ist bei aus­ge­schrie­be­nen oder kom­mu­na­len Ver­keh­ren grö­ßer als bei eigen­wirt­schaft­li­chen. Ein eigen­wirt­schaft­li­cher Anbie­ter aus dem Mit­tel­stand fährt in aller Regel sei­nen Ver­kehr selbst. Anders ist es typi­scher­wei­se bei den Bahn­bus­töch­tern – hier sieht das Geschäfts­mo­dell im Regel­fall vie­le klei­ne­re Sub­un­ter­neh­mer vor (Anteil über 50 Pro­zent).

Eini­ge Bus­un­ter­neh­men haben sich offen­bar wirt­schaft­lich über­nom­men. Lässt sich das Aus­maß quan­ti­fi­zie­ren?

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren gab es ver­ein­zelt Insol­ven­zen. Bedingt durch die Coro­na-Pan­de­mie kamen eini­ge weni­ge Betriebs­auf­ga­ben hin­zu. Der WBO hat – und das ist beacht­lich und freut uns beson­ders – in der Pan­de­mie Mit­glie­der hin­zu­ge­won­nen. Im VVS hat­ten wir bei­spiels­wei­se drei Insol­ven­zen von Bus­un­ter­neh­men; eines davon (Rex­er; nicht eigen­wirt­schaft­lich) war auch in ande­ren Lan­des­tei­len unter­wegs. Zum einen wur­de ver­sucht, den Stamm­ver­kehr zu ver­tei­di­gen, zum ande­ren hat sich gezeigt, dass Wett­be­wer­ber von außer­halb „aggres­si­ver“ kal­ku­lie­ren. Bei­de Kon­stel­la­tio­nen haben zu Kampf­prei­sen geführt, die hin­sicht­lich der abseh­ba­ren Kos­ten­stei­ge­run­gen inner­halb von 10 Jah­ren Lauf­zeit viel zu opti­mis­tisch waren. Die Auf­ga­ben­trä­ger haben bei die­sen „güns­ti­gen“ Ange­bo­ten ger­ne zuge­grif­fen und spä­ter sind ihnen die Ver­ga­be­ent­schei­dun­gen auf die Füße gefal­len. Wir sehen den eigent­li­chen Teil der Ver­ant­wor­tung bei den Auf­ga­ben­trä­gern.

Wel­che Mög­lich­kei­ten haben die Auf­ga­ben­trä­ger, gegen Bus­un­ter­neh­men vor­zu­ge­hen, die ihre (eigen­wirt­schaft­li­chen) Ange­bo­te nicht zuver­läs­sig erbrin­gen?

Auf­ga­ben­trä­ger haben im Rah­men eines eigen­wirt­schaft­lich erbrach­ten Ver­kehrs kei­ne Mög­lich­keit der Ein­fluss­nah­me auf die Zuver­läs­sig­keit der zu erbrin­gen­den Ver­kehrs­leis­tun­gen, da kein öffent­li­cher Dienst­leis­tungs­auf­trag zwi­schen dem Ver­kehrs­un­ter­neh­men und dem Auf­ga­ben­trä­ger besteht. Viel­mehr ist es Auf­ga­be der Geneh­mi­gungs­be­hör­de nach PBefG (LRA oder RP), dann ein­zu­schrei­ten, wenn das Ver­kehrs­un­ter­neh­men die Ver­kehrs­leis­tung nicht zuver­läs­sig erbringt. Denn: Mit der Ertei­lung einer Ver­kehrs­ge­neh­mi­gung geht eine Betriebs­pflicht ein­her. Der Ver­kehrs­un­ter­neh­mer ist daher nicht nur dazu ver­pflich­tet, den Ver­kehr ein­zu­rich­ten, son­dern auch auf­recht­zu­er­hal­ten. Ins­be­son­de­re müs­sen die von der Geneh­mi­gungs­be­hör­de geneh­mig­ten Fahr­plä­ne ein­ge­hal­ten wer­den. Grund­sätz­lich gehen wir davon aus, dass Ver­kehrs­un­ter­neh­men – schon im eige­nen Inter­es­se – ihre Ver­kehrs­leis­tung zuver­läs­sig erbrin­gen. Unzu­ver­läs­sig­kei­ten, wie z.B. Ver­spä­tun­gen, wer­den vom Fahr­gast geahn­det und das Unter­neh­men wird dar­auf bedacht sein, Beschwer­den zu ver­mei­den und Unzu­läng­lich­kei­ten sofort zu kor­ri­gie­ren.

Was mich oft wun­dert und ich nicht ver­ste­he: Bus­un­ter­neh­men, die Leis­tun­gen eigen­wirt­schaft­lich erbrin­gen, sind auf jeden Fahr­gast ange­wie­sen, weil sich die Leis­tun­gen nur dann wirt­schaft­lich erbrin­gen las­sen, wenn die Fahr­gel­derlö­se stim­men. Den­noch ist immer wie­der fest­zu­stel­len, dass Bus­se ohne Mög­lich­keit des Fahr­kar­ten­ver­kaufs unter­wegs sind (feh­len­de Kas­se, feh­len­der oder defek­ter Stem­pel­au­to­mat) oder Leis­tun­gen so unzu­ver­läs­sig erbracht wer­den, dass Fahr­gäs­te fern blei­ben. Wie lässt sich das erklä­ren?

