Was Fachleute angesichts von Omikron sagen
Was sagen bekannte und weniger bekannte Fachleute angesichts der zunehmend dominierenden Omikron-Variante zur Wirksamkeit und dem Sinn des Impfens? Aus Medienberichten und weitergehenden Recherchen habe ich unterschiedliche Stimmen – unabhängig von deren Meinungen – aus der medizinischen Fachwelt zusammen getragen.
Der Vorteil von Omikron sei gegenüber der Delta-Variante, dass die Variante wohl zu weniger schweren Covid-19-Verläufe führe. „Delta war ein absolut tödliches Virus.“ Die Impfungen seien im vergangenen Jahr dafür verantwortlich gewesen, dass man in Deutschland keine „Leichenberge“ gehabt hätte. Die Omikron-Mutation gilt allerdings als deutlich infektiöser im Vergleich zu anderen Corona-Varianten. „Entwarnung“ könne man deshalb derzeit nicht geben, so der Forscher. Man müsse damit rechnen, „dass sich ganz viele Menschen infizieren“. Selbst Geboosterte seien nicht zu hundert Prozent vor der Omikron-Variante geschützt. „Der Booster schützt weiterhin hervorragend vor einer Erkrankung jeglicher Art an Covid-19. Aber er schützt eben nur noch sehr bedingt bei Omikron vor der Infektion an sich.“
Prof. Dr. Ulf Dittmer, Chefvirologe der Uniklinik Essen, FR v. 13.01.2022
„Beim Schutz vor schweren Erkrankungen machen die Impfungen weiterhin einen Riesenunterschied.“ Dies zeige auch der Blick ins Ausland. Die Booster-Impfung reduziere das Risiko einer Ansteckung. Über kurz oder lang würden jedoch alle Kontakt zum Virus bekommen. Dies dürfe aber nicht gleichzeitig geschehen.
Prof. Dr. Leif Erik Sander, Leiter der Impfstoffforschung an der Charité in Berlin, im ZDF-Morgenmagazin v. 13.01.2022
„Auf Intensiv landen Geimpfte deutlich seltener.“
Dr. Christian Specht, Arzt und Medizinkorrespondent in ZDF „Volle Kanne“ am 14.01.2022
„Grundsätzlich sind Spätfolgen von Impfungen eine ausgesprochene Rarität, und das in allen Altersgruppen.“ Persönlich sei er jedoch kein Fan einer Impfpflicht, da eine solche zu einer „starken Polarisierung der Gesellschaft“ führe.
Prof. Dr. Thomas Mertens, Virologe, Stiko-Chef, StZ v. 14.01.2022
Man solle sich nicht absichtlich einer Infektion auszusetzen. „Ich teile die Ansicht nicht, dass man sich absichtlich einer Infektion aussetzen sollte. Die beste Immunität, die wir haben, ist, sich mit einem Impfstoff impfen zu lassen.“ Das sei viel sicherer und man werde ohnehin irgendwann mit dem Virus in Kontakt kommen – da sei es besser, seinen Körper mit einer Impfung bereits „trainiert“ zu haben. Weiter sei er zwar „Impffan“, aber sehe eine Impfpflicht „sehr kritisch“. Das käme für ihn nur infrage bei Viren, „die wir ausrotten können und wo wir eine sterile Immunität erzeugen können“. Bei diesem Virus könne man das nicht.“
Prof. Dr. Hendrick Streeck, Virologe in RND v. 14.01.2022
Die Impfstoffe würden gegen die neue Virusvariante wirken und das individuelle Risiko stark reduzieren. Für die Infektionsdynamik „ist die Impfung im Moment egal. Leider tragen auch Geimpfte zu dieser Dynamik bei.“ Länder mit einer sehr hohen Impfquote würden zwar nach wie vor hohe Inzidenzen haben, dafür aber eine geringere Hospitalisierungsrate.
