25.05.2018
Gespräch mit dem Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS)
Die Entwicklung der Fahrgastzahlen, die geplante Tarifzonenreform und die Angemessenheit der Fahrpreise sowie die Stärken und Schwächen der VVS-App waren die Hauptthemen im Gespräch mit den beiden Geschäftsführern des Tarifverbunds.
Die Entwicklung der Fahrgastzahlen im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) ist seit Jahren erfreulich. So auch wieder im Jahr 2017: Die Verkaufsstatistik weist über 382 Millionen Fahrten und damit ein Zuwachs um 2,3 Prozent (bundesweit: 1,4 Prozent) aus. Besonders das Firmenticket hat sich mit inzwischen 620 beteiligten Unternehmen erfolgreich entwickelt. 78.000 Beschäftigte (im Vorjahr waren es noch 71.500) waren damit mobil. Das Land Baden-Württemberg hat seinen Zuschuss zum Jobticket von bislang 20 auf nun 25 Euro erhöht. Am deutlichsten wuchs der Verkauf von Handy-Tickets, nämlich um 62 Prozent auf 6,5 Millionen Fahrscheine. Die Fahrgeldeinnahmen wuchsen auf 520 Millionen Euro an. Der Kostendeckungsgrad liegt nun bei knapp über 62 Prozent. Allerdings, darauf legten die beiden VVS-Geschäftsführer großen Wert, ist die Ermittlung des Kostendeckungsgrades schwierig und weder alle Kosten noch alle Einnahmen werden darin genau abgebildet. Klar ist aber: In der Region Stuttgart beteiligen sich die Fahrgäste stärker an der Finanzierung der Bus- und Bahnangebote als in den meisten anderen Regionen der Republik.
Da stellt sich die Frage nach der Angemessenheit der Fahrpreise. Aus meiner Sicht müssen die Tarife gesenkt werden. Dies wäre ein eindeutiges Signal: Neben dem Radfahren und zu Fuß Gehen ist die vermehrte Nutzung von Bus und Bahn für Umwelt und Gesundheit zwingend notwendig und politisch gewollt. Ein Nulltarif halte ich dafür aber nicht zielführend. Richtig ist vielmehr das, was bereits in Planung ist: Nämlich eine Tarifzonenreform mit Vereinfachungen und einer Preissenkung. In Stuttgart sollen die beiden Zonen 10 und 20 zu einer zusammengelegt werden. In den Außenringen sollen die Sektorengrenzen abgeschafft. Von heute 52 Tarifzonen bleiben dann noch wenige Ringzonen übrig. Die Kosten sollen bei 42 Millionen Euro liegen. Für die Fahrgäste ergibt sich daraus eine Tarifsenkung um durchschnittlich acht Prozent. Niemand soll schlechter gestellt werden, für sehr viele Fahrgäste wird die Nutzung von Bus und Bahn preiswerter. Die Änderungen sollen zum April 2019 in Kraft treten – vorausgesetzt, die politischen Gremien stimmen zu. Auf die üblichen Tarifanpassungen im Dezember sollte in diesem Jahr unbedingt verzichtet werden.
Neben dem Preis ist der Nutzerkomfort ein Kriterium für die Verkehrsmittelwahl. Die VVS-App kann helfen, die jeweils geeignete Verbindung herauszusuchen und auf Verspätungen hinzuweisen. Meine Erfahrung ist jedoch, dass dies keineswegs immer zuverlässig geschieht. So wurden mir schon umwegige Verbindungen empfohlen oder ich saß in einem deutlich verspäteten Bus, der auf der App als pünktlich angegeben wurde. Eine kleine Umfrage, die ich auf Facebook durchgeführt hatte, zeigte ein ziemlich klares Bild: Gelobt wurde der Ticketkauf per App („praktisch“, „ein wenig günstiger“, „tolle Alternative zum Automaten“). Kritisiert wurde, dass Störungen und Verspätungen nicht immer oder nicht immer der Realität entsprechend angezeigt werden. Die Rückmeldungen der Nutzerinnen und Nutzer habe ich dem VVS im Beisein des Teamleiters „Auskunftssysteme und Informationsmedien“ vorgestellt und übergeben. Einige wenige Antworten möchte ich hier wiedergeben: Alle Verkehrsunternehmen im Tarifgebiet setzen Busse und Bahnen ein, die ihren aktuellen Standort live an die VVS-Datenbank übermitteln und damit Echtzeitinformationen für die Fahrgäste ermöglichen. Bei einzelnen Subunternehmen kann es jedoch Probleme beispielsweise dann geben, wenn ein Ersatzbus eingesetzt wird. Bei neuen Ausschreibungen ist das Merkmal „Standorterkennung“ vorgeschrieben (muss auch von den eigenwirtschaftlich erbrachten Verkehren erfüllt werden). Übrigens, was ich nicht wusste: Wenn auf der VVS-App das Symbol „Uhr“ zu sehen ist bedeutet dies, dass es sich für das jeweilige Verkehrsmittel um eine Echtzeitinformation handelt.