Haben Sie da die letz­ten ein­ein­halb Jah­re im Blick? Wenn ja, dann mag die­se Aus­sa­ge stim­men. Bevor die Trenn­wän­de zum Schutz des Bus­fah­rers ein­ge­baut waren, haben die Unter­neh­men zwangs­wei­se auf den Fahr­aus­weis­ver­kauf ver­zich­ten müs­sen, um das Per­so­nal zu schüt­zen. Abge­se­hen von der Pan­de­mie­si­tua­ti­on kön­nen wir uns feh­len­de Kas­sen damit erklä­ren, dass tem­po­rär Ersatz­fahr­zeu­ge ein­ge­setzt wer­den muss­ten, die über kei­ne Ver­kaufs­ge­rä­te ver­fü­gen. Defek­te Stem­pel­au­to­ma­ten kön­nen im Betriebs­ab­lauf vor­kom­men und wer­den – schon im eige­nen Inter­es­se des Ver­kehrs­un­ter­neh­mens – schnellst­mög­lich repa­riert. Im Übri­gen ist es die Ent­schei­dung des Geneh­mi­gungs­in­ha­bers und Auf­trag­ge­bers, wen er als Sub­un­ter­neh­mer ein­setzt. Bei der Aus­wahl der Sub­un­ter­neh­mer ist im Regel­fall allein der Preis ent­schei­dend.

Es lie­gen nun umfang­rei­che Erfah­run­gen mit der Aus­schrei­bungs- und Ver­ga­be­pra­xis vor. Wo hat die­se Pra­xis aus Sicht des WBO bewährt, wo sieht der WBO Hand­lungs­be­darf?

Als Unter­neh­mer müs­sen sie die Ein­nah­me- und die Kos­ten­sei­te im Auge haben. Die Preis­ge­stal­tung ist den Ver­kehrs­un­ter­neh­men aller­dings in Ver­kehrs­ver­bün­den weit­ge­hend aus der Hand genom­men wor­den. Durch einen qua­li­täts­vol­len Ver­kehr haben sie zumin­dest in der Welt der Eigen­wirt­schaft­lich­keit die Mög­lich­keit, auf der Ein­nah­me­sei­te zu punk­ten. In Ver­ga­be­ver­fah­ren sind die Unter­neh­men gezwun­gen, allein die Kos­ten­sei­te zu „opti­mie­ren“, was zwangs­läu­fig zu Las­ten des Per­so­nals und der Zuver­läs­sig­keit geht. Nach Ver­ga­be­recht erfolgt der Zuschlag von Geset­zes wegen auf das wirt­schaft­lichs­te Ange­bot (bes­tes Preis-Leis­tungs-Ver­hält­nis). In der Pra­xis wer­den die Ver­fah­ren von den Bera­tern aller­dings so aus­ge­stal­tet, dass der bil­ligs­te Bie­ter zum Zuge kom­men muss (Zuschlags­kri­te­ri­um 100 Pro­zent Preis). Die Ver­ga­be­stel­len neh­men sich somit unver­ständ­li­cher­wei­se jeg­li­chen Spiel­raum in Rich­tung Qua­li­tät und Zuver­läs­sig­keit.

Um einen qua­li­täts­vol­len, zuver­läs­si­gen ÖPNV auch in einer von den Auf­ga­ben­trä­ger domi­nier­ten Welt zu gewähr­leis­ten, hat der WBO gemein­sam mit dem Land, Land­kreis- und Städ­te­tag das Bünd­nis für den Mit­tel­stand ins Leben geru­fen, das lei­der von der öffent­li­chen Hand nicht gelebt wird, was man z.B. an der Nicht­an­wen­dung des Baden-Würt­tem­berg-Index ÖPNV Stra­ße able­sen kann. Der Index weist jähr­lich die pro­zen­tua­le Kos­ten­fort­schrei­bung bei ÖPNV-Ver­kehrs­leis­tun­gen u.a. in den Kos­ten­grup­pen Per­so­nal­kos­ten und Treib­stoff- bzw. Ener­gie­kos­ten aus. Die Grund­la­ge bil­det dabei neben Bun­des- und Lan­des­in­di­zes auch der WBO-Man­tel­ta­rif­ver­trag als reprä­sen­ta­ti­ver Tarif­ver­trag in Baden-Würt­tem­berg.

Der Baden-Würt­tem­berg-Index ÖPNV Stra­ße kann auf der WBO-Home­page abge­ru­fen wer­den (https://www.wbo.de/veroeffentlichungen/buendnis-fuer-den-mittelstand.html).

Wie groß ist der Man­gel an Busfahrer*innen in Baden-Würt­tem­berg? Wie vie­le Stel­len im ÖV sind besetzt, wie vie­le unbe­setzt?