Prof. Dr. Melanie Brinkmann, Virologin, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, bei Maybritt Illner am 13.01.2022, Nachbericht in WELT v. 14.01.2022
Die Impflücke insbesondere bei älteren Personen sei zu groß. Impfungen verhinderten nicht unbedingt eine Ansteckung, aber sie verhinderten einen schweren oder gar tödlichen Verlauf, deshalb gelte es, unbedingt die große Impflücke bei den über 60 Jahre alten Menschen zu schließen. Durch eine Immunisierung über natürliche Infektionen würden zu viele Menschen sterben. Wir hätten über den Weg der Impfungen bereits ein ganzes Stück des Weges geschafft und müssten diesen nun zu Ende gehen, um im Laufe des Jahres 2022 in die endemische Phase zu kommen und den pandemischen Zustand für beendet erklären zu können.
Charité-Chefvirologe Christian Drosten, StZ und FAZ v. 15.02.2022 sowie TSP v. 16.01.2022
Mit der Omikron-Variante des Coronavirus gebe es die Chance, dass die Pandemie in absehbarer Zeit zu einem Ende kommen kann – und zwar über vermehrte Ansteckungen. Das sei aber nur möglich „auf Basis eines in der breiten Bevölkerung verankerten Impfschutzes. Sonst würden „zu viele Menschen sterben“.
Charité-Chefvirologe Christian Drosen, TSPS v. 16.01.2022
Mit Omikron verbreite sich Covid-19 so schnell wie nie. Es sei wieder mit steigenden Todeszahlen zu rechnen. Jede Infektion, die verhindert werden könne, trage zur Bekämpfung der Welle bei.
RKI-Chef Lothar Wieler, StZ v. 15.02.2022
Die Empfehlung des Deutschen Ethikrates für eine Ausweitung der Corona-Impfpflicht habe weiter Bestand. Man habe die Position nicht geändert.
Alena Buyx, Medizinethikerin, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, EPD v. 15.01.2022
„Omikron ist jedenfalls der eine Teil, der uns Richtung Ende der Pandemie bringt. Das Virus vermehrt sich nicht mehr so häufig in der Lunge, sondern im Nasen-Rachenraum. Dadurch steigt die Übertragungfähigkeit, aber die schweren Verläufe reduzieren sich. Das ist typisch für ein endemisches Virus. (…) Es wird noch sehr viele schwere Erkrankungen geben bis zum Winterende. Das wäre mit mehr Impfungen und dem besseren Infektionsschutz der Älteren in der stationären und mobilen Altenpflege partiell vermeidbar gewesen. (…) Man kann es nicht oft genug sagen: Auf den Intensivstationen landen in überwiegendem Maße ungeimpfte Menschen, davon viele über 60-Jährige. (…) Aus rein epidemiologischen und medizinischen Gesichtspunkten macht sie (die Impfpflicht) Sinn: Jeder, der geimpft ist, reduziert sein Erkrankungs-Risiko. Und das Risiko für andere übrigens auch.“
Klaus Stöhr, Virologe und Epidemiologe, ehemaliger WHO-Virologen, in N‑TV v. 16.01.2022
Es sei nicht sicher, ob die Immunität durch die Infektion mit der Omikron-Variante ausreicht, um sich effizient gegen weitere Varianten zu schützen. Die Impflücke gerade der über 60-Jährigen sei gewaltig und mit Problemen behaftet. Zu viele Ungeimpfte mit hohem Risiko schwerer Erkrankungen könne sich unser Gesundheitswesen nicht leisten. Vieles über Omikron wisse man noch nicht. Man solle daher weiterhin sehr vorsichtig sein.
Dr. Martin Stürmer, Virologe, Interdisziplinäre Medizin-Diagnostik Frankfurt am Main, Morgenmagazin v. 17.01.2022
Fazit
Viele Stimmen, viel Konsens: Impfen verringert nach allem, was auch über die zunehmend dominierende Omikron-Variante bekannt ist, das Risiko schwerer Erkrankungen. Auffallend sind die vielen warnenden Hinweise auf die Impflücken bei älteren Menschen. Erfreulich ist zugleich, dass bei den Fachleuten Optimismus durchblitzt, die Pandemie könne in absehbarer Zeit ein Ende finden.
Den weiteren Verlauf des Pandemiegeschehens gilt es genau zu beobachten und auf Basis einer größeren, zuverlässigeren Datenbasis entsprechende Bewertungen vorzunehmen. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Diskussion um eine mögliche Impfpflicht wichtig.