Wenn es zu Störungen kommt, beispielsweise eine Straße wegen eines Unfalls gesperrt ist und ein Bus dadurch aufgehalten wird, dann ist verständlicherweise eine realistische Echtzeitauskunft nicht möglich. Die Betriebsleitstelle versucht in solchen Fällen aber, manuell in die App-Anzeigen einzugreifen, um den Fahrgästen möglichst aussagekräftige Informationen bieten zu können.
Was geschieht mit den Informationen darüber, welche Bus- und Bahnlinien besonders störanfällig sind? Das „Fernziel“ sei, so der VVS in einer seiner Publikationen, „Verspätungsschwerpunkte und ‑ursachen zu identifizieren“. Drei Buslinien, nämlich die X‑Linien (Expressbusse) werden dafür besonders intensiv analysiert. Weitere Linien sollen nach und nach hinzukommen und 2019 sollen alle auf ihre Verspätungsanfälligkeiten hin analysiert werden.
Ein noch weiter gehender Schritt sind dann die Verspätungsprognosen. Auch damit soll nun gestartet werden. Im Jahr 2020 könnten die Vorhersagen Standard werden.
Die VVS-App soll ab 2019 bundesweit Auskünfte geben können. Echtzeitdaten werden insoweit verfügbar sein, wie die jeweiligen Unternehmen ihre Daten zur Verfügung stellen.
Ein weiteres Thema unseres Gesprächs war „Open Data“. Der VVS stellt seit Mai gemeinsam mit anderen Tarifverbünden über ein verbundübergreifendes Portal ÖPNV-Daten Privatpersonen und Unternehmen zur freien Nutzung zur Verfügung. Die Daten (keine personenbezogenen Daten!) sind dann in verschiedenen Auskunftssystemen abrufbar.
Schließlich besprachen wir die Chancen von Bestellverkehren („on demand“). In Schorndorf startete hierzu (etwas holprig) im März ein Pilotprojekt. Kleinbusse sind dort auf Bestellung unterwegs. Einen festen Fahrplan und definierte Haltestellen gibt es nicht. Ein Algorithmus berechnet die reale Abfahrtszeit und gibt bekannt, wo genau der Fahrgast warten soll. Die Fahrtroute wird so ermittelt, dass möglichst weitere Fahrgäste mitgenommen werden können („Pooling“). Zu hören ist, dass die eingesetzten Fahrzeuge teilweise zu klein sind und es besser gewesen wäre, wenn nicht teilweise Fahrten von etablierten Buslinien ersetzt worden sondern ergänzt worden wären.
Abschließend ging es in unserem Gespräch um eigenwirtschaftliche Busverkehre. Zum Hintergrund: Busverkehre müssen meist ausgeschrieben werden. Gibt ein Busunternehmen ein Angebot ab, bei dem auf Zuschüsse (außer den Ausgleich für die Ermäßigungen für Schüler und Menschen mit Behinderung) verzichtet wird, muss dieses Unternehmen den Zuschlag erhalten. Dies spart der öffentlichen Hand einerseits Kosten. Andererseits können nicht immer alle Qualitätsansprüche umgesetzt werden. Der VVS hatte vor einigen Monaten die Einschätzung abgegeben, dass bei 40 Prozent der Linienbündel (bezogen auf die Kilometerleistung) eigenwirtschaftliche Angebote eingehen werden. Noch ist es angesichts laufender Verfahren zu früh, dies bestätigen oder wiederlegen zu können. Bekannt ist aber, dass erste Erfahrungen mit der Qualität der erbrachten Leistungen (siehe die Buslinie 828 einer Tochter der Deutschen Bahn, zentralistisch aus Frankfurt gesteuert) zumindest nach dem Betreiberübergang nicht immer durchweg gut sind. Die weitere Entwicklung muss auf jeden Fall genau beobachtet werden.