Aktu­ell gibt es kei­nen Man­gel an Fahr­per­so­nal. Vor der Coro­na-Pan­de­mie waren Fah­re­rin­nen und Fah­rer sehr gesucht. Durch das wie­der­hol­te Ver­bot von tou­ris­ti­schen Bus­fahr­ten (die Rei­se­bus­un­ter­neh­men waren mehr­fach die ers­ten Gewer­be­trie­be, die schlie­ßen muss­ten, und mit die letz­ten, die wie­der öff­nen durf­ten) ist Per­so­nal frei­ge­setzt wor­den. Die wei­te­re Ent­wick­lung bleibt abzu­war­ten.

Immer wie­der wird Lohn­dum­ping im Bus­ge­wer­be ver­mu­tet. Was ver­dient ein Bus­fah­rer nach WBO-Tarif­ver­trag der­zeit? Wie sind Wochen­ar­beits­zeit und Urlaubs­an­spruch der­zeit gere­gelt?

Vor der Pan­de­mie herrsch­te Fah­rer­man­gel; gutes Fahr­per­so­nal konn­te sich aus­su­chen, für wen es fährt. An Lohn­dum­ping ist unter die­sen Bedin­gun­gen nicht zu den­ken. Zur­zeit ver­dient ein erfah­re­ner Bus­fah­rer 18,33 € pro Stun­de – es gilt eine durch­schnitt­li­che 39-Stun­den-Woche und 30 Tage Urlaub im Jahr. Die­se Stan­dards sind kaum zu unter­lau­fen. Für Berufs­an­fän­ger beträgt der Stun­den­lohn 16,50 € und steigt danach an. Mit abge­schlos­se­ner spe­zi­fi­scher Berufs­aus­bil­dung ist das obi­ge Niveau im vier­ten Jahr erreicht.

Wie hoch ist die Tarif­bin­dung in der Bran­che? Sind auch die für mei­ne Regi­on wich­ti­gen Bus­un­ter­neh­men FMO (Bus­toch­ter der Deut­schen Bahn) und Mel­chin­ger an den Tarif­ver­trag gebun­den?

Das Tarif­treue-Gesetz des Lan­des gibt reprä­sen­ta­ti­ve Tarif­ver­trä­ge wie den des WBO bei Ver­ga­ben zwin­gend vor. In Zei­ten des Fahr­per­so­nal­man­gels kommt kein Ver­kehrs­un­ter­neh­men dar­an vor­bei, ordent­li­che Löh­ne zu zah­len. Das Lini­en­bün­del 1 des Land­krei­ses Ess­lin­gen, wel­ches sich die FMO gesi­chert hat, wird eigen­wirt­schaft­lich betrie­ben. In die­sem Fall besteht nach Gesetz kei­ne Tarif­bin­dung. Im Groß­raum Stutt­gart ist es jedoch nicht mög­lich, unter­ta­rif­lich Fahr­per­so­nal zu beschäf­ti­gen.

————————————————-

Hier noch eini­ge Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zu den Bus­ver­keh­ren auf den west­li­chen Fil­dern:

Mit dem Fahr­plan­wech­sel im Dezem­ber 2019 haben sich zahl­rei­che gra­vie­ren­de Ände­run­gen erge­ben. Zum Bün­del Ess­lin­gen 1 zähl­ten die bis­he­ri­ge Linie 806 sowie die Außen­bus­li­ni­en 35, 36, 36E, 37, 38 und 38E der SSB, die sich eben­falls aus EU-recht­li­chen Grün­den aus den Lini­en zurück­zo­gen. Hier­aus wur­den des­halb die neu­en Lini­en­num­mern 815, 816, 816A, 817, 818 und 818A. Ganz neu hin­zu kamen die Lini­en mit den Num­mern 812, 813, 814 und N18. Das Bün­del Ess­lin­gen 1 bekommt kei­ne Zuschüs­se durch den Land­kreis und den Kom­mu­nen. Das Risi­ko des eigen­wirt­schaft­li­chen Lini­en­bün­dels trägt allein das Ver­kehrs­un­ter­neh­men, das die Fahr­geld­ein­nah­men und Durch­ta­ri­fie­rungs­ver­lus­te bekommt (FMO, Toch­ter­un­ter­neh­men der Deut­schen Bahn). Der Omni­bus­ver­kehr Mel­chin­ger, der schon zuvor im Auf­trag der Stutt­gar­ter Stra­ßen­bah­nen AG (SSB) fuhr, über­nahm als Sub­un­ter­neh­mer über ein Drit­tel der Fahr­ten für FMO. FMO hat die gefor­der­ten Min­dest­leis­tun­gen in sei­nem Antrag noch­mal deut­lich über­schrit­ten. Dies bedeu­tet, dass ein Ange­bot für die Fahr­gäs­te gefah­ren wird, das über den in der Aus­schrei­bung vor­ge­se­he­nen Umfang hin­aus­geht.

Quel­le: https://www.vvs.de/presse/archiv/detailansicht-pressemitteilung/presse/ab-1-dezember-2018-bessere-busverbindungen-auf-den-fildern‑1/